Start Meinung Schöne Grüße aus Cringe-Hausen (Fröhlich am Freitag)

Schöne Grüße aus Cringe-Hausen (Fröhlich am Freitag)

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Künstliche Intelligenz (Abbildung ähnlich)
Künstliche Intelligenz (Abbildung ähnlich)

Ist Künstliche Intelligenz die Zukunft oder der Untergang des Abendlands? Berechtigte Frage, aber kennen Sie schon diese superknuffigen ChatGPT-Action-Figuren?

Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

das Zeitfenster zwischen ‚Cool‘ und ‚Cringe‘ ist erfahrungsgemäß ausgesprochen klein – und es schließt sich rasend schnell.

Schön beobachten ließ sich dieser Prozess in den vergangenen beiden Wochen, als Blisterpackung-Action-Figuren praktisch nahtlos den vorherigen Trend (Studio Ghibli-Memes) ablösten. Auf Social Media – Facebook, LinkedIn, X, Threads, WhatsApp, you name it – war kein Durch- und Vorbeikommen.

Sie liegen richtig mit der Vermutung, dass ich der Versuchung nicht widerstehen konnte – schuldig im Sinne der Anklage.

So richtig fresh und ‚cool‘ waren die geprompteten Spielzeug-Figuren allerdings nur so lange, wie sich Friends and Family fragten: „OMG, das ist ja mal super-cute … wie macht man sowas?!“. Eine Frage, die einem ChatGPT rasch beantworten konnte: mit ChatGPT.

In der Sekunde, in der Kai Pflaume auf seinem Instagram-Kanal darüber referiert oder bild.de es auf die Startseite wuppt, hat das Phänomen den ‚Cool‘-Bahnhof verlassen und ist bereits unterwegs in Richtung Cringe-Hausen. Was Baumärkte, Radiosender und Kaffeeröster trotzdem nicht davon abhielt, auf den in voller Fahrt befindlichen Zug aufzuspringen.

Mein Mann kommentiert solche Vorgänge üblicherweise trocken mit: „Fidget Spinner“ – in Anlehnung an die kugelgelagerten Handkreisel, die vor einigen Jahren einen Sommer lang an Schulhöfen und Bushaltestellen rotierten. Ab dem Zeitpunkt, als sich Discounter und Spielwarenläden in Erwartung gigantomanischer Umsätze ausreichend bevorratet hatten, war die Party auch schon wieder vorbei.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Ghibli-Adaptionen und Action-Figuren sind nicht die ersten und ziemlich sicher nicht die letzten Phänomene ihrer Art. An beiden Fällen lassen sich abermals die kratertiefen Gräben ablesen, mit denen Künstliche Intelligenz die Menschheit und auch die Games-Branche samt Publikum spaltet. Denn auf jedes gepostete Bild kommen statistisch mindestens 23,5 % an Kommentaren, die darauf verweisen, dass damit weitere Sargnägel in den auskömmlichen Unterhalt von Künstlern und Kreativen gerammt werden.

Generative KI hat damit die Digitalfotografie, Photoshop, App-Foto-Filter, WoW-Sweatshops, Autotune und das Milli-Vanilli-Playback als gesellschaftlich geächtete Trickserei abgelöst. Das sehe ich auch an jenen freundlichen Hinweisen, teils wüsten Beschimpfungen, sobald ich diese Kolumne mit einer KI-Illustration bebildere (DMs sind hiermit offen).

Dabei beschäftigt mich das Thema sehr – schon allein aus beruflichen und damit ganz egoistischen Motiven. Denn natürlich bleibt mein Gewerbe nicht verschont von KI-Sprachmodellen, im Gegenteil.

Ich teile zwar nicht den Fatalismus des Apotheken Umschau-Chefredakteurs, der vor ein paar Tagen mit den Worten zitiert wurde: „Googles Gemini wird uns zerstören“. Und mit ‚uns‘ meinte er den Reichweiten-Journalismus. Aber ich bin nicht blind und registriere natürlich mit einer gewissen Anspannung, wie Google auch ‚meine‘ Zahlen und Recherchen und Analysen und Auswertungen und Tabellen und Rankings und FAQs und Interviews per KI aufbereiten und zusammenfassen und remixen lässt und die zugrundeliegende Quelle bestenfalls noch in einer Fußnote verlinkt. Wenn überhaupt. Schönen Dank auch.

Man kann in Echtzeit zugucken, wie das in jahrelangem Trial-and-Error erworbene, geheime Druiden-Wissen der SEO-Gelehrten im Begriff ist, rapide an Wert zu verlieren – analog zum Knowhow, wie man Blei-Buchstaben perfekt auf einer Druckerplatte aneinander reiht.

