Start Politik E-Sport-Aktion: ‚Bayern zockt‘ – mit Steuergeldern

E-Sport-Aktion: ‚Bayern zockt‘ – mit Steuergeldern

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Bayerns Digitalminister Fabian Mehring (Freie Wähler) und BFV-Präsident Christoph Kern beim 'Bayern zockt'-Finale am 13. Juli in Augsburg (Foto: BFV / Simone Hörmann)
Bayerns Digitalminister Fabian Mehring (Freie Wähler) und BFV-Präsident Christoph Kern beim 'Bayern zockt'-Finale am 13. Juli in Augsburg (Foto: BFV / Simone Hörmann)

Mit 450.000 € subventioniert der Freistaat das E-Sport-Programm „Bayern zockt“ entlang der Fußball-EM. Das Projekt hat von Anfang an Fragen aufgeworfen. Es sind nicht weniger geworden.

Als „perfektes Match“ aus E-Sports, Fußball und Ehrenamt würdigte Bayerns Digitalminister Fabian Mehring (Freie Wähler) im Vorfeld das Projekt ‚Bayern zockt‘ in Kooperation mit dem Bayerischen Fußballverband (BFV) entlang der UEFA Euro 2024.

Unter dem Motto „E-Sport trifft auf Fußballvereine im Rahmen der EM 2024“ sollten zwischen Mitte Juni und Mitte Juli „die Konsolen glühen“, so Mehrings Hoffnung und Erwartung.

Das Bayerische Staatsministerium für Digitales ließ sich deshalb nicht lumpen: Dem Fußballverband wurde für die Durchführung ein Budget von fast 450.000 € zur Verfügung gestellt. Woher stammt dieser ebenso plötzliche wie überraschende Geldsegen? Schließlich taucht der Posten im Doppelhaushalt 2024/25 (PDF) nirgends auf. Ein Ministeriums-Sprecher verweist auf Nachfrage auf ein eigens geschaffenes „EM-2024-Sonderbudget“.

Bayern zockt: Skepsis bei E-Sport-Verbänden

Wenn ein Bundesland eine solch gewaltige Summe für den E-Sport locker macht, sollte man annehmen, dass die ‚Szene‘ vor Freude durchdreht. Doch das Gegenteil war der Fall. Kritik kam gerade von Verbänden und Ehrenamtlichen, die unterjährig um jeden Cent kämpfen – und um Anerkennung. Denn anders als Kaninchenzüchter- und Karnevalsvereine gelten E-Sport-Vereine nach wie vor nicht als gemeinnützig, im klaren Widerspruch zu Koalitionsverträgen.

Bei den E-Sport-Interessensvertretungen – deren Expertise bei der Planung und Durchführung unberücksichtigt blieb – stieß der Alleingang von „Games-Minister“ Mehring und Fußballverband daher auf wenig Begeisterung. Der E-Sport-Bund Deutschland ätzte: „Für ein EM-Happening mal eben knapp eine halbe Million rauszuhauen, kann weder nachhaltig noch fördernd für den lokalen E-Sport sein.“

Das Ministerium reagierte erkennbar enttäuscht – man hätte sich dann doch etwas mehr Rückendeckung für das Projekt gewünscht, das im Kern aus drei Komponenten besteht, von denen zwei mittlerweile abgearbeitet wurden:

  • 30 Online-Qualifikations-Events (‚EM-Cups‘) auf der ‚Turnier-Plattform‘ Bayern-zockt.gg, die von der Fußballverbands-Tochter BFV Service GmbH betrieben wird
  • ein Final-Event am 13. Juli in einer Business-Loge der WWK-Arena des FC Augsburg – praktischerweise Heimat und Wahlkreis des Digitalministers
  • eine flankierende E-Sport-Roadshow zu zehn bayerischen Fußballvereinen („Team Nights“) – ebenfalls koordiniert von der Verbands-Tochter. Für den Auf- und Abbau des Gaming-Equipments („mind. sechs Stationen“) sind jeweils 15 Mitarbeiter veranschlagt.

Bayern zockt: Wie viele Teilnehmer haben wirklich mitgespielt?

