Start Wirtschaft Bot-Programmierer: „Wer wirklich will, kriegt seine PS5“

Bot-Programmierer: „Wer wirklich will, kriegt seine PS5“

220
Für 800 Euro aufwärts werden PS5-Konsolen bei Ebay angeboten - und verkauft (Abbildungen: Screenshot / Sony)
Für 800 Euro aufwärts werden PS5-Konsolen bei Ebay angeboten - und verkauft (Abbildungen: Screenshot / Sony)

Sony und Händler sind gegen die PlayStation-5-Reseller chancenlos – die Kunden hingegen nicht, sagt ein Bot-Programmierer.

„Die nächste PlayStation-5-Verkaufs-Welle kommt bestimmt – der Handel muss seine Stammkunden besser vor Bots und Resellern schützen.“

So lautete die Kern-Forderung der GamesWirtschaft-Kolumne am vergangenen Freitag. Hintergrund: Die Bot-Software der Profis ‚überwacht‘ Händler-Websites und kauft die Online-Shops binnen weniger Minuten leer – um anschließend Ebay mit Angeboten zum doppelten Listenpreis* zu fluten. In Großbritannien hat es eine Reseller-Gruppe geschafft, bei unterschiedlichen Shops über 3.500 Konsolen einzusammeln – mehr, als vielen Händlern direkt von Sony selbst geliefert wird.

Und das völlig legal.

Für die Kolumne gab es viel Zustimmung, aber eben auch energischen Widerspruch. Tenor: Gegen die halb- und vollautomatischen Bots der sogenannten „Scalper“ lasse sich nichts ausrichten, der Handel sei völlig machtlos. Das hätten die Erfahrungen aus dem Sneaker-Bereich gezeigt, wo Weltkonzerne wie Nike und Adidas seit Jahren gegen organisierte Netzwerke ankämpfen.

Noch am Freitag kontaktierte uns ein Bot-Programmierer mit dem Angebot, aus dem Nähkästchen zu plaudern. Am Samstagvormittag verabredeten wir uns zu einem 20minütigen Telefonat. Der Insider tritt im Netz und gegenüber Kunden nur unter seinem Pseudonym T3RRORTOAST auf. Seinen richtigen Namen verrät er nicht. Nur soviel: Im Hauptberuf ist er in der Mediengestaltung tätig, entwickelt aber auch Tools zur Automatisierung von Prozessen – also genau das, was Bots tun.

Bot-Programmierer: „Ich möchte Geld verdienen.“

„Würdest du dich denn zu den Guten zählen?“, wollten wir direkt zum Einstieg wissen. Diese Frage habe er sich selbst auch schon gestellt – und natürlich könne er verstehen, wenn die Fans sauer sind, weil sie wegen Leuten wie ihm vorerst keine PS5 kaufen können. „Aber in erster Linie denke ich da erstmal an mich – und ich möchte Geld verdienen. Und deswegen mache ich das.“

Die Bot-Programmierung sei eine relativ einfache Möglichkeit für Leute mit entsprechenden Kenntnissen, von der großen Nachfrage zu profitieren. „Wenn ich jetzt vor der Entscheidung stünde: Möchtest du lieber, dass der Vater seinem Sohn zu Weihnachten eine PlayStation schenkt, also ein Konsumgut, oder möchtest du lieber Geld verdienen – dann will ich lieber Geld verdienen.“ Als „Guter“ oder „Böser“ wolle er sich daher gar nicht selbst einstufen.

