Start Meinung Um jeden Preis (Fröhlich am Freitag)

Um jeden Preis (Fröhlich am Freitag)

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Für 64,99 € gibt es diesen Diablo 4-Gaul plus Spielwährung (Abbildung: Blizzard Entertainment)
Für 64,99 € gibt es diesen Diablo 4-Gaul plus Spielwährung (Abbildung: Blizzard Entertainment)

Die Games-Umsätze stagnieren. Weltweit. Das ist ein Problem. Die Folgen bekommen Beschäftigte und Spieler gleichermaßen zu spüren.

Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

stilisierte Bergblumen auf frischem Pistazien-Grün, dazu eine Edelweiß-Grafik im Nackenbereich, atmungsaktive Mesh-Einsätze und ’smartes Feuchtigkeitsmanagement“ dank Aeroready-Technologie: Diese und weitere Features erklären die 100 €, die der Fanshop der FC Bayern München AG all jenen abgebucht hat, die sich zuletzt das sogenannte Wiesn-Trikot gegönnt haben. Die Sonder-Kollektion wird seit einigen Jahren in immer neuen Varianten anlässlich des Oktoberfests aufgelegt – 2021 zum Beispiel in Waidmannsheil-Tannengrün.

100 € klingt sportlich, ist im Fußball-Trikotagen-Biz aber schon fast ein Preis christlicher Nächstenliebe. Marktüblich sind eher 130, 150, 170 €, je nach Ausführung. Wirklich stören tut das ohnehin keinen großen Geist: Allein am ersten Wochenende nach Verpflichtung von Harry Kane hat der Umsatzrekordmeister mehr als 20.000 Adidas-Leibchen mit der Rückennummer 9 abgesetzt.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Natürlich sind längst nicht alle Bundesligisten auf solchen Rosen gebettet. Der Profi-Fußball ist vielmehr an eine gläserne Decke gestoßen – schon vor den Corona-Geisterspielen. Seit der Spielzeit 2015/16 oszilliert der Umsatz der Bundesliga zuverlässig zwischen 3 und 4 Milliarden € – darin inklusive: Werbung, Transfers, Tickets, TV-Rechte, Merchandise, Wiesn-Trikots.

Da nicht sichergestellt ist, dass der gewöhnliche Fußballfan neben DAZN, Sky und Amazon Prime weitere Pay-TV-Dienste abonniert, muss das Wachstum woanders herkommen. Impulse versprach sich die Deutsche Fußball Liga (DFL) vom Einstieg eines Investors – der Grund, warum in Deutschlands Stadien zuletzt die Tennisbälle so tief flogen. Denn die Kurven nahmen es Liga-Boss Watzke nicht ab, dass der umgarnte Finanzkonzern zwar 1 Milliarde Euro in die Liga einbringt, aber gleichzeitig „null Einfluss“ haben soll. Unterschwellige Sorge: eine weitere Fragmentierung der Spieltage oder verpflichtende Promotion-Einsätze des 1. FC Heidenheim in marktführenden Emiraten.

Oder wie es letztens auf einem der Fankurven-Plakate zu lesen war: „Verkauft uns nicht für dumm“. Das DFL-Präsidium leistete Folge: Am Mittwoch wurden die Verhandlungen eingestellt.

An besagte gläserne Decke ist auch die Games-Branche gestoßen, die daher dringend nach Wegen sucht, die Einnahmen in einem schwierigen konjunkturellen Umfeld zu steigern. Schließlich sollte man sich besser nicht darauf verlassen, dass regelmäßig Pandemien um die Ecke kommen, die für eine Sonderkonjunktur sorgen. Und so erklärt sich, dass Marktforscher Newzoo für 2023 einen Umsatz von 184 Milliarden Dollar errechnet – ein papierdünnes Plus von 0,6 Prozent gegenüber Vorjahr, das bereits gegenüber 2021 leicht „korrigiert“ hatte.

Gleichzeitig steigen die Entwicklungskosten und der Druck von den Kapitalmärkten – und damit auch der Kesseldruck in den Chefetagen. Jede Entscheidung wird der Marge untergeordnet. Arbeitnehmer und Kunden lernen derzeit auf die harte Tour, dass Großkonzerne weder Freunde noch Familie sind – und die CEOs geben sich auch nur noch wenig Mühe, einen anderen Eindruck zu vermitteln.

Drei Beispiele der vergangenen Tage:

  • Embracer-Boss Lars Wingefors ist mit den Worten zu zitieren, seine oberste Maxime sei die Maximierung des Shareholder Value. Gut, als CEO eines börsennotierten Unternehmens gehört das zur Job-Beschreibung. Wahr ist aber gleichzeitig: Empathischer kann man sich kaum von 1.300 Beschäftigten verabschieden, die sich als nicht länger zumutbare Kostenbelastung herausgestellt haben und binnen weniger Monate das Unternehmen verlassen mussten.
  • Sony-Interactive-Präsident Hiroki Totoki plauderte letzte Woche freimütig aus, er habe bei den Besuchen in den konzerneigenen Studio-Stuben zwar total kreative und motivierte Leute vorgefunden – bei der Einhaltung von Business-Plänen und Wachstumszielen gäbe es aber „room for improvement“, also Luft nach oben.
  • Die Notwendigkeit, die Belegschaft bei Activision Blizzard, Zenimax / Bethesda und in den Xbox Game Studios um 1.900 Beschäftigte zu reduzieren, begründete Microsoft-Manager Phil Spencer in dieser Woche damit, dass er bei seinem Arbeitgeber im Wort stehe, dass das Xbox-Business erstens wächst und zweitens Profit abwirft.

