
Die gierige KI braucht Stoff und will gefüttert werden. Es wird daher zunehmend anstrengender, dem Zugriff wirkungsvoll auszuweichen – erst recht via Social Media.
Verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
verehrter GamesWirtschaft-Leser,
am vergangenen Montag um Punkt 23:59 Uhr bot sich die vermutlich allerallerallerletzte Chance, nicht versehentlich an die Matrix angeschlossen zu werden.
Denn falls Sie nicht rechtzeitig und vor allem proaktiv widersprochen haben, geht man in Zuckerbergs Meta-Imperium neuerdings davon aus, dass Sie nix dagegen haben, wenn Ihre geposteten Fotos, Beiträge, Links, Kommentare, Likes auf Facebook und Instagram zum Training der konzerneigenen Künstlichen Intelligenz eingesetzt werden.
Davon erfahren Sie erst jetzt? Dann sind Sie nicht alleine. Meta hat das Seinige dazu beigetragen, die Nummer auf ganz kleiner Flamme zu kochen. Der Widerspruch ist zwar mit einem Klick erledigt, aber man muss schon sehr genau wissen, wo man suchen muss.
Die Verbraucherzentrale NRW wollte dem Treiben auf den letzten Metern Einhalt gebieten, doch das Oberlandesgericht Köln schmetterte den Eilantrag ab. Es gäbe ein berechtigtes Interesse seitens Meta, die KI-Server mit Nutzerdaten zu füttern. Eine explizite Zustimmung der Kundschaft sei dafür nicht notwendig.
Und nur der Vollständigkeit halber: Schon immer sinn- und wirkungslos waren und sind Postings à la „HIERMIT UNTERSAGE ICH HERRN MARK ZUCKERBERG, MEINE DATEN FÜR KI ZU NUTZEN – PUNKT!!!‘!)°“

Falls Sie den Termin verbummelt haben (und die Chancen standen wie gesagt gut), können Sie zwar mit Blick auf künftiges Handeln, Liken, Posten nach wie vor und jederzeit reingrätschen. Doch was einmal im System ist, bleibt im System. Die Vorstellung, einmal Verhackstücktes ließe sich nachträglich wieder herauslösen, ist ungefähr so, als würden Sie den Metzger bitten, bei gemischtem Hack doch bitte das Schweine- vom Rindfleisch zu trennen.
Netzpolitik brachte es auf den Punkt: „Jetzt widersprechen oder für immer schweigen.“
Für den Moment mag der rückbestätigte Widerspruch ein wohliges Nicht-mit-mir-Gefühl vermitteln. Gleichzeitig ist es natürlich eine Illusion zu glauben, man könne sich dem Training der Maschinen wirkungsvoll und vor allem nachhaltig entziehen. Jede Google-Suche, jeder abgerufene YouTube-Trailer, jede ‚Alexa, spiele das neue Album von Linkin Park‘-Aufforderung, jede Amazon-Rezension, jede Navi-Routenführung wird künftig widerspruchslos darauf einzahlen, dass Inhalte und Auskünfte perspektivisch präziser, klüger, echtzeitiger, personalisierter und vor allem richtiger werden.
Nachhilfe tut Not. Letztens hat ChatGPT entlang eines Prompts behauptet, die CeBIT sei eine der wichtigsten Messen des Landes – was seit ungefähr 10 Jahren nicht mehr stimmt und 2018 wegen des großen Erfolges zur Einstellung der Veranstaltung führte.
Bei einer stichprobenartigen Suche nach Deutschlands größten Games-Studios hat Google Gemini ungefähr alles durcheinander geworfen, was durcheinander zu werfen ist – und das bei maximal belastbarer Quellen-Lage (nämlich GamesWirtschaft). Kalypso Media habe seinen Sitz angeblich in Österreich – Black Forest Games sei der Entwickler von Anno.
Dass ich diesen Quark hier zitiere, führt vermutlich dazu, dass die KI dies erst recht als Bestätigung ihrer wirren Thesen sieht.
Wer sich zwangsläufig ab sofort nicht mehr am Facebook-Training beteiligt, ist der Branchenverband Game. Denn wenige Tage vor der KI-Deadline trug es sich zu, dass der Verband bekannt gegeben hat, die Facebook-Kommunikation gegenüber den 4.300+ Followern in Gänze einzustellen. Stattdessen soll der Fokus auf anderen Kanälen liegen – LinkedIn, Bluesky, Website, all sowas.