Nachgefragt: „Was ist denn deine Motivation, mit diesen Informationen an die Öffentlichkeit zu gehen? Den Menschen die Illusion zu nehmen, dass man gegen Bots etwas ausrichten könnte?“ T3RRORTOAST: „Genau, das ist ganz wichtig. Mir geht’s ein bisschen gegen den Strich, dass immer gesagt wird: ‚Ey, tut doch was dagegen!‘ Die können nichts dagegen tun. Die größten Sneaker-Seiten mit Milliarden-Umsätzen, etwa Supreme, haben so viel Geld und machen so viel – und haben trotzdem keine Chance.“

50 bis 100 Euro Monatsgebühr in Reseller-Gruppen

Just in diesem Sneaker-Bereich hat T3RRORTOAST erste Botting-Erfahrungen gesammelt – das Segment ist aus seiner Sicht aber am „Abklingen“, weshalb sich die Profis auf lukrativere Produkte stürzen. So sei Nike dazu übergegangen, Sondermodelle nur noch über die eigene App zu vertreiben: Hier sei das ‚Botten‘ deutlich schwieriger. Durch größere Produktionsmengen seien zudem die Margen gesunken.

Nach seinen Worten haben die Reseller-Gruppen keinen emotionalen Bezug zu den Produkten – eingekauft wird alles, was sich schnell zu Geld machen lässt: Münzen, Figuren, sogar Garten-Pools, die im Lockdown-Frühsommer stark gefragt und europaweit vergriffen waren.

Gleiches galt für die monatelang ausverkaufte Nintendo Switch: Für seine Reseller-Gruppe habe er eine Software geschrieben, die die verfügbaren Nintendo-Konsolen auf Websites wie MediaMarkt.de bestellt, sobald dort Ware online geht. Gegen eine Gebühr von 20 bis 30 Euro habe er seinen Kunden ermöglicht, die Switch schnell und einfach kaufen zu können.

Fast schon ein Preis der Nächstenliebe: Bei der PlayStation 5 zahlen Mitglieder der einschlägigen Discord-Gruppen monatliche Gebühren von 50 bis 100 Euro.

Gegen PlayStation-5-Bots ist kein Kraut gewachsen

Die Hauptbotschaft des Experten: Die Maßnahmen, die Online-Händler zur Abwehr solcher Bots ergreifen, sind gänzlich ungeeignet – und zwar „alle, wirklich alle“, wie T3RRORTOAST mehrfach betont. Ihm sei keine Maßnahme bekannt, die Bots nicht umgehen oder aushebeln könnten. Zwar gäbe es einige wenige Möglichkeiten, 80 bis 90 Prozent der „Laien-Bots“ auszubremsen, aber die Händler hätten daran überhaupt kein Interesse.

Seiner Meinung sei es auch falsch, den Händlern – also den Vermittlern der Ware – Vorwürfe zu machen.

Den Online-Shop-Betreibern sei vielmehr daran gelegen, den Kaufprozess so einfach wie möglich zu gestalten – deshalb seien Personalausweis-Verifizierung oder Postident ungeeignet, allein schon aus Datenschutzgründen. „Das ist einfach too much – das wird nicht passieren“, so der Bot-Programmierer. Aus dem Sneaker-Bereich gäbe es zudem die Erkenntnis, dass ein Verkauf ab Werk an registrierte Kunden ebenfalls nichts bringt. Die Bots seien so smart, dass sie auch mit Wartelisten-Systemen und digitalen “Fingerabdrücken“ umgehen können.

PlayStation-5-Mondpreise: Ebay-Boykott ist sinnlos

Die Art und Weise, wie es Sony Interactive derzeit im Falle der PlayStation 5 handhabt, sei deshalb schon die schlaueste Strategie – nämlich die gestaffelte Verteilung der Ware auf möglichst viele Handelspartner, Verkaufswellen und unterschiedliche Uhrzeiten. „Das macht eigentlich am meisten Sinn“, so T3RRORTOAST.

Dennoch würden Anbieter die Ausverkäufe und Ebay-Mondpreise sehenden Auges in Kauf nehmen. Die wirkungsvollste Anti-Bot-Strategie bestünde darin, dass Hersteller wie Sony, Microsoft oder Nvidia so lange mit dem Verkauf warten, bis hinreichend Stückzahlen vorproduziert worden sind. Erfolgt der Launch ohne genügend Ware, würden die Konzerne immer wieder in eine vermeidbare Situation laufen, die „wirklich total dumm“ sei.

