Kampf-Arena, Schmiede, Marktstände: Wie Setdesign-Profi Britta Crecelius den Kingdom Come Deliverance 2-Stand auf der Gamescom 2024 umgesetzt hat.
Der Stand am Eingang von Halle 9 zählte zu den Hinguckern und Highlights der diesjährigen Gamescom in Köln: Eine lebendige und extrem detailreiche Mittelalter-Welt warb für das Action-Rollenspiel Kingdom Come Deliverance 2, das derzeit bei Warhorse Studios in Tschechien entsteht und im Februar 2025 für PC und Konsole erscheint.
Damit so ein aufwändiger Auftritt pünktlich zum Messestart fertig wird, müssen viele Räder ineinander greifen. Dabei hilft es, wenn die beteiligten Dienstleister, Experten und Expertinnen bereits Gamescom-Erfahrung mitbringen und wissen, was funktioniert – und was nicht.
Eine von ihnen: Britta Crecelius. Die Expertin für Raumdesign mit eigenem Atelier in Hahnstätten nahe Limburg hat das Konzept des Bochumer Messebauers Planetlan buchstäblich zum Leben erweckt – und die Ideen in enger Abstimmung mit dem Münchener Publisher Plaion umgesetzt.
Knapp vier Wochen nach der Gamescom gewährt Crecelius einen Blick hinter die Kulissen und öffnet das Schatzkästlein an Entwürfen, die es nicht in den fertigen Stand geschafft haben.
Gamescom-Profi Crecelius: So entstand der Messestand zu Kingdom Come Deliverance 2
GamesWirtschaft: Gratulation zum gelungenen Kingdom: Come Deliverance 2-Auftritt in Köln. Es ist nicht dein erster und sicher nicht der letzte Gamescom-Auftrag – was war diesmal anders und besonders?
Britta Crecelius: Ich bin tatsächlich schon seit über 25 Jahren in dem Bereich unterwegs und hatte schon sehr früh erste Berührungen mit der Games-Branche. Das war zu Zeiten, als die damals noch die Games Convention in Leipzig stattfand.
Schon zu dieser Zeit war mein Markenzeichen das detaillierte Ausgestalten der Messestände und der absolute Fokus auf der dekorativen Umsetzung der Games-Welten. Meine damalige Messebaufirma und ich haben 2007 für Age of Empires ein legendäres Fort und Türme als Spielestationen nachgebaut.
Mittlerweile ist die Gamescom in Köln beheimatet und auch hier bin ich seit Beginn an mit Konzeptionen und Entwürfen, aber auch den Umsetzungen vor Ort und der eigentlichen Dekoration der Stände unterwegs. Mich verbindet also seit frühesten Jahren meine Leidenschaft für aufwendige Dekoration und Gestaltung mit der Games-Branche.
Was dieses Jahr so besonders war, hat schon vor einigen Jahren begonnen: die enge Zusammenarbeit mit Michael Berendes, dem Senior Project Manager bei Planetlan. Hierbei gefällt mir besonders, dass sie als General-Dienstleister für Plaion agieren und dabei großen Wert darauf legen, alle beteiligten Dienstleister als ein Team zusammenzuführen, so dass jeder Experte seinen Beitrag leistet und sich als Teil des Ganzen fühlt.
Dieses Jahr kam das gesamte Standkonzept von Michael und seinem Team. Die Idee war, einen mittelalterlichen Marktplatz zu gestalten, der die Besucher in eine lebendige Welt eintauchen lässt. Besonders begeistert hat mich, dass Teil des Konzepts auch war, den Besuchern nach dem Hands-On Münzen zu überreichen, die sie anschließend auf den Marktplatz zurückziehen würden, um dort Merchandise-Artikel einzutauschen.
Michael stellte mir das übergeordnete Konzept vor, das bereits die Besucherführung und die Aufteilung der Bereiche beinhaltete. Der Auftrag an mich, auf dieser Basis ein Dekorationskonzept zu entwickeln, dass diese Ideen lebendig werden lässt. Ziel war es, nicht nur eine optische Kulisse zu schaffen, sondern den 240 Quadratmeter großen Bereich mit Highlights und Details zu füllen, die den Besuchern ein authentisches Erlebnis bieten.
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Besonders begeistert war ich, als ich erfuhr, dass die verschiedenen Bereiche wie die ‚Battle Arena‘, die Schmiede und die Marktstände mit authentischen Darstellern besetzt werden sollten.
