Warum Mitarbeiter umsiedeln, wenn die Games-Entwicklung auch virtuell klappt? Das Münchener Studio Chimera Entertainment macht aus Lockdown-Zwängen eine Strategie.
Was bis zum Frühjahr 2020 für viele Studios und Publisher als völlig undenkbar galt, ist mit dem Start der Pandemie mittlerweile Standard in der Games-Industrie: Weite Teile der Spiele-Produktion und -Vermarktung erfolgen serienmäßig aus dem Home-Office – Anwesenheits-Pflicht besteht oft nur zu größeren Team-Besprechungen oder an einzelnen Werktagen. Ganze Abteilungen dürfen sich zunehmend selbst organisieren.
Der Münchener Spiele-Entwickler Chimera Entertainment geht jetzt noch einen Schritt weiter und stellt dauerhaft den Betrieb um: Die Angestellten sind nicht länger an einen Ort gebunden, sondern verteilen sich auf „Hubs“ in vier europäischen Ländern. Dadurch eröffnen sich auch neue Chancen in der Personalakquise, weil Experten und Talente nicht mehr zwingend in die bayerische Landeshauptstadt umgetopft werden müssen: Die Mitarbeiter bleiben in ihrem gewohnten Umfeld.
Davon profitieren beide Seiten. Neu im Team von Chimera Entertainment ist zum Beispiel Projektleiter Raimund Wiczniewski, der vom finnischen Studio Remedy Entertainment kommt und dort an Titeln wie Control und Alan Wake Remastered gearbeitet hat.
Man habe sich schon frühzeitig auf die neue Situation eingestellt und schon vor den ersten Lockdowns Hardware wie Webcams, Mikrofone und Headsets beschafft, erklärt Chimera-Gründer Hendrik Lesser. In den vergangenen 18 Monaten habe man allein zehn Mitarbeiter eingestellt, die einen rein virtuellen Bewerbungsprozess durchlaufen hätten.
“Zu Beginn mussten wir Notfall-Lösungen finden”, weiß Managing Director Christian Kluckner. “Aber wir waren uns sicher, dass wir nicht zur Vor-Corona-Zeit zurückkehren werden. Deshalb wurde aus der Anpassung eine Transformation.”
Die virtuellen Chimera-Niederlassungen befinden sich derzeit in Finnland, Italien, Spanien und Rumänien – Anfang 2022 folgen Polen und Portugal. Damit dennoch so etwas Ähnliches wie Team-Zusammenhalt entsteht, sollen alle Mitarbeiter zu besonderen Meetings und Feierlichkeiten wie dem traditionellen Oktoberfest-Besuch eingeflogen werden.
Chimera Entertainment beschäftigt 70 Mitarbeiter und hat zuletzt im Juni 2017 das Smartphone-Spiel Angry Birds Evolution veröffentlicht. Derzeit arbeitet das Unternehmen am PC-Strategiespiel Realms at War – geplante Fertigstellung: Frühjahr 2023. Der FilmFernsehFonds Bayern (FFF Bayern) und das Bundesverkehrsministerium bezuschussen das Projekt mit mehr als 2 Millionen Euro.