Start Meinung Wetten, dass Retro immer geht? (Fröhlich am Freitag)

Wetten, dass Retro immer geht? (Fröhlich am Freitag)

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Die Jubiläumssendung von 'Wetten, dass..?' mit Thomas Gottschalk am 6. November 2021 (Foto: ZDF / Sascha Baumann)
Die Jubiläumssendung von 'Wetten, dass..?' mit Thomas Gottschalk am 6. November 2021 (Foto: ZDF / Sascha Baumann)

Digitale Vergangenheitsbewältigung: Der Zusammenhang zwischen der (erfolgreichen) Neuauflage von Wetten, dass..? und dem Wirken der Games-Industrie.

Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

möglicherweise gehören Sie zu den mehr als 14,5 Millionen Mitbürgern, die am vergangenen Samstag um Viertel nach acht vor dem Fernseher saßen und sich die Jubiläums-Ausgabe von Wetten dass..? mit Thomas Gottschalk angesehen haben – und Zeuge wurden, wie ein Bagger Frisbee-Scheiben einfing oder ein hyperaktiver Rüde Müll sortierte. Was ein wohlerzogener deutscher Hund halt so macht.

14,5 Millionen Zuschauer. Marktanteil: 46 Prozent. Das schafft im linearen Fernsehen bestenfalls der Münster-Tatort oder ein weit fortgeschrittenes Fußballturnier mit deutscher Beteiligung. Privatfernsehen, Pay-TV, YouTube und Streaming-Dienste haben dem Lagerfeuer-TV böse zugesetzt.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Schon beim Erklingen der Eurovisions-Hymne und der Titelmelodie fühlte sich der Abend so an, wie es Florian Illies mal in seinem Bestseller Generation Golf* beschrieben hat: „Ich sitze in der warmen Badewanne, und zwischen meinen Knien schwimmt das braune Seeräuberschiff von Playmobil. Nachher schaue ich ‚Wetten, dass..?‘ mit Frank Elstner, dazu gibt es Erdnussflips. Niemals wieder hatte ich in späteren Jahren solch ein sicheres Gefühl, zu einem bestimmten Zeitpunkt genau das Richtige zu tun.“

Wetten, dass ..? war in den 80ern, 90ern und 2000ern der einzige Ort, an dem verlässlich nationale und internationale Weltstars am Stück zu besichtigen waren – die Lagerfelds, die Beckenbauers, die Klitschkos, die Schumachers, dazwischen Steven Spielberg, Tina Turner, Elton John, Tom Hanks, Michael Jackson und ja: Modern Talking. Mehr ging nicht. Wer die Live-Sendung verpasst hatte, konnte am nächsten Morgen nicht mitreden.

Die bemerkenswerte Resonanz auf das vermeintlich einmalige Comeback des Formats wurde verschiedentlich als tiefe Sehnsucht nach heiler Welt, nach Verlässlichkeit, nach Nach-Hause-Kommen eingeordnet – gerade in unsicheren Zeiten. Für drei Stunden fühlte sich die Pandemie ganz weit weg an. Das alleine ist für sich ein Wert.

Und natürlich geht es bei solchen Revival-Veranstaltungen immer auch ein Stückweit um die Vermarktung positiv besetzter Kindheitserinnerungen – was bekanntermaßen auch der Games-Industrie mit schöner Regelmäßigkeit gelingt. Retro geht immer – frag nach bei Nintendo, wo man gut an Super Mario 3D All-Stars, The Legend of Zelda: Link’s Awakening oder Super-NES-Mini-Konsolen verdient.

Jüngstes Beispiel: Seit gestern ist Grand Theft Auto The Trilogy The Definitive Edition (was ein Name) auf dem Markt – in überarbeiteter Form, also ein Remaster. Als die drei enthaltenen GTA-Spiele erschienen sind, war ein heute 20jähriger noch nicht mal geboren. Oder schaukelte bestenfalls im Maxicosi.

Die von Rockstar Games anvisierte Kern-Zielgruppe ist demzufolge bei der Generation X und Y zu verorten, während die Generation Z – also die in diesem Jahrtausend Geborenen – mit der fuzzeligen Grafik wenig wird anfangen können und vermutlich eher auf die verschobene PS5-/Xbox-Fassung des Dauerbrenners Grand Theft Auto 5 wartet.

Analoges gilt für das im September erschienene Action-Rollenspiel Diablo 2 Resurrected – ein Remaster des Blizzard-Klassikers Diablo 2, ebenfalls ein Kind der Jahrtausendwende. Dass die Kernmechanik auch heute noch funktioniert, zeigen die überwiegend positiven Reaktionen.

Ich sehe die kontinuierlich hinwegschwappende Remaster-, Reboot-, Remake-Welle etwas ambivalent: Die Verkaufszahlen sind einerseits ein klarer Beleg für offenkundig vorhandene Nachfrage. Gleichzeitig sorgt die digitale Vergangenheitsbewältigung natürlich zwangsläufig dafür, dass Kapazitäten für Neues, Frisches fehlen. Und hat wirklich jemand auf eine Neuauflage von Prince of Persia: The Sands of Time gewartet? Oder auf das Disney-Remake von Kevin allein zu Haus? Irgendjemand?

Beim ZDF laufen unterdessen Überlegungen, wie man den Samstagabend-Show-Dampfer ein weiteres Mal flott kriegt (gemeint ist die Sendung, nicht Gottschalk). Falls Sie ebenfalls 50 Musiktitel allein am Geräusch einer Klobürste beim Putzen einer Toilette erkennen können oder in Ihnen ein anderes verborgenes Talent schlummert, sollten Sie schon jetzt ins Training einsteigen.

Topp, die Wette gilt!

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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1 Kommentar

  1. Also auch, wenn ich dem Kommentar überwiegend zustimme, so muss ich aber doch sagen: ja, ich warte auf das Sands of Time Remake. Eines der besten Spiele in aktueller Grafik? Auf jeden Fall!

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