Start Meinung Und nun zur Werbung (Fröhlich am Freitag)

Und nun zur Werbung (Fröhlich am Freitag)

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Sprungbrett für die Karriere bei Red Bull: Extremsport-Spiel Rider's Republic (Abbildung: Ubisoft)

Dedizierte Werbespiele werden kaum noch produziert: Die Industrie sucht andere Wege, um Gamer auf Smartphone, Konsole und PC zuverlässig zu erreichen.

Verehrte GamesWirtschaft-Leser,

Captain Zins hat eine Mission: Tapfer kämpft er gegen Kredithaie und Wucherzinsen. 1994 veröffentlichte die Dresdner Bank (heute: Commerzbank) das charmante PC-Abenteuer, das kostenlos auf Diskette an Kunden abgegeben und sogar in hochseriösen Videospiele-Fachblättern freundlich besprochen wurde.

Bundesministerien, Philip Morris, Nestlé, Volkswagen, Knorr, die LBS, die AOK, die Telekom, die Sparkassen – sie alle standen auf der Kundenliste deutscher Studios und Agenturen, die maßgeschneiderte Games bauten. Bekanntester Vertreter: das im Ruhrgebiet entstandene Moorhuhn, das 1999 subtil für die Whisky-Marke Johnnie Walker warb.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Ihre Hoch-Zeit erlebten Captain Zins & Co. in der zweiten Hälfte der 90er. Seitdem gibt es diese Kunstform in ihrer ursprünglichen Form nur noch selten. Wenn ein Unternehmen tatsächlich mal Geld in die Hand nimmt, um ein Werbespiel produzieren zu lassen, dann geschieht das mittlerweile unter dem Mäntelchen des „Serious Game“ – das klingt nicht ganz so schlimm kommerziell, leistet aber das Gleiche. Die kostenlose Feuerwehr-App Kleine Löschmeister wurde zum Beispiel von der Versicherungskammer Bayern finanziert, war für den Deutschen Computerspielpreis nominiert und hat im vergangenen Jahr den Kindersoftwarepreis Tommi gewonnen.

Doch das ist die Ausnahme: Die Games-affine Kundschaft wird mittlerweile auf anderen Wegen erreicht.

Wer schnell Ergebnisse sehen will, ohne allzu viel Kreativität verplempern zu müssen, tut es der Bundesliga gleich und lässt sein Logo auf den Ärmel einer E-Sport-Organisation sticken oder tritt als Sponsor auf. Doch wer als Markenhersteller glaubhaft in Games stattfinden will, hat inzwischen weit elegantere Optionen.

Gerade im Bereich der Simulations-Spiele fügen sich Originalfahrzeuge geschmeidig ins Spiel. So lassen sich im unfassbar populären Landwirtschafts Simulator fast 500 Marken-Traktoren und -Landmaschinen freischalten, modelliert bis ins kleinste Detail. Schon die Jüngsten werden auf diese Weise mit den Segnungen des Ziegler Maispflückers Corn Champion 5R sozialisiert – just so, wie meine Generation die Eckdaten marktführender VW-Baureihen und Bundeswehr-Panzer auswendig durchdeklinieren konnte. Heute würden Auto-Quartett-Spiele mutmaßlich als Serious Game durchgehen.

Ebenso prädestiniert für authentische Marken-Auftritte sind Sport- und Rennspiele, wo sich Adidas All-Stars (FIFA) und freischaltbare Nike-Treter (NBA 2K21) in ihrer natürlichen Umgebung beobachten lassen. Im kommenden Ubisoft-Extremsport-Spektakel Rider’s Republic sind Ausrüstung und Klamotten von Specialized, Salomon, Canyon, Marin, Burton und Rossignol serienmäßig verbaut, neben vielen anderen. Wer die Karriereleiter hochklettert, kann Sponsorenverträge mit Red Bull & Co. abschließen – so viel Holzhammer lässt selbst Captain Zins verblassen.

Nicht immer klappt die Verheiratung von Spielideen mit großen Marken. Just heute Morgen hat der japanische Videospielriese Square Enix (Final Fantasy, Tomb Raider) ein Hochdruckreiniger-Spiel angekündigt: „Powerwash Simulator spült die Sorgen mit den sanften Tönen von Hochdruckwasser regelrecht davon“, wirbt die Pressemitteilung. Ursprünglich habe man allerdings geplant, das Entschleunigungs-Spiel durch lizenzierten Inhalt „einem breiten Publikum zugänglich zu machen“, wie der Kreativdirektor einräumt.

Jetzt muss der Spiele-Markt eben dank der Vertriebs-Power von Square Enix durchgekärchert werden.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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