Start Meinung Activision-Übernahme: Wird Microsoft unschlagbar? (Fröhlich am Freitag)

Activision-Übernahme: Wird Microsoft unschlagbar? (Fröhlich am Freitag)

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Anders als Sony setzt Microsoft nicht alles auf die Konsolen-Karte, sondern auf möglichst viele Zugangspunkte in die Xbox-Welt (Abbildung: Microsoft)
Anders als Sony setzt Microsoft nicht alles auf die Konsolen-Karte, sondern auf möglichst viele Zugangspunkte in die Xbox-Welt (Abbildung: Microsoft)

Im Streit um die geplante Activision-Blizzard-Übernahme durch Microsoft wird der Ton rauer – auch gegenüber Sony und den Kartellbehörden.

Verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
verehrter GamesWirtschaft-Leser,

noch im Januar konnte man den Eindruck haben, als wäre das Projekt „a gmaade Wies’n“ – wie die Eingeborenen rund um das deutsche Microsoft-Hauptquartier in München-Schwabing sagen würden.

Übersetzt: gemähtes landwirtschaftliches Grünland. Alles paletti. Bestenfalls Formsache.

Doch der geplante Kauf des weltgrößten Spieleherstellers Activision Blizzard entwickelt sich mit fortschreitender Dauer zu einem echten Wirtschafts-Krimi – bei dem nicht klar scheint: Wer ist hier eigentlich Opfer und wer der (Übel-)Täter? Die Käufer-Seite, also Microsoft, die argumentative Nebelkerzen wirft und beschwichtigt? Oder Marktführer Sony PlayStation, dem mit etwas Pech Felle (sprich: Marktanteile) davon schwimmen?

Die Branche und deren Kunden blicken daher mit einiger Anspannung auf die seitenlangen Verlautbarungen (PDF) der britischen Wettbewerbshüter von der CMA, die sich seit Monaten über das 70-Milliarden-Paket beugen – analog zu ihren Kollegen in den USA und bei der EU. Seit dieser Woche ist das Publikum nun aufgefordert, sachdienliche Bedenken, Gedanken und ‚Beweise‘ per Mail einzureichen.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
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Gründlichkeit tut not, schließlich handelt es sich um eine der größten Transaktionen, die es je gegeben hat, branchenübergreifend. Die 70 Milliarden sind roundabout zehn Mal so viel, wie Disney für Marvel und Star Wars gezahlt hat. Also richtig Geld.

Bereits zum Jahreswechsel soll es nun eine vorläufige Entscheidung geben. Geht das Paket durch? Wird der Zukauf verboten? Oder gibt es Auflagen – etwa dergestalt, dass Microsoft das eine oder andere Studio und/oder einzelne Marken abgeben muss?

Sollte die Übernahme mehr oder minder unfallfrei zustande kommen, ergäben sich in der Videospiele-Industrie komplett neue Machtblöcke – und die daraus resultierenden Folgen wollen wohl durchdacht und klug antizipiert sein. Es geht der CMA also gar nicht mal so sehr um die Ist-Situation des Jahres 2022 – sondern um What-could-possibly-go-wrong-Szenarien.

Soweit dies in einer solch dynamischen Branche überhaupt möglich ist.

Es ist zum Beispiel erst einen gefühlten Wimpernschlag her, da haben Sie und ich noch SMS in Siemens-, Motorola- oder Nokia-Tasten-Handys gehackt. Erst im Januar 2007 reckte ein gewisser Steve Jobs das erste Apple-Mobiltelefon in die Luft: „And we’re calling it … iPhone!“. Binnen weniger Jahre haben sich Android- und iOS-Geräte zur kommerziell bedeutendsten Spiele-Plattform entwickelt.

Fast zeitgleich mit dem Ur-iPhone gingen die Nintendo Wii und Sonys PlayStation 3 an den Start – und während die Appstores unseren Alltag tatsächlich bis in die letzten Verästelungen revolutioniert haben, funktioniert das Konsolen-Business in den Grundzügen immer noch wie in den 90ern. Der Kunde erwirbt eine Spielkonsole inklusive Laufwerk, an dem der Hersteller initial nichts verdient oder gar draufzahlt. Erst durch Zubehör, Services und separat verkaufte 60-, 70-, 80-€-Games wird daraus „a gmaade Wies’n“.

Microsoft hat mehrere Anläufe unternommen, dieses Modell rentabel zu adaptieren – und sich 20 Jahre lang blutige Nasen abgeholt. Die Hardware hat nie substanziell Profit abgeworfen. Erst seit dem netflixigen Flatrate-Tarif Xbox Game Pass fühlt sich die Microsoft-Strategie tatsächlich nach einer Strategie an – passgenau, sozusagen.

