Tencent investiert via Yager erstmals im größeren Umfang am Games-Standort Deutschland – selten zuvor war so viel Investoren-Spielgeld im Umlauf.
Verehrte GamesWirtschaft-Leser,
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Timo Ullmann macht einen aufgeräumten Eindruck. Einige Wochen vor unserem Gespräch haben seine Mitgesellschafter und er die Mehrheit der Yager-Anteile an Tencent Holdings Ltd. verkauft, den weltgrößten Spielehersteller – mehr als 20 Jahre nach Gründung des Berliner Studios. Welcher Betrag auf dem Preisschild steht, darf er nicht verraten. Doch klar ist: Es ist das erste Mal, dass die Chinesen in diesem Umfang in Deutschland investieren.
Ab sofort gehört Yager zum Portfolio von Tencent – neben Riot Games (League of Legends, Valorant), Supercell (Clash Royale, Brawl Stars), Funcom, Digital Extremes und einer langen Liste an Beteiligungen, von Activision Blizzard bis Epic Games. Für Yager-Gründer und -Belegschaft, aber auch für den Standort muss man das als Kompliment werten.
Mit diesem Coup setzt sich die Konsolidierung in der Branche fort – und es wird nicht die letzte Übernahme in diesem Jahr gewesen sein, soviel ist sicher. So gibt es mindestens ein Dutzend deutscher Studios, die aufgrund ihrer Größe und ihres Portfolios perfekt in das Beuteschema der schwedischen Embracer Group und deren Label THQ Nordic passen.
Nun kann man es kritisch sehen, wenn zwar das Herz der deutschen Spiele-Entwicklung weiterhin in Düsseldorf, Frankfurt, Berlin oder Essen schlägt – die Versorgung mit Sauerstoff (sprich: Kapital) aber zunehmend aus Stockholm, Paris oder eben Shenzhen erfolgt. Allein in Hamburg sind fast 1.000 Angestellte bei Studios mit schwedischem Mutterkonzern unter Vertrag.
Andererseits: Mit börsennotierten Games-Konzernen im Rücken wachsen automatisch die Investitionen in die deutsche Games-Branche, von der nachgelagert das gesamte Ökosystem profitiert – Agenturen, Dienstleister, Standort-Initiativen, aber auch Startups, Auszubildende, Berufseinsteiger, Forschung und Lehre.
Es ist unübersehbar, dass infolge der Zukäufe und Beteiligungen viel mehr Spiel-Geld im Umlauf ist – für die Entwicklung, fürs Marketing, fürs Personal. In Karriere-Rubriken scrollt man teils seitenweise durch Ausschreibungen. Die staatlichen Subventionen in jährlich stramm zweistelliger Millionen-Höhe kommen als Kirsche auf der Sahne noch oben drauf. Die Flut hebt alle Boote.
Das ist eine gute Nachricht. Denn viele in der Branche erinnern sich noch mit leichtem Frösteln an Zeiten, als gefühlt jedes zweite Studio im Pott vor dem Kollaps stand, weil am Ende des Geldes noch so viel Monat übrig war. Selbst Blue Byte befand sich vor der Übernahme durch den französischen Publisher Ubisoft vor 20 Jahren nicht mehr im allerfrischesten Zustand. Heute dürfen die Filialen in Düsseldorf und Berlin an Avatar und Far Cry 6 mitarbeiten, während die Ubisoft-Mainz-Marke Anno die kommerziell angenehmste Phase ihrer 23jährigen Historie erlebt.
Die Budgets von Games made in Germany werden also größer, die Erwartungen an Qualität, Spielerzahlen, Ab- und Umsatz auch. Enttäuschungen und Flops werden sich nicht verhindern lassen. Aber ich kann mich an wenige Phasen erinnern, in denen die deutsche Spiele-Entwicklung einen so stabilen, um nicht zu sagen: aufgeräumten Eindruck machte.
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
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