Leute rauswerfen, Studios schließen und Projekte einstellen ist das eine – beantwortet aber noch nicht die Frage, womit das Geld verdient wird. Zumal in vielen Release-Listen kratergroße Lücken klaffen, etwa bei Sony Interactive. Diese Erkenntnis ist auch an der Börse eingesickert: Binnen weniger Tage haben sich 10 Milliarden Euro Börsenwert in Luft aufgelöst. Zuvor hatte Sony die PS5-Verkaufziele einkassiert und angedeutet, dass der stockenden PlayStation-Nachfrage nur mit Rabatt-Aktionen (wie sie derzeit laufen) beizukommen sei.

Dass Microsoft neuerdings mit PS5-Versionen von Xbox-Spielen „mehr Spiele für mehr Menschen auf mehr Geräten“ erreichen will, ist ein weiterer Beleg dafür, dass das eigene Konsolen-Geschäft an Grenzen stößt. Egal ob Cloud-Gaming, Rückwärts-Kompatibiltät, Crossplay, pipapo – all diese Ansätze zahlen auf bereits vorhandenes Publikum ein. Wenn Microsoft für das nächste Konsolen-Update einen bahnbrechenden Sprung verspricht (mein Tipp: irgendwas mit KI), dann versetzt diese frohe Botschaft zunächst mal den harten Kern in Ekstase, analog zur kolportierten PlayStation 5 Pro.

Wenn der Kuchen größer werden soll, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten, wie Xbox-Boss Spencer zurecht ausführte:

  • Entweder dadurch, dass zusätzliche Kunden fürs Gaming erschlossen werden – durch überzeugende, innovative, mutige Produkte. Die Bilder von Wii-bowlenden Seniorenresidenzen, Singstar-trällernden WGs oder Kinect-fuchtelnden Xbox-Spielern sind ja schon was länger her.
  • Oder aber durch eine intensivere Monetarisierung der vorhandenen Nutzer, sprich: Mehr Umsatz pro Fan – also die Methode Wiesn-Trikot.

Die Computerspiele-Industrie entscheidet sich auffallend oft für Tor 2 – abzulesen an saftigen Preiserhöhungen für Konsolen, Spiele, Abo-Dienste. An 30-€-Standfüßen, um eine PS5 senkrecht aufstellen zu können. An durch Ingame-Items künstlich aufgejazzten ‚Special Editions‘. Und am krampfhaften Festhalten an Lootboxen und anderweitigen Mehr-Euro-pro-User-Auswüchsen.

So wie bei Blizzard Entertainment, wo man in dieser Woche einen Diablo 4-Glitzer-Gaul plus Spielwährung für stabile 64,99 € auf die virtuelle Weide stellte – für ein Vollpreis-Spiel wohlgemerkt, das demnächst ‚kostenlos‘ im Xbox Game Pass erscheint. Der Klepper kann spielerisch nix, bedient also rein dekorative Kann’s-mir-leisten-und-zeig-das-auch-Instinkte.

Am Ende entscheiden natürlich die Kunden, inwieweit sie diesen Pfad der Profitmaximierung mitgehen – und ab welchem Punkt eben nicht mehr. Wie vor zehn Jahren, als Blizzard das umstrittene Diablo 3-Auktionshaus beerdigte. Klare Botschaft aus der Fankurve: „Verkauft uns nicht für dumm“.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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3 Kommentare

  1. dem Markt für Videospiele geht es nicht schlecht. Vor allem wenn man bedenkt dass Microsoft den Game Pass mit Milliarden subventioniert (viele Spieler dadurch sehr günstig spielen), die fetten Corona-Jahre vorbei sind und viele Chefetagen von großen Publishern strumzdumme Entscheidungen treffen (Sony, Microsoft, Embracer). Hängt vielleicht auch damit zusammen, dass jetzt schon viele auf AI umgestellt haben und sie so viele Mitarbeiter entlassen konnten (Hauptsache man macht Profit).

    • Würde ich so jetzt nicht sehen. AI ist vielleicht ein Thema aber ich habe jetzt noch von keinem gehört, dass deren Job wegen AI wegsubventioniert wurde. Das Problem ist viel eher ein Cocktail aus unfähiger Geschäftsführung, fehlender Investitionsbereitschaft und Projekten die keine Spieler mehr hinter den Öfen hervorlocken.

      Ubisoft liefert ja – mal wieder – ein ziemlich gutes Beispiel für diesen Umstand. 200 Mio. in Skull & Bones versenkt weil man ohne klare Vision auf biegen und brechen etwas verkaufen wollte, was selbst die Investoren hat zweifeln lassen. Am Ende hat man ein unterdurchschnittliches Spiel wo die Leidtragenden wohl die Entwickler sind, welche jetzt reihenweise ihre Hüte nehmen dürfen.

      Was wir aktuell brauchen ist technologische Innovation um Zeit und Kosten durch ausgeklügelte Werkzeuge zu reduzieren und natürlich wieder den Mut zu Spielen, die nicht von der Marktforschungsabteilung zu einem unförmigen Klumpen Scheiße optimiert wurden

    • Der Videospiele-Markt ist natürlich weiterhin ein lukrativer Markt – aber er stagniert. Der Game Pass hat im Gesamt-Kontext nur einen sehr kleinen Anteil. Deutlich relevanter (Umsatz, Spielerzahlen) ist natürlich der Mobile-/Online-/Free2Play-Sektor, aber auch dieses Kuchenstück wurde zuletzt nicht größer. Auf der Kostenseite ist sicher noch *erheblicher* Spielraum, doch dies beantwortet nicht die Frage, wo die Umsätze entstehen.

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