Meine ursprüngliche Analyse hatte ich daher Anfang des Jahres mit „Endlich Weltklasse“ überschrieben. Denn der US-Konzern hat nun prinzipiell alles, was es braucht, um in den kommenden Jahren den Spiele-Markt auf links zu drehen: die finanziellen Mittel ohnehin, aber auch die Eintrittspunkte (Windows-PCs, Konsole, Mobile, Browser), das ‚Commitment‘ auf höchster Ebene, eine 250-€-Budget-Kiste, ein flutschendes Abomodell und mit Azure eine der marktführenden Cloud-Infrastruktur-Plattformen.

Fehlt eigentlich nur noch eigener Content. Viel Content. Den kann man mühsam aufbauen – oder mit dem nötigen Kleingeld eben küchenfertig zukaufen. Und genau diese Abkürzung hat Microsoft gewählt – erst via Minecraft (2,5 Mrd.) und Bethesda (7 Mrd.) und jetzt eben, vielleicht, via Activision Blizzard (70 Mrd.). Das ist auch nichts Ehrenrühriges. Machen alle.

In Kombination – und das sieht offenkundig auch die CMA so – könnten sich allerdings unüberwindbare Barrieren für andere Anbieter ergeben. Wie knackig das Games-Geschäft selbst für wirtschaftlich hochpotente Marktteilnehmer ist, zeigte ja jüngst das krachende Scheitern von Google Stadia.

Die CMA sorgt sich nach eigener Darstellung darum, dass es weniger Wettbewerb im Vereinigten Königreich gibt, was zu höheren Preisen, geringerer Auswahl und schlechterer Qualität führen könnte – natürlich nicht für Xbox-Kunden, sondern für PlayStation-Besitzer.

Tatsächlich hätte Microsoft eine ganze Reihe von Hebeln, um die Konkurrenz aus dem Spiel zu nehmen – etwa durch eine vollständige oder zeitlich begrenzte Exklusivität von Activision-Blizzard-Neuheiten. Oder aber Microsoft packt Call of Duty einfach ‚für lau‘ in den Xbox Game Pass, während im PlayStation Store 80 € fällig werden. PlayStation-5-Spieler könnten Upgrades und Inhalte gar nicht, zu einem späteren Zeitpunkt oder in abgespeckter Form erhalten.

Das ist keine wilde Theorie, sondern gelebte Praxis. Sony ist diesbezüglich auch kein Kind von Traurigkeit und lässt seit Jahren nichts unversucht, um so viele Inhalte wie irgend möglich von Mitbewerbern fernzuhalten – und sei es nur vorübergehend.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, wie sehr sich die Betriebstemperatur in den bilateralen Beziehungen zwischen Sony und Microsoft binnen weniger Monate abgekühlt hat. Beide Konkurrenten gingen öffentlich immer recht pfleglich miteinander um (pfleglicher zumindest als die jeweiligen Ultra-Fangruppierungen), schmiedeten gar Cloud-Allianzen.

Jetzt malen die Japaner das Bild eines rüpeligen Monopolisten, während Microsoft die Unschuld vom Lande mimt. Alles sei doch zum Besten von Kunden, Entwicklern und dem gesamten Ökosystem.

Wer genau soll dem Xbox-Konzern soviel Selbstlosigkeit abkaufen? Analog zu Google, Amazon & Co. hat auch Microsoft eine unschöne Historie mit Blick auf wettbewerbswidrige Praktiken – die vollstreckten Bußgelder gehen in die Milliarden.

Überhaupt sollte man den Nibelungenschwüren des Microsoft-Managements nicht allzu weit über den Weg trauen. Pläne können sich ändern – und Zuständigkeiten auch. Wer vermag schon zu sagen, ob der Nachfolger vom netten Herrn Spencer eines schönen Tages den gleichen Alles-für-den-Gamer-Altruismus an den Tag legt wie der amtierende Xbox-Chef?

Nach Studium aller verfügbaren Unterlagen: Ich teile die CMA-Sichtweise, dass die Auswirkungen auf die Games-Industrie und explizit auf Sony (weniger bis gar nicht auf Nintendo) à la longue deutlich größer und tiefgreifender sind, als sie Microsoft mit Verweis auf den Status Quo wegzuargumentieren versucht.

Umgekehrt bin ich mir auch sehr sicher, dass die von Sony proklamierten Weltuntergangsszenarien weit überzogen sind. Ja, Call of Duty, Diablo und Overwatch mögen von erheblicher Relevanz sein – aber es existieren eben noch tonnenweise anderer Blockbuster-Marken von ‚unabhängigen‘ Studios und Publishern, die sich zudem zur Übernahme eignen.

Viel größere Sorgen würde ich mir anstelle von Sony nicht um Call of Duty machen, sondern um die Seetüchtigkeit des eigenen, seit fast 30 Jahren nahezu unveränderten, wenngleich weiterhin absurd erfolgreichen Geschäftsmodells. Es gibt keine Indizien, dass in absehbarer Zeit substanziell neue Akzente gesetzt würden – das zeigte zuletzt auch der halbherzige Umbau des Abo-Dienstes PlayStation Plus.

