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Privatkopie: Wie die Games-Industrie mitverdienen will

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Beim Kauf von PCs, Laptops und Festplatten wird eine Privatkopie-Abgabe fällig - an der künftig auch die Games-Industrie partizipieren möchte (Abbildungen: MIFCOM, Seagate, Medion)
Beim Kauf von PCs, Laptops und Festplatten wird eine Privatkopie-Abgabe fällig - an der künftig auch die Games-Industrie partizipieren möchte (Abbildungen: MIFCOM, Seagate, Medion)

Bislang bekommen Hersteller für die Privatkopie von Computerspielen keine Vergütung – künftig schon. Entsteht dadurch eine neue Games-GEMA? Der Industrie-Verband dementiert. 

Sie wird auf Kassenzetteln und Rechnungen üblicherweise nirgends ausgewiesen und deshalb ahnt der gemeine Verbraucher auch nichts von ihrer Existenz: Mit jedem USB-Stick, jeder Speicherkarte, jeder externen Xbox-Festplatte, jedem Laptop, jedem Smartphone wird automatisch eine Privatkopie-Abgabe entrichtet – im Falle von DVD-Rohlingen nur wenige Cent, bei PCs aber auch 10, 12, 15 € und mehr.

Sinn und Zweck: Weil etwa Filmproduzenten und Bands nicht jeden einzelnen, urheberrechtlich geschützten Video- oder Musik-Schnipsel in Rechnung stellen können und wollen, wird deren private Nutzung und Speicherung über einmalige Pauschalen abgegolten.

Die  Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ) hat dazu Rahmenverträge mit Verbänden wie dem Bitkom geschlossen, der wiederum die Interessen der Hersteller von Computern, Speichermedien und Smartphones vertritt.

Das eingesammelte Geld wird anschließend umverteilt – zum Beispiel an Autoren, die ihre Online-Artikel der VG Wort melden. Oder an Komponisten und Texter, die ihre Tantiemen von der GEMA eintreiben lassen. Neben der VG Wort und der GEMA sind elf weitere Verwertungsgesellschaften in der ZPÜ organisiert, die namens ihrer Mitglieder Ansprüche in 11 Kategorien (‚Werk-Arten‘) geltend machen – für Bild- und Textwerke, Musik, Filme, TV-Serien, Podcasts, Musik-Videos und ‚pornographische Filme‘.

Demnächst kommt nach Vorstellung des Branchenverbands Game eine weitere Privatkopie-Gattung dazu: Games. Und zwar bei allen Vorgängen, die zu privaten, nicht-kommerziellen Zwecken entstehen: Screenshots, Videos und Letsplays, Roleplay-Server, Beiträge für Foren und Social Media sowie E-Sport-Matches. Haupt- und nebenberufliche Verwerter wie YouTuber, Streamer und Influencer sind nicht betroffen, weil sie anderen Regularien unterliegen.

Im Mai hat der Verband zu diesem Zweck eine eigene Verwertungsgesellschaft für die Hersteller von Games (kurz: VHG) gegründet. Begründung: Die Games-Branche erhalte „trotz vielfältiger und massenhafter Privatkopien ihrer Spiele keine Vergütung“.

Es geht also um nicht weniger als einen zusätzlichen Erlösstrom für eine Industrie, die in Deutschland im vergangenen Jahr 5,5 Milliarden € mit Spiele-Software verdient hat.

Games-Umsatz 2022 in Deutschland im Vergleich zu Kino, Video-Streaming, Musik, Buch, Spielwagen und Bundesliga (Stand: 31. Mai 2023)
Games-Umsatz 2022 in Deutschland im Vergleich zu Kino, Video-Streaming, Musik, Buch, Spielwagen und Bundesliga (Stand: 31. Mai 2023)

Privatkopie: Warum die Games-Industrie mitverdienen will

Konkret begehren die Spielehersteller einen Anteil jener 65 Millionen € pro Jahr, die die ZPÜ zuletzt für privat genutzte PCs und Festplatten eingenommen hat. Das Geld soll den Inhabern des Leistungsschutzrechts zugute kommen – also Publishern und/oder Studios. Wie genau: noch offen, ebenso die Höhe. Allerdings spricht viel dafür, dass analog zu Film, Musik und Text die Anbieter mit großem Portfolio und großer Reichweite überproportional profitieren. Noch im Juni sollen die dafür erforderlichen Wahrnehmungsverträge veröffentlicht werden.

Der Verband räumt ein, dass die „große Mehrheit“ der Mitglieder das gängige System der Privatkopie-Vergütung „durchaus kritisch“ sehe. Nach GamesWirtschaft-Informationen haben sich insbesondere große Unternehmen bei der Abstimmung mindestens enthalten. Weil die Rechtslage aber nun mal so sei, wie sie sei, und weil auch europaweit keine Reform in Sicht sei, habe man sich mehrheitlich zu diesem Schritt entschlossen.

