Start Meinung Der Matthäus-Effekt (Fröhlich am Freitag)

Der Matthäus-Effekt (Fröhlich am Freitag)

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Smarties ist eine von Hunderten Marken innerhalb des Nestlé-Konzerns (Foto: Nestlé Deutschland)
Smarties ist eine von Hunderten Marken innerhalb des Nestlé-Konzerns (Foto: Nestlé Deutschland)

Wenn die Großen immer größer werden: Die Konsolidierung in der Games-Branche hat in dieser Woche noch einmal deutlich an Fahrt aufgenommen.

Verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
verehrter GamesWirtschaft-Leser,

wer den Lebensmittelriesen Nestlé boykottieren möchte (aus welchen Gründen auch immer), der hat sich ganz schön was vorgenommen. Denn der Schweizer Konzern steckt nicht nur hinter offensichtlichen Marken wie Nescafé, Nespresso oder Nesquik, sondern kontrolliert auch Dutzende weiterer Baureihen – vom San Pellegrino-Wässerchen über Felix Katzenfutter bis hin zu Buitoni-Nudeln, Wagner-Pizza und Garden Gourmet-Falafelbällchen.

Analoges gilt für Unilever (Axe, Knorr, Magnum, Bifi), Danone (Evian, Actimel, Fruchtzwerge) oder Mars (Chappi, M&Ms, Wrigley). „The Illusion of Choice in Consumer Brands“ lautete die Überschrift einer beeindruckenden Infografik, die schon vor einigen Jahren aufzeigte: Einige wenige Konzerne produzieren und verkaufen den Großteil dessen, was täglich in durchschnittlichen Einkaufswägen landet. Inzwischen sind die Marken-Sammlungen eher noch angewachsen. Endgültig unübersichtlich wird die Lage dadurch, dass in den Fabriken auch Handelsmarken für Lidl, Aldi, Edeka & Co. vom Band laufen.

Die Food-Giganten kaufen munter weiter zu und werden dadurch noch systemrelevanter – für Landwirte, für Lieferanten, für den Handel, für den Verbraucher.

Aktuelle und künftige Erfolge resultieren aus früheren Erfolgen. Sie kennen den Spruch mit dem Teufel und dessen Verdauung. Oder wie es im Matthäus-Evangelium heißt: „Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat.“

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Diese Mechanismen zeigen sich in nahezu allen Branchen. In dieser Woche waren im Videospiel-Gewerbe gleich mehrere beeindruckende Beispiele für diesen Matthäus-Effekt zu besichtigen:

So zahlt Take-Two Interactive die Rekordsumme von 12 Milliarden Dollar für den Mobilegames-Entwickler Zynga – kurz gesagt: Grand Theft Auto kauft Farmville. Der US-Publisher folgt damit dem Beispiel von Mitbewerber Activision Blizzard, dem der Zukauf von King (Candy Crush Saga) nicht geschadet hat. Zur Einordnung: Der Zynga-Preis liegt beim Dreifachen dessen, was Disney vor zehn Jahren für das Lucas-Imperium inklusive Star Wars auf den Tisch gelegt hat.

Beispiel 2: Eine GamesWirtschaft-exklusive Auswertung der Bundes-Games-Förderung zeigt, dass gerade einmal 20 Studios zwei Drittel des gesamten Fördertopfes beanspruchen – nämlich mindestens 35 der jährlich 50 Millionen Euro. Was insofern nicht verwundert, weil man als Antragsteller ja schon Geld mitbringen muss. Wer bislang 1 Million in ein Spiel investiert hat, kann dank staatlicher Subvention bei gleichem Kapitaleinsatz ein 2-Millionen-Euro-Spiel bauen – also doppelt so viele Ressourcen, doppelt so viel Personal und ein hoffentlich doppelt so gutes (Betriebs-)Ergebnis.

Doch das klappt eben nur, wenn man initial jene 1 Million Euro nachweist. Junge Studios, die das nicht können, sind weiterhin auf die Darlehen der Bundesländer oder EU-Programme angewiesen. Und so landet der Löwenanteil von Habecks Förder-Millionen in den kommenden Jahren mit zunehmend größerer Wahrscheinlichkeit bei Projekten, hinter denen finanzstarke nationale und internationale Publisher und Investoren stehen.

Diese Unwucht im Markt beschleunigt sich tendenziell immer mehr – die Akquisitions-Meldungen reißen nicht ab: Gestern wurde Astragon Entertainment – einer der letzten großen, unabhängigen, deutschen Publisher – vom britischen Spielehersteller Team17 geschluckt. Ticket: 100 Millionen Euro.

All das ist per se auch nicht weiter ’schlimm‘, sondern zwangsläufig. Nur: A la longue führt die anhaltende Konsolidierung zugunsten von Tencent (Riot Games, Supercell), Embracer (THQ Nordic, Koch Media) & Co. eben dazu, dass die Videospiele-Industrie auf die Dominanz einiger weniger Big Player zuläuft.

Kurzum: Es regnet dort hin, wo es bereits nass ist. Vier der zehn meistgekauften PS5-Games im PlayStation Store 2021 stammen von Electronic Arts. Der ‚Rest‘: Ubisoft, Activision Blizzard, Take-Two. Keine weiteren Fragen, euer Ehren.

Wenn nun Nie-wieder-Ubisoft/Blizzard/EA/Activision…-Volten durchs Netz rollen, dann dürften die Verantwortlichen kaum schlechter in den Schlaf finden. Denn auch das ist keine neue Erkenntnis: Social-Media-Shitstorms sind stets ein Kontra-Indikator für das tatsächliche Verbraucherverhalten. Nestlé rechnet fürs Gesamtjahr 2021 mit einem satten Umsatz-Plus – und Electronic Arts meldete zuletzt das beste zweite Finanzquartal in der 40jährigen Unternehmensgeschichte.

Weiterhin guten Appetit und ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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1 Kommentar

  1. Mal wieder erfrischend geschrieben, danke! Lustiger Weise bezog ich die Überschrift auf unseren lieben Loddar Mtthäus und hatte vor dem Lesen überlegt, wie Sie wohl die Kurve von geistiger Brillanz auf den Videospielemarkt bekommen …

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