Das war erneut eine fantastische Gelegenheit, meine Leidenschaft für aufwendige Dekorationen mit den kreativen Vorgaben zu verbinden und gemeinsam einen Stand zu erschaffen, der die Erwartungen des Kunden sogar noch übertroffen hat.
Nimm uns mal bitte mit in den zeitlichen Ablauf von Urknall bis Messe: Wann geht für dich so ein Projekt los und was ist die entscheidende Phase, damit am Ende der Stand auch wirklich pünktlich fertig wird?
Urknall klingt monumental – ist es für uns Beteiligte gefühlt tatsächlich auch. Die Gamescom ist immer etwas ganz Besonderes und wir fiebern schon jedes Jahr den ersten Briefings für die Stände entgegen: Welches Spiel wird es dieses Jahr? In welche Welt dürfen wir dekorativ eintauchen? Wie groß wird die Standfläche sein ? Welches Budget wird es für Standgestaltung und Dekoration geben?
Dieses Jahr konnte ich die ersten hektischen Vorlaufphasen weitgehend vermeiden, da Michael und sein Team bereits einen Großteil der Vorabstimmungen mit dem Kunden übernommen hatten. Als ich eingebunden wurde, waren viele Aspekte wie die Aufteilung der Bereiche, das Konzept für die Warteschlange und das Budget bereits geklärt. So hatte ich etwa zwei Monate vor Messebeginn alles, um direkt loszulegen, was Zeit sparte und die Feedback-Schleifen reduzierte.
Nachdem ich das Konzept erhalten hatte, begann ich mit der Recherche rund um das Thema Mittelalter und erstellte erste Illustrationen, die wir nur minimal anpassten, bevor sie an Plaion übermittelt wurden. Die Freigaben kamen schnell, und wir konnten zügig mit der Vorproduktion starten.
Schließlich folgte die praktische Umsetzung: Props (Kulissen und Dekoration – Anm. d. Red.) wurden vorbereitet und die Bauzeiten festgelegt, bevor wir in die Hands-on-Phase vor Ort gestartet sind. Insgesamt hatten wir fünf Tage, um den Bereich für Kingdom Come Deliverance 2 auszugestalten und unsere Pläne umzusetzen – intensive und lohnenswerte Tage!
Wenn es dann auf den letzten Aufbautag zugeht, merkt man doch, dass das Gefühl nochmal ein ganz anderes wird – die Anspannung steigt, aber genau das macht uns allen so großen Spaß. Es ist dieser Moment, in dem noch einmal gemeinsam über Details gesprochen und letzte kleine Änderungen vorgenommen werden, bevor der Endkunde zur Standübergabe kommt.
Auch hier zeigt sich, wie gut die Zusammenarbeit im Team funktioniert. Mit Planetlan brainstormen wir oft noch spontan, und es entstehen Last-Minute-Lösungen, die den Stand oft noch ein Stück besser machen. Diese gemeinsame Dynamik und Flexibilität sind das, was die Arbeit so besonders und erfolgreich macht.
Dass ein Gamescom-Stand grandios aussehen und die Stimmung des Spiels einfangen soll, ist naheliegend. Aber wie lauten die konkreten Vorgaben für dich als Designerin? Geht es um Selfie- und Social-Media-Tauglichkeit? Um Verweildauer und Interaktion? Um Erinnerungswert in Nach-Gamescom-Befragungen?
Das grundlegende Ziel des Konzepts war es, die Welt des Spiels so realistisch wie möglich auf die Gamescom zu bringen, damit die Besucher ein authentisches Erlebnis der Welt genießen konnten, die sie aus dem Spiel kennen.
Zu den Vorgaben seitens Planetlan gehörte die detaillierte Ideenentwicklung für die Nachbildung von Objekten, Bauten und Elementen aus der Zeit, um ganz besondere Eyecatcher zu schaffen.
Das Team von Planetlan hatte die Idee, zahlreiche kleine Fotomotive innerhalb einer großen Photo-Op zu integrieren. Anstatt nur eine markante Figur aus dem Spiel als Fotomotiv zu bieten, ermöglichte das Konzept mit authentischen Schauspielern als Ritter nach einem Kampf, dem Schmied bei der Reparatur einer Rüstung, Mägden an den Marktständen und dem Pranger den Besuchern, sich in verschiedenen Szenarien ablichten zu lassen.
Der Stand sollte zum Verweilen einladen, und ich denke, dieses Ziel haben wir definitiv erreicht.