Beim ZPÜ reagiert man auf die Pläne des Verbands zurückhaltender: Man habe die VHG-Gründung „zur Kenntnis genommen“ – und begrüße es, dass sich auch die Games-Branche für die „kollektive Rechtewahrnehmung“ entschieden habe. Sobald die formale Zulassung erteilt ist, werde man sich mit den ‚Neuen‘ zusammensetzen und darüber sprechen, „ob, wann und wie“ die VHG an den ZPÜ-Töpfen teilhaben kann. Also nicht nur „wann und wie“, sondern auch: ob.

Es dürften spannende Dialoge anstehen. Denn bislang werden zwar Abgaben für Tablets und PCs fällig, nicht aber für E-Reader (Amazon Kindle, Tolino) und erst recht nicht für Spielkonsolen. Was insofern verwundert, weil eine Xbox Series X oder PlayStation 5 mit Blick auf Funktionsweise und Komponenten (Grafikkarte, Arbeitsspeicher, Festplatte, Blu-Ray-Laufwerk, Schnittstellen etc.) einem handelsüblichen, gebührenpflichtigen Gaming-PC mindestens ähnelt.

Das Thema ist vermintes Terrain, wie Anfragen der Redaktion bei Publishern und Konsolenherstellern nahelegen. Keiner der drei Konsolen-Anbieter – weder Sony Interactive Entertainment (PlayStation) noch Nintendo of Europe (Switch) noch Microsoft  Deutschland (Xbox) – will sich dazu auf Anfrage äußern.

Stattdessen wird in seltener Eintracht auf die Position des Verbands verwiesen. Dort wiederum heißt es, dass sich Konsolen „in einigen wesentlichen Punkten“ von jenen Geräten unterscheiden würden, die Teil des ZPÜ-Tarifsystems sind – zum Beispiel durch  „Kopierschutzmaßnahmen“.

Privatkopie: Künftig Abgaben auf Cloud-Speicher?

Konsolen-Hersteller, Publisher und Studios würden künftig an einem Umverteilungs-System partizipieren, in das sie selbst – Stand jetzt – keinen Cent einzahlen müssen. Im vergangenen Jahr wurden mit dem Verkauf von Spielkonsolen in Deutschland immerhin 800 Mio. € umgesetzt – ohne dass dafür Abgaben fällig wurden.

Die Zentralstelle betont auf Nachfrage, dass es hinsichtlich der Vergütungspflicht allein darauf ankomme, ob das „Produkt für Vervielfältigungen von urheberrechtlich geschützten Werken genutzt wird“. Im dafür zuständigen Paragraphen des Urheberrechts heißt es, dass nur dann keine Vergütung anfällt, wenn Geräte oder Speichermedien nicht zu Vervielfältigungen benutzt werden.

Aber genau diese Vervielfältigung ist von Konsolen-Herstellern ausdrücklich gewollt: nämlich, dass Screenshots, Videos und Letsplays erstellt und geteilt, also: vervielfältigt werden. Auf jedem Xbox- oder PlayStation-Controller gibt es dafür einen dedizierten Share-/Create-Button.

Unheil droht auch von anderer Seite: Denn die ZPÜ hat seit September die Anbieter von Cloud-Diensten im Blick und sieht sich durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs bestätigt. Es gebe „Handlungsbedarf“, um die Vergütung schnellstmöglich zu realisieren. Die ZPÜ hat Cloud-Anbieter aufgefordert, ihren Pflichten nachzukommen – andernfalls würden gerichtliche Maßnahmen ergriffen. Cloud- und Online-Speicherplatz wird nicht nur via Dropbox, Google Drive, Apple iCloud oder Microsoft OneDrive angeboten, sondern ist auch in den Tarifen von PlayStation Plus & Co. inklusive.

Der Branchenverband Game legt explizit Wert darauf, dass die Nutzer von Computer-, Konsolen- und Mobilegames durch die VHG-Gründung auch künftig nicht für Privatkopien  von Games zur Kasse gebeten werden. Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Mit dem Kauf von PCs, Smartphones oder Festplatten zahlen Verbraucher schon jetzt in einen Topf ein, aus dem künftig – auch – Spiele-Hersteller bedient werden.

2 Kommentare

  1. Das Einzige was die Industrie noch interessiert, Kohle machen auf Kostend er Allgemeinheit. Schönes Vorbild für unsere Zukunft, demnächste wird auch noch die Atemluft monetarisiert weil man damit ja urheberrechtlich geschüctzte Lieber singen, Gedichte zitieren oder andere Dinge machen kann.

    Und am Ende wundern sich alle warum die ganze Spiele an Qualität so derart unterirdisch sind, dass der Standort Deutschland über kurz oder lang einfach verschwinden wird!

  2. Okay. dann kaufe ich zukünftig einen billigen USB Stick und besorge mir dann die private Kopie von jemand anderen. ist dann ja bereits bezahlt.

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