Der große Branchen-Vergleich 2019: Welche Entertainment-Industrie – Buch, Games, Musik, Film – sorgt für die höchsten Umsätze in Deutschland?
Wer einen aktuellen Gaming-PC erwerben will, ist schnell 2.000 Euro aufwärts los – die High-End-Peripherie (Tastatur, Maus, Headset) noch gar nicht mitgerechnet. 1,6 Milliarden Euro haben die deutschen Spielefans im vergangenen Jahr allein für derartige PC-Hardware ausgegeben. Es erklärt die strammen Zuwächse, die den Videospiele-Markt auf über 6 Milliarden Euro hieven – so zumindest die Rechnung des Branchenverbands.
Aber stimmt es eigentlich, dass mit Computerspielen auch in Deutschland deutlich mehr Umsatz generiert wird als etwa an der Kinokasse oder in der Musik-Branche, wie regelmäßig behauptet wird?
Spoiler: Kommt drauf an.
Umsatz-Vergleich 2019: Computerspiele lassen Musik und Kino weit hinter sich
Die Daten für das Jahr 2019 im Überblick:
Kino
Ob es für den deutschen Film ein gutes oder ein verlorenes Jahr war, kann man an Regisseur Bora Dagtekin festmachen: Mit „Fack Ju Göhte“ 1, 2 und 3 spielt er zumindest hierzulande in einer Liga mit Star-Wars- und Marvel-Helden. Seine jüngste Komödie „Das perfekte Geheimnis“ wollten über 5 Millionen Zuschauer sehen – also deutlich mehr zahlende Kundschaft als beim Oscar-prämierten „Joker“.
Solche Publikums-Erfolge bleiben exorbitant wichtig, um Hunderte Millionen Euro an staatlichen Subventionen in den deutschen Film zu rechtfertigen.
Mit Blick auf 2019 spricht der Verband von einem „soliden Jahr“: Jedes fünfte verkaufte Ticket entfiel auf einen deutschen Film. Aber: In Zeiten geschlossener Lichtspielhäuser verliert die Branche nach eigenen Angaben 17 Millionen Euro – pro Woche. Zur Rettung der Programm- und Multiplex-Kinos hat die Bundesregierung ein Hilfsprogramm aufgelegt.
Musik
Lange haben die Plattenbosse mit Quereinsteigern wie Apples iTunes oder Napster gehadert – zu lukrativ erschien das CD-Geschäft. Inzwischen ist Streaming der Goldstandard im Gewerbe: Über eine Milliarde des 1,6 Milliarden-Euro-Musik-Umsatzes entfällt auf Amazon Music, Apple Music, Spotify & Co.
Deutschsprachige Künstler verkaufen weiterhin die meisten Alben: Sarah Connor, Rammstein, Grönemeyer, Lindenberg, Maffay, Capital Bra, Roland Kaiser, Andrea Berg, Santiano und die Toten Hosen – ein Zustand, von dem die Games-Industrie noch nicht mal zu träumen wagt.
Der oft beschworene Niedergang der Branche ist also vorerst abgesagt, obwohl sich der Disc- und Vinyl-Umsatz abermals halbiert hat. Der Fokus der Branche hat sich stattdessen auf Mehrzweckhallen, Stadien und Festival-Wiesen verlagert: Allein 2018 wurden laut PWC Konzert-Tickets im Volumen von 1,6 Milliarden Euro verkauft. Corona-bedingt werden diese Zahlen im laufenden Jahr dramatisch niedriger ausfallen.
Home-Video
Die finalen Zahlen für 2019 liegen erst im Sommer vor – der Verband rechnet aber fest mit 4 Milliarden Euro Umsatz bei Pay-TV- und Paid-Video-on-Demand-Angeboten.
Immer größere Bedeutung hat der milliardenschwere Streaming-Markt, den Netflix, Apple, Sky und Amazon dominieren. In diesem Jahr ist mit Disney+ ein weiterer großer Player hinzugekommen.
Weiterhin stark rückläufig ist die Nachfrage nach physischen Datenträgern, also DVD und Blu-Ray-Disc: Die Corona-Pandemie dürfte diesen Trend verstärkt haben. Unterhaltungselektronik-Riesen wie Samsung ziehen sich aus der Produktion von Abspielgeräten zurück.
Der TV-Gesamtmarkt als solches inklusive öffentlich-rechtlicher und privater Sender ist durch Rundfunkgebühren und Fernsehwerbung natürlich noch weit größer: Allein die ProSiebenSat.1-Gruppe macht pro Jahr über 4 Milliarden Euro Umsatz.
Buch
Das Buch bleibt ein Renner, egal ob gedruckt oder digital: Weiterhin über 9 Milliarden Umsatz fährt die Branche ein. Um einen fairen Vergleich zu ermöglichen, sind in der GamesWirtschaft-Statistik erstmals nur Belletristik sowie Kinder- und Jugendbücher berücksichtigt.
Diese beiden Gruppen sind die kommerziell relevantesten Sparten – mit einem konstanten Anteil von knapp der Hälfte des Buchmarkts (48 Prozent). Der „Rest“ sind Reiseführer, Sachbücher, Ratgeber, Schulbücher und wissenschaftliche Werke.
Games
Der Markt boomt munter vor sich hin: Mikrotransaktionen (also In-Game-Käufe), Flatrate-Tarife, Online-Dienste – alles im Plus. Bei der Kauf-Software ist die marktübliche Verschiebung vom Datenträger zu Download und Streaming zu beobachten. Weil PlayStation 4 und Xbox One allmählich Richtung Auslaufmodell tendieren, sind die Konsolen-Verkäufe um fast 20 Prozent eingebrochen.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Der Hardware-Umsatz wird nahezu vollständig importiert, weil Konsolen und Gamepads in Asien vom Band laufen. Bei der Software lag der Marktanteil deutscher Studios zuletzt bei unter 5 Prozent. Sprich: Von 100 Euro, die in Deutschland für Konsolen- und PC-Games oder Spiele-Apps ausgegeben werden, gehen 95 Euro buchstäblich auf das Konto internationaler Konzerne – Nintendo, Ubisoft, Electronic Arts, Sony, Activision Blizzard, Take-Two und so weiter. In der offiziellen Verbands-Statistik für 2019 taucht kein einziges Spiel made in Germany auf.
Und: Ein Drittel der Ingame-Umsätze von Smartphone-Spielen behalten Google und Apple ein – bei PC-Spielen verdienen Valve (Steam) und Epic Games kräftig mit.
Fazit:
Als Faustregel lässt sich festhalten, dass mit Games-Software in Deutschland mittlerweile mehr umgesetzt wird als mit klassischen analogen Spielwaren. Die Einnahmen der Spiele-Hersteller liegen zudem bei mehr als dem Doppelten der Musik-Industrie und fast beim Vierfachen der Kino-Umsätze. Allerdings stammen die gefragtesten Games durchweg aus dem Ausland, mit wenigen Ausnahmen.
Rechnet man die eingangs erwähnten Hardware-Umsätze mit rein, hat die deutsche Games-Branche 6,2 Milliarden Euro erwirtschaftet – ein neuer Rekord. Blickt man indes nur auf die Games-Software, liegen andere Entertainment-Branchen mindestens gleichauf oder deutlich darüber – etwa der Buchmarkt, der Bundesliga-Fußball und der Pay-TV-Markt.
Man muss kein Prophet sein, um zu prognostizieren: Das Corona-Jahr 2020 wird die Tabelle gründlich durcheinander wirbeln.