Eine besondere Stärke des Konzepts war auch der hohe Wert für die Social-Media-Kollegen auf Kundenseite. Je mehr interessante Fotos und Erlebnisse mit dem Spiel geteilt und vertagged wurden, desto besser war es für den Kunden. Die Möglichkeit für Besucher, sich an so vielen einzigartigen und authentischen Szenarien zu fotografieren, bescherte uns eine große Anzahl an Social-Media-Beiträgen.
Zusätzlich erhielten die Besucher nach dem Spielen ‚Spielgeld‘, um erneut den Marktplatz besuchen zu können. Diese ‚verdienten‘ Münzen oder Vouchers konnten sie dann an den mittelalterlichen Markständen gegen Gewänder (T-Shirts), Schmuck (wie Halsketten und Schlüsselanhänger) sowie Gemälde (Poster) und Riemen (Lanyards) eintauschen.
Diese Strategie förderte nicht nur die Interaktion und Verweildauer, sondern sorgte auch für einen bleibenden Erinnerungswert und eine hohe Sichtbarkeit in den Social-Media-Kanälen.
Die ersten Entwürfe ähneln im Grundsatz dem finalen Standbau, doch einige Elemente weichen ab – so ist etwa die Warteschlange deutlich kürzer, das Stadttor ‚fehlt‘ und das geplante XXL-Katapult kam letztlich nicht zum Einsatz. Unter uns: Wer ist der Schöne-Idee-können-wir-aber-nicht-machen-Spielverderber?
Spielverderber klingt natürlich sehr hart – ich würde eher sagen : Ich zeige gern, was in meinem kreativen Kopf steckt – auch ohne konkreten Auftrag.
Ich darf natürlich meine Ideen über das reine Briefing und die reinen Anforderungen der Agentur hinaus einbringen. Diese Ideen, noch ein i-Tüpfelchen drauf zu setzen, sind natürlich mit Kosten verbunden und gehen so auch mal über das festgesetzte Budget hinaus. Sprich: Es ist immer gut, kreative Ideen on top einzubringen, aber deren Umsetzung hängt ganz klar vom budgetären Fokus des Endkunden ab.
In diesem Falle verbleiben die angesprochenen Objekte als reine Illustration im Konzept. Wer weiß, ob nicht im kommenden Jahr eines der Objekte doch zu sehen sein wird ..
Nachdem Planetlan ihre Ideen gegenüber Plaion präsentiert hat und diese letztendlich freigegeben wurden, habe ich die detaillierten Briefing-Unterlagen erhalten. Das hat mir eine effiziente und zielgerichtete Ausarbeitung des Deko-Konzepts ermöglicht. Gemeinsam haben wir dann optionale Highlights erarbeitet, um zu zeigen, was zusätzlich möglich wäre. Wenn das Basis-Konzept bereits so überzeugend ist, sind die Entscheider auf der finanziellen Seite oft nicht geneigt, das Budget weiter zu erhöhen.
In den Publikumshallen dominierten auch in diesem Jahr LED-Leinwände, große Bühnen, weitläufige Warteschlangen und natürlich Spielstationen. Wie geht die Erklärung, dass nicht viel, viel öfter solche Erlebniswelten entstehen? Ist das eine Frage der Kosten, des Aufwands, des zeitlichen Vorlaufs, des ‚Muts‘?
Das ist eine Frage die wir uns zukünftig, so hoffe ich, nicht mehr allzu oft stellen müssen !
Die Entscheidung, in diesem Jahr auf große LED-Leinwände und Bühnen zu verzichten und stattdessen eine authentische mittelalterliche Erlebniswelt zu schaffen, wurde von Planetlan ganz bewusst getroffen. Das vorhandene Budget musste sinnvoll verteilt werden – und es war wichtiger, den Besuchern eine immersive und authentische Welt zu bieten, als auf großflächige LED-Screens zu setzen.
Diese Grundsatzentscheidung kam mir und meiner kreativen Arbeit natürlich zugute, da sie den Fokus auf detaillierte und kreative Dekoration legte.
Die Ideen von Michaels Team führten dazu, dass die Besucher des Standes ein intensiveres Erlebnis hatten und die Arbeit dem Titel des Spiels besser gerecht wurde als es eine überdimensionale LED-Wand hätte tun können.