Fast vier Wochen sind seit der Europameisterschaft und seit dem „Bayern Zockt“-Finale in Augsburg vergangen – Zeit für eine vorläufige Bilanz, wie sinnvoll die Steuermittel tatsächlich eingesetzt wurden.

Diese Frage hat sich auch Moritz Merker gestellt: Der hauptberufliche E-Sport-Experte hat aus Neugier und professionellem Interesse alle öffentlich zugänglichen Datensätze abgeglichen.

Merker kommt bei seiner umfangreichen Analyse (liegt der Redaktion vor) zu dem Ergebnis, dass sich in Summe bayernweit kaum mehr als 111 einzelne Personen an den Qualifikationsspielen beteiligt haben können – die Finalisten logischerweise bereits eingerechnet.

Dabei waren laut Pressemitteilung vom 10. Juni allein für die Vorrundenspiele „ca. 1.000 Teilnehmer“ eingeplant. Dass selbst diese Latte gerissen wurde, hat Gründe:

  • Von 30 geplanten Qualifikations-Turnieren haben nur 26 tatsächlich stattgefunden – die meisten waren nicht ansatzweise ausgelastet. Gleiches gilt für die ‚Open Cups‘ in Kooperation mit Influencern.
  • Unter anderem hielt man es für eine gute Idee, die Termine parallel zu den Begegnungen der Nationalmannschaft anzusetzen.
  • Den knapp 600 verfügbaren Plätzen an den ‚EM-Cups‘ lassen sich nur rund 260 Teilnehmer zuordnen – davon wiederum etwas mehr als 100 ‚einzigartige‘ Nutzernamen. Sprich: Ein- und dieselben Stammspieler haben zulässigerweise mehrmals teilgenommen.

Die Erkenntnisse aus Merkers Turnier-MRT will das zuständige „eFootball-Team“ auf Nachfrage weder bestätigen noch dementieren. Doch wie man es auch dreht und wendet: Ablauf und Ergebnisse von ‚Bayern zockt‘ sind – vorsichtig formuliert – ernüchternd, intransparent allemal:

  • Wer die Online-Spieltage gewonnen und die entsprechenden Sachpreise (‚EM-Trikots‘ und 25-€-Adidas-Gutscheine) abgeräumt hat, wurde nie kommuniziert. Die Übergabe sei teils erfolgt, teils gebe es noch „Lieferschwierigkeiten“.
  • Für das Finale sollen sich 64 Online-Spieler qualifiziert haben, 56 waren nach offiziellen Angaben vor Ort in Augsburg dabei – wer genau: ebenfalls unklar.
Der erst 13jährige Robert Brysik ('FOKUS_Robi') gewinnt das 'Bayern zockt'-Finale in Augsburg (Foto: BFV / Simone Hörmann)
Der erst 13jährige Robert Brysik (‚FOKUS_Robi‘) gewinnt das ‚Bayern zockt‘-Finale in Augsburg (Foto: BFV / Simone Hörmann)

Bayern zockt: „Unglaubliche Resonanz“

Verbands-Präsident Christoph Kern spricht unterdessen von „unglaublicher Resonanz“. Das Digitalministerium argumentiert zurückhaltender: Das Online-Turnier habe „Pilot-Charakter“ und sei trotz kurzer Bewerbungsphase „gut angenommen“ worden. Ansonsten sieht man den Bayerischen Fußballverband in der Verantwortung, der ja für „Umsetzung, Organisation und weitere Details“ zuständig sei.

Ungeklärt ist insbesondere die Frage, wie sich die staatlichen Zuwendungen von 450.000 € grob auf die einzelnen Bausteine – Online-Turniere, Vor-Ort-Finale, ‚Team Nights‘, Sachpreise – verteilen. Zu solchen „Vertragsdetails“ wolle und könne man keine Auskünfte erteilen, leider.

Etwas auskunftsfreudiger ist das Ministerium gegenüber der Plattform ‚Frag den Staat‘: So seien für Konzeption, Erstellung und Umsetzung der Turnierplattform Kosten von 25.000 bis 28.000 € angefallen – 10 Prozent (also ~ 45.000 €) entfallen außerdem auf Leistungen der verbandseigenen BFV Service GmbH.