Deshalb ergibt es auch wenig Sinn, wenn sich Verbraucher ganz fest vornehmen, die Ebay-Angebote* stumpf zu boykottieren – dies würde gerade nicht zu sinkenden Preisen führen, weil sich zu jeder Zeit genügend Verbraucher finden, die bereit sind, 800 Euro aufwärts auf den Tisch zu legen. Hier greift das FOMO-Phänomen – Fear Of Missing Out, also die Angst, eine vermeintlich einmalige Gelegenheit zu verpassen.

Folgerichtig geht der Profi davon aus, dass sich die Lage mit zunehmenden Produktionsmengen entspannt – schließlich sei die PlayStation 5 kein limitiertes oder zeitlich begrenzt erhältliches Produkt. Erst bei besserer Verfügbarkeit würden die Reseller das Interesse an der PS5 verlieren.

Höhere Chancen auf PlayStation 5: Was Kunden tun können

Dennoch gäbe es für Privatkunden schon jetzt Taktiken, mit den Bots mitzuhalten und an eine PlayStation 5 heranzukommen – wenn man das wirklich will. „Wenn jemand ein bisschen Zeit investiert und ein bisschen recherchiert, dann kann er sich die PS5 kaufen.“ Die einfachste Variante: Am Tag des Verkaufsstarts 15 Tabs öffnen und alle Websites im Sekundentakt per F5-Taste aktualisieren – das sei lästig und zeitaufwändig, aber mit der Anzahl der Versuche steigt die Wahrscheinlichkeit auf einen Treffer.

Wer diese Zeit nicht investieren kann oder will, müsse damit leben, dass die Konsole bis auf Weiteres nur gegen Aufpreis zu bekommen sei – eben über den Umweg der Ebay-Reseller, die sich für ihre Recherche, ihr Knowhow, ihre Fähigkeiten und ihre eingesetzte Zeit fürstlich entlohnen lassen.

„Wenn aber jemand kurz vor 13 Uhr auf der Website vorbeischaut und feststellt: ‚Ach schade, hab ich keine mehr bekommen – scheiß Reseller‘, dann macht er sich das halt auch ein bisschen einfach.“

T3RRORTOAST selbst hat im Übrigen während der PS5-Vorbestell-Wellen nicht ‚gebottet‘. Er sei zwar an zwei Konsolen herangekommen, aber eben „manuell“ – ohne Bot.

Liebe GamesWirtschaft-Leser, wir freuen uns über jeden Kommentar und jede Meinung. Wir sind uns dessen bewusst, dass die aufgestellten Thesen kontrovers sind. Gerade deshalb ist es uns wichtig, dass die Debatte zivilisiert abläuft. Beleidigungen gegenüber Interviewpartner und Mitdiskutierenden werden konsequent gelöscht und zurückgewiesen. Vielen Dank für Ihre Mithilfe. Die Position der Chefredaktion finden Sie – wie eingangs erwähnt – in dieser Kolumne.


Welche Preise derzeit bei Ebay für PlayStation-5-Konsolen gezahlt werden, erfahren Sie über diesen Link*.