Denn wer sich ehrlich macht, weiß: Eine möglichst konkrete Antwort auf eine konkrete Google-, Siri-, Alexa-, Copilot-Frage reicht den meisten Usern völlig – mir geht es ja selbst genauso. Der ‚Umweg‘ über Wikipedia, Blogs, Komplettlösungs-Websites & Co. entfällt immer öfter.

Noch regt sich Widerstand: Seit Mittwoch klagt der Deutsche Journalistenverband (DJV) gegen die Süddeutsche Zeitung, weil sich der Verlag von seinen freien Autoren offenkundig weitreichende Rechte mit Blick auf die Anschlussverwendung in KI-Tools einräumen lässt – ohne dass die Verfasser sich dagegen wehren könnten. Urheberrechte seien keine Ramschware, die man billig einkaufen und endlos verwerten dürfe, heißt es vom DJV. Viel Glück dabei.

Es ist natürlich nicht der erste Tsunami, der da kurz- und mittelfristig auf uns zurollt: In lebhafter Erinnerung sind mir hitzige Verlags-„Strategie-Meetings“, in denen etwa das berühmte Hubert-Burda-Zitat von den „lousy pennies“ rauf und runter konjugiert wurde, die sich angeblich mit Gratis-Journalismus im Netz verdienen ließen. Stellt sich raus: Burda hat zuletzt lousige 3 Milliarden Euro umgesetzt. Trotz Google. Eher: dank Google.

Die Geschwindigkeit, mit der KI die Medien- und Werbe-Branche erfasst hat, ist brutal und atemberaubend – in Social Media, im TV, auf YouTube ohnehin, aber auch auf Plakaten, Verpackungen, Anzeigen. Selbst in Aldi-Projekten heißt es neuerdings an vielen Stellen: „Mit KI generiert“.

Nicht alle teilen die Begeisterung. In dieser Woche gab es überdurchschnittlich viel Daumen-hoch-Zustimmung für eine vergleichsweise profane Gamescom-Meldung, wonach in der Artist Area ausschließlich Eigenkreationen zulässig sind – KI-Generiertes ist explizit ausgeschlossen. Was in der Praxis zu der paradoxen Situation führen wird, dass schon zwei Meter hinter der KI-freien Artist Area die ChatGPT-Area beginnt.

Denn die Games-Industrie ist längst infiltriert – und wer mit CEOs, Marketing-Leuten und Game-Designern spricht, stellt verblüfft fest, dass KI in ungefähr allen Produktions-Prozessen schon viel, viel tiefer eingesickert ist, als viele Endverbraucher dies vermuten, hoffen oder wünschen.

So werden Gebäude, Figuren oder Items einmal vom Art Director vorgegeben und in 3D modelliert – und dann via Prompt in zig Varianten reproduziert. Die beste Version gewinnt. Am Schluss geht der Grafiker noch mal mit grobem Photoshop-Schleifpapier drüber – fertig ist die Laube.

Wie gesagt: Ich habe maximales Verständnis für jeden, der sich damit unwohl fühlt, der das rundherum ablehnt und/oder eine sehr konkrete Gefahr sieht, dass mit eigenen oder fremden Kreativleistungen (Text, Foto, Grafik, Animation, Musik etc.) eine Maschine gefüttert wird, die in absurdem Tempo immer bessere und passgenauere Ergebnisse in Premium-Qualität für Fast-Umme liefert.

Umgekehrt kann ich mir auch kein Szenario vorstellen, bei dem beispielsweise Spiele-Entwickler – egal ob Indie-Startup, Mittelständler oder Konzern – aus freien Stücken sagen: „Ach komm, war ne doofe Idee mit dieser KI – lass uns die Games-Entwicklung wieder langsamer, komplizierter und teurer machen.“

Am Ende geht es schlicht um Wettbewerbsfähigkeit. Und deshalb kann es für Sie, für mich, für uns alle maximal darum gehen, abseits der offensichtlichen Effizienz-Steigerung einen stabilen Umgang mit Risiken und Nebenwirkungen zu finden.

Ein fantastisches XXL-Oster-Wochenende und viel Erfolg beim Eiersuchen wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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10 Kommentare

  1. KI ist da, es lohnt sich nicht dagegen zu wehren – wie sich einige der zumeist älteren Mitbürger auch noch versuchen gegen das Internet zu wehren. Ist nunmal jetzt erfunden, wird sich nicht wegignorieren lassen! Dadurch werden Arbeitsplätze verloren gehen und einige Menschen wenn nicht sogar ganze Branchen werden sich anpassen müssen. War schon immer so, lässt sich nicht ändern! Ich erinnere mich noch daran wie sich der Einzelhandelsverband darüber beklagt hat, dass das Internet und allen voran Amazon ihnen ja die Existenzgrundlage wegnimmt. Ergebnis: Der stationäre Einzelhandel ist noch nicht ausgestorben sondern hat sich vielerorts angepasst.