Nach Abzug dieser Posten und selbst bei großzügig aufgerundeter Kalkulation für Catering, Gewinne, Logistik etc. verbleibt immer noch ein riesiges Delta – für das nach wie vor keine Erklärung vorliegt, erst recht keine schlüssige. Mehrere Gelegenheiten, die Karten auf den Tisch zu legen, blieben ungenutzt.

Mysterium EA Sports FC 24

Auch an anderer Stelle blieben Fragen offen – und zwar von Anfang an: Dass bei ‚Bayern zockt‘ EA Sports FC 24 praktiziert wird und nicht etwa League of Legends oder Fortnite oder Konamis eFootball, erfuhren potenzielle Teilnehmer erst im Kleingedruckten – und die Presse auf Nachfrage.

Weder in der Pressemitteilung noch auf der Projekt-Website („Bayern zockt – es geht los“ / „Das Projekt erklärt!“) wird das Fußball-Spiel auch nur mit einer Silbe erwähnt. In nachgelagerten Verlautbarungen ist verschämt von „EA FC 24“ die Rede – gemeint ist aber natürlich EA Sports FC 24.

Dass der E-Sport-Titel in der Kommunikation so gut wie keine Rolle spielt, dürfte Gründe haben. Denn der US-Hersteller Electronic Arts setzt enge Grenzen für die kommerzielle Auswertung. Insbesondere dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, der Publisher sei offizieller Partner, Sponsor oder gar Co-Veranstalter. Das „Final-Preisgeld von 2.000 €“ bleibt daher auch knapp unter der Bagatellgrenze, die Electronic Arts für ‚Community-Turniere‘ eingezogen hat.

Auch bei der Verknüpfung des Turniers mit der Heim-Fußball-EM bewegen sich Verband und Ministerium erkennbar auf dünnem Lizenz-Eis: Logos, Pokale und Marken im Zusammenhang mit der UEFA Euro 2024 tauchen nirgends auf.

Bayern zockt weiter

Im Ergebnis ist es dem Fußballverband via ‚Bayern zockt‘ bislang nicht gelungen, zumindest einen Bruchteil der 1,6 Millionen BFV-Mitglieder in den landesweit 4.400 Vereinen zu mobilisieren – trotz XXL-Budgets.

Was besonders bitter ist, weil die ursprünglichen Absichten ja sinn- und ehrenvoll anmuteten. Explizit die ‚Team Nights‘ sollen laut Digitalminister Mehring nicht nur „Fußballschuhe und Controller vor Ort in den Vereinen auf einzigartige Weise zusammenbringen“, sondern auch „wichtige Informationen zum Spiele- und Suchtverhalten sammeln“.

Das Digitalministerium weist mit einigem Nachdruck darauf hin, dass das Projekt ja noch gar nicht abgeschlossen sei. Schließlich habe von den zehn budgetierten ‚Team Nights‘ bei bayerischen Vereinen ja erst eine einzige stattgefunden – nämlich im Vereinsheim des SV Heimstetten nahe München. Die 32 Teilnehmer machten die ausgelobten Sachpreise (PlayStation 5, PS5-Controller, 27″ Gaming-Monitor, Fußbälle, EM-Trikots, Trainings-Equipment) unter sich aus; auch „das leibliche Wohl der Spieler und Zuschauer“ sei nicht zu kurz gekommen.

Oder wie es der Fußballverband nennt: ein „voller Erfolg.“

Um das Ziel von „rund 1.000 Teilnehmern“ (wohlgemerkt: bei einem Einsatz von 450.000 €) doch noch zu erreichen, geht das Projekt nun kurzfristig in die Verlängerung – und zwar vom 1. bis 31. Oktober 2024. Womit sich endgültig kein EM-Kontext mehr herstellen lässt, der ja ursprünglich das „Sonderbudget“ im Haushalt begründete.

Das Motto lautet passenderweise: „Bayern zockt weiter.“

1 Kommentar

  1. Ich lese wirklich viele Nachrichten und es ist bezeichnend, daß dies der allererste Artikel ist, den ich überhaupt zu dieser „unter dem Radar“ Aktion wahrnehme. Und dann surfe ich die Seite an und die News sind im wesentlichen welche Mannschaft wann rausgeflogen ist. Also nicht in diesem Bayern Zockt Turnier sondern bei der EM. Wichtig, das genau hier zu erfahren!

    Your tax dollar at work!

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