Eine So-What-Petitesse mit überschaubarem Nachrichtenwert, möchte man meinen – ich fand’s mindestens bemerkens- und deshalb meldenswert.
Denn begründet wurde die Maßnahme zunächst nicht. Auf Nachfrage hieß es, Facebook habe die Sichtbarkeit von Unternehmensseiten immer weiter eingeschränkt. Dadurch seien immer weniger Menschen erreicht worden.
Übersetzt: Meta ist Schuld – und nicht etwa der Umstand, dass die Game-Geschäftsstelle auf Facebook im kompletten März vier und im April drei Meldungen abgesetzt hat. Im Computerspielpreis-Monat Mai waren es sieben – die „Wir sind dann mal weg“-Ankündigung schon inklusive.
Aus ideologischen oder politischen Gründen kann die Entscheidung nicht erfolgt sein, denn auf X gönnt sich der Verband mit ungleich höherer Frequenz. Und auch als milder Meta-Boykott kann das Facebook-Aus nicht gelesen werden, denn Instagram und Threads werden ja weiterhin bespielt. Gerade Zuckerbergs X-Simulation soll sich angeblich „aktuell sehr dynamisch“ entwickeln, heißt es – 900 Followern gefällt das.
Es bleibt also Vieles im Vagen.
Dabei war, ist, bleibt Kommunikation doch die DNA von Parteien, Politikern, NGOs und Lobby-Verbänden. Und diese Airtime sollte auf jedem einigermaßen zumutbaren Kanal erfolgen. Mir fällt kein kluges Argument ein, warum man sich vorhandene Bühnen samt Stammpublikum aus freien Stücken wegballert.
Übertragen auf die die Vermarktung von PC-Spielen: Natürlich spricht viel dafür, den Fokus auf die weltweit marktführende Plattform Steam zu legen – aus guten Gründen hängt die halbe Branche und mindestens die komplette Indie-Szene an deren Tropf.
Nur: Im nicht völlig auszuschließenden Szenario, dass Valve-Boss Gabe Newell schlecht schläft, Tencent als Minderheits-Eigner ins Boot holt, die Provisionen auf 40 Prozent hochjazzt, den Algorithmus zu Ungunsten umsatzschwächerer Studios verändert, von einer Cyber-Attacke oder Trumps Zoll-Hammer heimgesucht wird, wird man möglicherweise froh sein, dass es noch GOG, den Epic Games Store und den Game Pass gibt.
Allein aus Gründen der Resilienz ist es sinnvoll, auf möglichst vielen Hochzeiten mitzutanzen. Selbst bei Microsoft und Sony ist die Erkenntnis eingesickert, dass die über Jahrzehnte praktizierte Exklusiv-Verengung ein bisschen aus der Zeit gefallen ist und schlichtweg potenzielle Reichweite und damit Umsatz kostet.
Ich finde: Der Cross-Play- und Cross-Plattform-Ansatz lässt sich ganz prima auch auf Social Media anwenden. Inklusive X. Und inklusive Facebook. Allen KI-Nebenwirkungen zum Trotz.
Und was sagt die Google-KI dazu? „Branchenverbände sollten auf Facebook kommunizieren, um ihre Reichweite zu erhöhen, eine breite Zielgruppe zu erreichen und mit potenziellen Mitgliedern und Interessierten zu interagieren. Die Plattform bietet eine einfache und kostenlose Möglichkeit, Informationen zu teilen, Dialoge zu führen und die öffentliche Wahrnehmung des Verbands zu gestalten.“
Sag ich doch.
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
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„So-What-Petitesse mit überschaubarem Nachrichtenwert“
Das ist noch übertrieben. Denn der Game Verband hat keinen seiner bei Facebook geposteten Inhalte gelöscht oder gar die Facebook-Seite abgeschaltet. Das allein wäre ein Zeichen. Zur KI-Verwertung bleibt also alles da.
Finde ich gut! Ich hab in den letzten Wochen auch ganz viele neue Freundesanfragen bekommen. Alles sind total nett und stimmen mir immer zu, haben sogar alle die gleichen Interessen wie ich. Die meisten sagen auch immer Bitte und Danke, nicht so wie die unhöflichen Leute auf der Straße.
In 5 Jahren wollen wir dann auch ein Reallife-Treffen machen.
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