Start Meinung Fröhlich am Freitag 19/2019: Förder-Roulette

Fröhlich am Freitag 19/2019: Förder-Roulette

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Wette auf die Zukunft des Standorts: 50 Millionen Euro an Fördergeldern stehen ab 2019 auf dem Spiel (Abbildung: Whow Games)
Wette auf die Zukunft des Standorts: 50 Millionen Euro an Fördergeldern stehen ab 2019 auf dem Spiel (Abbildung: Whow Games)

Die Games-Förderung in Deutschland macht unendlich viele kleine und mittelgroße Projekte möglich – was fehlt, sind große Spiele mit großen Budgets.

Fröhlich am Freitag 19/2019: Die wöchentliche Kolumne aus der Chefredaktion

Verehrte GamesWirtschaft-Leser,

2022, 2024, 2026 – das sind die Start-Termine für drei weitere „Stars Wars“-Kinofilme. Also zusätzlich zu Episode 9, die kurz vor Weihnachten anläuft. Außerdem vier (!) „Avatar“-Fortsetzungen im Zwei-Jahres-Rhythmus, dazu Pixar-Animationsfilme, Superhelden-Auskopplungen und ein fünfter „Indiana Jones“.

Zwei A4-Seiten umfasst die vorläufige Termin-Liste der Walt Disney Corporation, die in dieser Woche bekannt wurde.

Die Botschaft an Belegschaft und Aktionäre ist klar: Kino-Blockbuster mit amtlichen Budgets bleiben ein einträgliches und halbwegs kalkulierbares Geschäft. Wer geglaubt hatte, dass das Kino im Lichte von Netflix, HBO und Prime Video und nach einer dürren Saison 2018 dem mittelfristigen Untergang geweiht ist, sieht sich durch die Fabel-Einspielergebnisse von „Avenger’s: Endgame“ (ebenfalls Disney) eines Besseren belehrt.

Ungleich unberechenbarer sind Investments im Games-Business – zumal Prognosen ja bekanntlich immer dann besonders knifflig sind, sobald sie die Zukunft betreffen.

Tatsächlich werden schon heute zwei- bis dreistellige Millionen-Beträge und Kapazitäten für Spiele eingetütet, deren Fertigstellung für 2022 oder 2024 ansteht. Vier, fünf Jahre von der ersten Skizze bis zum Verkaufsstart sind gerade für hochbudgetierte AAA-Titel der Normalfall – wie unter anderem die zweistündige Dokumentation „Raising Kratos“ zeigt, die die Entstehung des PlayStation-4-Blockbusters „God of War“ nachzeichnet.

Welche Plattformen, welche Genres, welche Geschäftsmodelle werden bis dahin gefragt sein? Das ist noch nicht mal für die kommenden 24 Monate seriös zu prognostizieren. Battle-Royale-Games und -Modi mögen mittlerweile ein Milliarden-Markt sein – dabei ist zum Beispiel „Fortnite“ noch keine zwei Jahre alt.

Diese Gemengelage macht auch die staatliche Games-Förderung seit jeher zu einer Art Wette auf die Zukunft. Sieht man auf die Daten des Jahres 2018, müsste man als Entwickler eigentlich alles stehen und liegen lassen und in der Disziplin „Free2play-(Mobile-)Games“ all-in gehen. Denn das ist das einzige Segment, das nachweisbar und stetig wächst – global und in Deutschland.

Die Realität bei den deutschen Förder-Anstalten ist eine andere: Finanzierungen für Free2play-Projekte bleiben eine Ausnahme. Bewilligt werden stattdessen Zuschüsse für PC-Adventures, nischige Virtual-Reality-Projekte, Konsolen-Jump & Runs, Premium-Mobilegames. Also bestenfalls stagnierende Märkte, in denen nur die Fittesten (und Besten) überleben.

Mangels Alternativen verteilen die Gremien ihre Subventions-Jetons relativ gleichmäßig auf möglichst viele Roulette-Felder – das Gießkannen-Prinzip führt dann zwangsläufig zu gelegentlichen „Treffern“, für die man sich in Jahresberichten feiert. Von den verzockten Einsätzen erfährt man: nichts.

Games-Förderung in Deutschland: Zwei NRW-Studios platzieren sich in den Top 10 der Games-Projekte mit den höchsten Fördersummen (Stand: 7. Mai 2019)
Games-Förderung in Deutschland: Zwei NRW-Studios platzieren sich in den Top 10 der Games-Projekte mit den höchsten Fördersummen (Stand: 7. Mai 2019)

Spiele-Förderung hat also irrsinnig viel mit Glück zu tun – und selten mit System.

An dieser „Strategie“ wird auch die angelaufene 50-Millionen-Bundesförderung wenig ändern, zumal hier ein Automatismus vorgesehen ist. Wer die Voraussetzungen erfüllt, bekommt Geld. Ob das Spiel jemals ein (zahlendes) Publikum findet – zweitrangig.

Nur: Wenn man es mit den angestrebten „Leuchtturm-Projekten“ ernst meint und in der Weltspitze mitspielen will, dann bräuchte es Einsätze ganz anderer Größenordnungen und darüber hinaus die Entschlossenheit mehrerer kapitalstarker Spieler, mit großen Budgets gezielt auf einzelnen Feldern zu hantieren – eben Disney-style. Bislang ist Ubisoft der Einzige unter den Games-Weltmarktführern, der Spiele mit nennenswerten Summen aus Deutschland heraus entwickeln lässt, überwiegend aus historischen Gründen.

Im besten Fall setzen demnächst deutlich mehr solcher Player auf „Made in Germany“ – indem sie langfristige, mutige Wetten auf den Standort eingehen und Studios eröffnen, die es heute noch gar nicht gibt.

Im schlechtesten Fall regiert weiterhin ein Kessel Buntes aus Prinzip Hoffnung und Prinzip Gießkanne – mit dem Unterschied, dass die Jeton-Stapel künftig deutlich höher ausfallen.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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