220 Kommentare

  1. @T3RRORTOAST
    Also erstmal Glückwunsch wie du mit der überwiegend negativen Kritik umgegangen bist. Um gleich zum Punkt zu kommen: Ich finde es ebenfalls sehr asozial die Konsole derart zu monopolisieren. Ich weiß nicht wer euch gesagt hat, dass wir in einer freien MW leben? Tun wir nicht. Wir leben in einer sozialen MW. Das bedeutet zb. dass der Staat Monopole durch Gesetze verhindern soll. Ich kann verstehen warum der vorliegende Fall so verlaufen ist….Es ist kurz vor Weihnachten viele Kinder wünschen sich „nur“ eine Ps5 zu Weihnachten und es darf nichts anderes sein. Und genau deshalb funktioniert das Boykottieren der ebay-Verkäufe auch nicht: Bis Weihnachten muss die Konsole halt da sein wenn man nicht will dass die Kinder ein trauriges Fest haben.(Und ja viele Kinder die sich eine Ps5 gewünscht haben könnten natürlich einfach ein paar Monate warten). Anschließend muss ich aber auch zugeben, dass es natürlich eine gute Möglichkeit ist Geld zu verdienen auch ohne Bots, da das Ganze von Sony ziemlich schlecht gemanagt wurde/wird. Deshalb habe ich Verständnis für deine Entscheidung auch wenn du(bzw deine Bots)damit nicht wie öfters erwähnt den „reichen Kids“ sondern vielmehr den Eltern die sich ein schönes Weihnachtsfest wünschen schadest

  2. „Ungerechtigkeit an irgendeinem Ort bedroht die Gerechtigkeit an jedem anderen.“ zitiert von Martin Luther King.

  3. Sehr toller Bericht und Danke an T3RRORTOAST, dass du dich überhaupt äußerst. Ich habe gestern 2 bekommen. 1 von GameStop und die andere hat meine Perle bei Amazon bekommen. GameStop hat natürlich mit dem ‚hör auf F5 zu spammen, du bist in der Warteschleife‘ ne geile Aktion gebracht. Es ist nicht falsch oder kriminell, was die Botter machen, nur moralisch verwerflich und das wissen die auch aber es juckt sie nicht. An die Heuchler, die schimpfen und beleidigen möchte ich sagen, ihr seid die Ersten, die bei Kleinanzeigen für 800+ eure zweite ersteigerte Konsole einstellen, getreu dem Motto, was die können kann ich jetzt auch. Es kommt bald ne 4.Welle, probiert es einfach aus und viel Glück an alle.

    @T3RRORTOAST Du weisst natürlich schon, dass es Möglichkeiten gibt dem Botter das Leben schwer zu machen. Vor allem, wenn man sie nicht ankündigt. Z.B. 30 minütiger Bann, wenn ‚Aktualisieren‘ gespammt wird etc. Ich weiss, auch darauf könnt ihr reagieren ABER, wenn Mann nix vorher ausplaudert, können 80% der Laien-Botter gar nix machen. Und wenn man die PS5 in Shops abholen muss, dann wird’s auch schon schwieriger. Es wird nie unmöglich sein, aber mann hat es euch auch sehr leicht gemacht finde ich seitens der Großkonzerne.

    Lg

    • „Z.B. 30 minütiger Bann, wenn ‚Aktualisieren‘ gespammt wird etc. “ – da hast du recht, aber jeder erfahrenerer Bot-Ersteller hat solche Szenarien schon erlebt. Also bereiten sich alle darauf vor. (in dem Falle z.b. mit Proxies)

  4. Das die Scalper behaupten es gäbe kein Mittel ist ein Witz. Es gibt sogar ein denkbar einfaches: sie mit ihren eignen Waffen schlagen. Man braucht doch nur einen Bot programmieren, der mehrere Fake Accounts bei Ebay anlegt und sofort alle PS5 Angebote kauft (natürlich nie bezahlt), damit keine mehr verfügbar sind. Auf die Weise kriegen die Scalper ihren Schrott nicht mehr an echte Kunden verkauft und das Problem ist aus der Welt. Ich glaube ich mach mir den Spaß heute einfach mal und räum Ebay leer von den Gierangeboten…

      • Stört mich 0….catch me if u can 😀 Es zerstört deine Gier und du gibst auf. Dann hat Papa bei der PS6 dann nämlich die Chance, dem Junior die Konsole zum Herstellerpreis unter den Weihnachtsbaum zu legen und du kannst dich nicht länger bereichern. Robin Hood Style…

Kommentarfunktion ist geschlossen.