Start Sport eSport vs Fußball: Kampf um Nachwuchs und Geld

eSport vs Fußball: Kampf um Nachwuchs und Geld

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Weltmeister gegen Deutscher Meister: Gladbach-Star Christoph Kramer im Duell mit Titelverteidiger Cihan Yasarlar bei den Playoffs zur Virtuellen Bundesliga 2018 (Foto: Felix Gemein)
Weltmeister gegen Deutscher Meister: Gladbach-Star Christoph Kramer im Duell mit Titelverteidiger Cihan Yasarlar bei den Playoffs zur Virtuellen Bundesliga 2018 (Foto: Felix Gemein)

„Gravierende Auswirkungen auf die Sport- und Vereinslandschaft“ habe der eSport, gerade in Deutschland – so die Diagnose eines aktuellen SPIEGEL-Artikels. Ein Blick in die Mitglieder-Entwicklung des Deutschen Fußballbunds erklärt die unverhohlene Panik der Verbandsfunktionäre.

[no_toc]eSport stehe „ganz oben“ auf ihrer Agenda, ihr sei das Thema wichtig, sagt Digital-Staatsministerin Dorothee Bär (CSU) im Gespräch mit dem SPIEGEL (Ausgabe 12/2018). Bei der Vorstellung der entsprechenden Ergebnisse ihrer Groko-Digital-Arbeitsgruppe vor einem 90köpfigen Gremium habe sie überwiegend in leere Augen geblickt habe – keine einzige Nachfrage und keinen einzigen Kommentar habe es gegeben.

Zusammen mit ihren Kollegen hat Bär in den Koalitionsvertrag geschrieben, dass eSport als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht anerkennt werden soll. Außerdem will man die Branche bei der Schaffung einer olympischen Perspektive unterstützen.

Die Politikerin kündigt an, zunächst mit möglichst vielen Akteuren der Branche sprechen zu wollen und dann zu entscheiden, wie Vereinsstrukturen aussehen können und wie „kommerzielle Unternehmen“ eingebunden werden könnten. Für Bär steht außer Frage, dass eSport als „richtiger“ Sport gilt.

Heftiger Widerspruch kommt von Funktionären wie DFB-Präsident Reinhard Grindel, der selbst viele Jahre für die Union im Bundestag saß und seit Monaten mit einer unmissverständlichen Botschaft durchs Land zieht: Fußball gehört auf den grünen Rasen und nicht auf die Konsole. Wörtlich sprach Grindel von einer „absoluten Verarmung“, da es bei der Ausübung von Videospielen an sozialen Kontakten fehle.

Rückläufige Zahlen: Nachwuchssorgen beim Deutschen Fußballbund

Grindels kompromisslose Positionierung wird nachvollziehbarer, wenn man sich die Mitgliederentwicklung seines Verbands bei den jungen Menschen anschaut. Zwar ist die Zahl der Mitglieder im Deutschen Fußballbund im Jahr 2017 erstmals auf über 7 Millionen geklettert – was sich aber relativiert, wenn man weiß, dass jedes Mitglied eines Fußballvereins gleichzeitig Mitglied beim DFB wird, ohne auch nur eine Sekunde gegen einen Ball zu treten. Allein beim Marktführer FC Bayern München hat sich die Mitgliederzahl seit 2009 fast verdoppelt, auf nunmehr 290.000.

Was den Präsidenten des DFB um den Schlaf bringen dürfte, ist vielmehr der Blick auf die Entwicklung der Jugendmannschaften und der jungen Kicker. Also die Frage, wie viele Kinder im Alter von 6, 8, 10 Jahren in einen Fußballverein eintreten – respektive: wie viele Eltern bereit sind, den Nachwuchs an den Wochenenden zu Ligaspielen quer durchs Bundesland zu chauffieren.

Die offizielle DFB-Statistik für die vergangenen zehn Jahre ist aus Sicht des Verbands mehr als beunruhigend: In diesem Zeitraum ist die Zahl der Mannschaften in der Altersklasse der 15- bis 18jährigen (A- und B-Jugend) um fast 20 Prozent zurückgegangen – auf nur noch knapp über 15.000. Das Minus verläuft nahezu linear und war auch nicht durch den WM-Titel 2014 zu bremsen.

Die weiterhin rückläufige Zahl an Junioren-Mannschaften bereitet dem DFB Kopfzerbrechen.
Die weiterhin rückläufige Zahl an Junioren-Mannschaften bereitet dem DFB Kopfzerbrechen.

Dorothee Bär zur DFB-eSport-Kritik: „Es geht doch immer ums Geld.“

Die Rückgänge haben natürlich auch mit der demographischen Entwicklung zu tun: So wurden 2009 fast 100.000 weniger Kinder geboren als noch zehn Jahre zuvor – erst in den vergangenen Jahren hat die Zahl der Geburten wieder deutlich zugenommen.

Doch der DFB hat erkannt, dass Fußballspielen in einem harten Konkurrenzkampf mit anderen Freizeitbeschäftigungen steht, gerade bei Kindern und Jugendlichen. Die Umsatz-Zuwächse der Videospielbranche in Disziplinen wie Umsatz und Zeitbudget gehen zwangsläufig zulasten anderer Aktivitäten. Das sieht auch Dorothee Bär so. „Es geht doch immer ums Geld“, sagt sie dem SPIEGEL. Wenn eine Sportart hinzukomme, sei eben weniger für die anderen da.

Dass der virtuelle Fußball zuweilen recht wenig mit dem echten Fußball zu tun hat, wird  sich am Osterwochenende (31. März/1. April) zeigen: Dann wird im Deutschen Fußballmuseum der Deutsche „FIFA 18“-Meister in der Virtuellen Bundesliga ermittelt. Während der VfL Wolfsburg in akuter Abstiegsgefahr schwebt und das Auswärts-Spiel gegen die Berliner Hertha dringend gewinnen muss, spielt VfL-PlayStation-Profi Timo Siep parallel um die Meisterschale.