Oft hängt die Entscheidung, ob Erlebniswelten oder andere Elemente verwendet werden, stark vom Spiel selbst ab. Wenn beispielsweise riesige Drachen oder Oger Teil des Spiels sind, treiben solche Elemente die Kosten für die plastische Umsetzung in Form von Deko-Bauten erheblich nach oben.
Es ist also nicht unbedingt eine Frage des Muts, sondern vielmehr eine Abwägung vieler Faktoren, die darüber entscheiden, wie ein Messestand gestaltet wird. In diesem Jahr hat Planetlan mit dem grundlegenden Konzept und meiner Ausarbeitung in Sachen Dekoration den Nerv des Kunden getroffen. Wir haben uns sehr gefreut, eine solch besondere und detailreiche Welt umsetzen zu dürfen.
Deine Kunden sind genauso vielfältig wie die Projekte – von Firmen-Events über Foto-Shootings, Bühnen, Shops bis hin zu Messen. ‚Tickt‘ die Games-Branche anders – oder ist das eine ’normale‘ Industrie?
Ich arbeite seit meinen Anfängen in den Neunzigern für ganz unterschiedliche Branchen mit komplett unterschiedlichen Arten von Menschen zusammen. Vom Beauty-Konzern bis zur Lebensmittelindustrie, vom Bühnendesign für Jahrestagungen bis hin zu Interieur-Konzepten für Co-Working Spaces.
Jeder Auftrag ist anders und sich für jedes Projekt mit Produkten und Strategien von Marken & Agenturen immer wieder neu zu beschäftigen ist meine große Leidenschaft.
Die Games-Branche war da allerdings schon immer etwas Besonderes und übt noch mal einen besonderen Reiz aus. Mir macht es sehr viel Spaß mit den Menschen aus dieser Branche zusammen zu arbeiten, da diese oft selbst begeisterte Gamer sind. Sie wissen genau, für wen sie Konzepte entwickeln und Stände umsetzen – für Gleichgesinnte, die nicht nur zocken, sondern das Thema Gaming live erleben wollen.
Diese Energie spüre ich auch bei meinem Kunden Planetlan und lasse mich gerne davon mitreißen. Diese gemeinsame Begeisterung und das Verständnis für das, was die Besucher wirklich anspricht, machen die Branche einzigartig und inspirierend.
Die wichtigste Frage zum Schluss: Wo kriegt man unterjährig Pranger, Marktstände, Schmieden, Hühner und andere ‚Props‘ her? Gibt es dafür eine Art Mittelalter-Verleih? Oder wird das extra gebaut?
Um auch hier im Sinne des Kunden eine möglichst umfangreiche Anzahl an Requisiten und Props zu realisieren, kann nicht alles produziert oder gekauft werden. Auch das Thema Nachhaltigkeit und Authentizität spielt hier für mich bei allen Objekten eine große Rolle.
Ich komme ursprünglich aus dem Norden Deutschlands und habe dort schon während meiner Ausbildung als Schauwerbegestalterin begonnen, mein Netzwerk auch im Bereich Requisitenverleih auf zu bauen. Von der klassischen Schaufensterdekorateurin bin ich schnell in die deutlich spannendere Event – und Medienwelt gewechselt.
Meine Arbeit im Bereich Ausstattung, Set-Gestaltung und Requisite für den NDR und das Studio Hamburg war wie eine Art Eintrittskarte zu den Film- und Fernseh-Fundi von Berlin bis München. So habe ich die Möglichkeit, Requisiten aller Themenbereiche und wie dieses Jahr zur Gamescom für den Kingdom Come-Messestand zu leihen.
Natürlich gibt er auch Sonderbauten – Objekte aus Games, die es so in Ihrer Form nur in der virtuellen Welt und nicht im Requisitenverleih gibt. Für die Nachbauten dieser besonderer Objekte gibt es wiederum Experten, deren Arbeit sehr in Richtung Kulissenbauten a la Hollywood geht.
Eine solche Spezialfirma ist Unit:Art aus Maintal bei Frankfurt. Unter der Leitung von Katharina Steul entstehen hier im XXL-Format überdimensionale düstere Bäume, mittelalterliche Steinwälle und futuristische Raumkreuzer. Mit Ihr verbindet mich eine jahrelange Zusammenarbeit die in Ihren Produktionshallen meine kreativen Ideen Wirklichkeit werden lässt.
Die GamesWirtschaft-Perspektive auf die Gamescom 2024 können Sie unter anderem in dieser Kolumne nachlesen.