Und genau dieses Setup erklärt aus meiner Sicht die zunehmende Schärfe in der Rhetorik seitens Microsoft und Sony. Getreu der alten Bolzplatz-Regel: Wenn wir schon nicht gewinnen, dann treten wir ihnen zumindest die Wiese kaputt.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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10 Kommentare

  1. Call of Duty hat immer noch viele Verkaufszahlen und die Mobile-Sparte von King ist extrem erfolgreich,die machen übrigens Candy Crush und anderes Zeug(the Pod hat berichtet).
    Microsoft möchte, mit allen Mitteln,den Call of Duty und Mobile Games-Suchtgulag bei sich aufstellen,damit wir alle wie im Spinnennetz kleben bleiben,eingesponnen und ausgesaugt werden.
    Nicht auszudenken was passieren könnte,wenn MS Windows auf Links dreht,was sie versucht haben und da bin ich echt froh,das sie Kartellbehörden existieren,die MS einen Strich durch die Rechnung machen und anscheinend Ahnung haben, wovon sie reden.

  2. Ich finde die Spiele von ActivisionBlizzard viel interessanter als die von naughty dog oder from Software. Und die meisten anderen Menschen eben auch, wie man an dem Wert der Unternehmen unschwer erkennen kann. 🙂

    • Wie immer Geschmackssache. Ich mag durchaus einige der Blizzard Titel, während ich andere absolut links liegen lasse. Genau so ist es auch bei anderen Studios. Das Sony bislang auf unverschämte Monetarisierungsmodele ala Diablo Immortal verzichtet hat, hat natürlich auch einen Einfluss auf die Kapitalmacht. Microsoft ist da völlig anders, alleine was man alles bei der Bedrock Edition von Minecraft dazu kaufen kann (muss?) ist schon absurd und wer sagt uns Kunden denn, dass das nicht zukünftig auch bei allen anderen Blizzard Titeln der Fall sein wird?

  3. Die Übernahme von Activision Blizzard wird teilweise viel zu hoch bewertet. Eigentlich ist die Marke völlig irrelevant, denn es sind mehr oder weniger absolut uninspirierte Titel, im Gegensatz zu Sonys Eigenproduktionen. Das Sony darauf setzt und auf den Ausbau der Studios, mit viel Feingefühl für organisches Wachstum ist der eigene Weg. Der von Microsoft liegt in völlig anderer Richtung, nämlich in Akqiurierung großer Titel, die sich schon abgenutzt haben, aber einen bekannten Namen besitzen. Kein Geist dahinter, ebenso wie bei dem Konzern Microsoft. Bisher hat die X-Box keinen Charakter besessen und das wird sich auch nicht ändern. Sony hingegen wird auch weiterhin Wert auf die eigenen Ideale legen, genau wie Nintendo und daher auch in Zukunft triumphieren.

    • Sony und wert auf die eigenen ideale ? selten so gelacht. Sony produziert fast nix selbst und kauft genau so viele studios oder Anteile an.

    • Es ist weitgehend unerheblich ob die Marken bei Sony „origineller“ sind. Das was Activision Blizzard (und vergleichbar auch EA und Konsorten) raushaut, verdient zuverlässig Geld und hat Marktbedeutung.

      Es wird viel zu viel aus der „Core-Gamer-Bubble“ beurteilt, die spielt aber gar keine so große Rolle, das große Geld wird anderweitig verdient, gerade das weiß auch Microsoft.

      Im Prinzip wollen beide wohl das, was der andere hat.. Microsoft hätte gerne jetzt endlich mal ein paar „Leuchtturm“-Projekte die die Core – Gamer zufriedenstellen, auch wenn sie nicht das große Geld reinbringen, und Sony will wohl dringend die langfristig monetarisierenden Bereiche auf Vordermann bringen. Die wissen ja auch, was ihnen entgeht.. und jede Wette, wenn das erstmal konkret wird, werden die Core-Gamer auch verächtlich schnauben was Sony da nun „plötzlich“ für Sachen macht.

  4. Warum möchte Microsoft knapp 69.000.000.000 US-Dollar für Activision Blizzard bezahlen?

    Weil Microsoft glaubt, dadurch erheblich mehr als 69.000.000.000 US-Dollar an Gewinn erwirtschaften zu können.

    Von mir. Von Dir. Von allen.

    • Von mir und vielen anderen nicht. Warum auch? Sind alles Titel, die völlig uninteressant sind. From Software und Konami machen interessante Spiele, Naughty Dog und Guerilla Games, aber sich nicht Activision Blizzard…

      • Und du entscheidest, welche Titel interessant sind und welche nicht? Die CoD Verkaufszahlen wischen mit all deinen genannten Studios und deren Spielen den Boden auf.

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