    Die Frage ist nun wie damit umzugehen ist. Ich für meinen teil wäre für verstehen lernen – denn das haben einige Kritiker bis heute nicht – und dann das beste daraus machen. KI ist keine Urheberrechtsverletzung par excellence sondern ein matehmatisches Modell. Es speichert nicht den Inhalt des ganzen Internets sondern passt in vielen hunderttausenden von Durchläufen Zahlen mit Trainingsdaten an. Am Ende haben wir eine große Maschine, die nichts anderes tut als Ergebnisse vorherzusagen. Ob das nun ein ChatGPT oder andere generative KIs sind, intelligent ist da nichts – diese Automaten können einfach bloß gut raten!

    Was kann man als Kreativtreibender da tun? Sich damit auseinandersetzen! KI eröffnet viele Wege neues zu erschaffen und dabei nicht auf Entwicklungszeit oder ein großes Budget angewiesen zu sein. Es eröffnet gerade solchen Menschen die Möglichkeit ihre eigenen Werke zu erschaffen, die nicht gut vernetzt sind und nicht per quid pro quo – du machst mir 2-3 Artworks, dafür helfe ich dir mit deinem Gameplayscript in Unity – ihre Grafiken, Sounds oder Texte bekommen können oder nicht über das nötige Talent verfügen großartige Storys zu schreiben. Trotzdem können solche Menschen über kreatives Potential verfügen und ich bin ehrlich gesagt ziemlich froh, dass es diese Werkzeuge gibt und Kreativität kein Gut ist, dass sich nur ausgebildete Fachkräfte leisten können!

    Seien wir mal ehrlich, geht es darum Geld zu verdienen oder geht es eher um die Angst, dass jetzt auch Menschen kreativ sein können, die zuvor auf Grund etwaiger Umstände ihre Ideen nicht umsetzen konnten? Sind wir so verbohrt, dass wir bloß keine „fachfremde“ Konkurenz, das nächste Manor Lords, Dorfromantik oder palworld wollen? Bloß nicht weiterentwickeln sondern auf dem sperrlichen Erfolg ausruhen? Das empfände ich als sehr traurig für „die Kreativschaffenden“!

  2. das man als Chefredakteurin sowas raushaut, finde ich ein bisschen beschämend, denn a) ist nichtvjede Prozess KI die in Games genutzt wird auch nur ansatzweise mit ChatGPT Sprachmodellen vergleichbar, und b) ist die Idee von geberierten Grafiken, über die man „schnell nochmal drübergeht“ komplett Blödsinn und weitreichend widerlegt. Bevor man sowas „zum Spaß“ ausprobiert sollte man sich viel eher mit so Dingen auseinandersetzen wie woher ChatGPT denn gescrapr hat, also welcher echte Künstler denn ungefragt abgezogen wurde, und sich mit den Energiekosten auseinandersetzen, die ChatGPT verursacht. Sowas alles nicht zu beurteilen ist nämlich echt cringe.

    • Danke für das Feedback. Gleichwohl bitte ich um Verständnis, dass ich im Rahmen einer Kolumne nicht den kompletten KI-Beipackzettel auffächern kann – inklusive der absolut relevanten Energiekosten-Komponente und eben dem im Beitrag thematisierten ‚ungefragten Abziehen‘ von ‚echten Künstlern‘. KI-Prozesse im Sinne von Tools sind ja schon deutlich länger im Einsatz, sei es bei Übersetzungen, im Support, in der QA usw. Aber auch die Nutzung von KI-Sprachmodellen ist gelebte Praxis – es *wird* generiert, und nicht zu knapp und in fast allen Gewerken.

      Petra Fröhlich
      GamesWirtschaft

  3. Tja, eigentlich war der Plan ein anderer: die AI nimmt uns lästige und profane Denkarbeit ab, sodaß wir uns mehr denn je mit Kunst, Literatur und anderen geistig anregenden Tätigkeiten beschäftigen können.
    Tatsächlich verbleiben nun aber die trivialen Aufgaben bei uns, da AI weder die Wäsche machen kann, noch für uns die Wohnung aufräumt und putzt.

    • Find die Befürworter Bubble wirklich immer sehr putzig und die Vergleiche die immer gezogen werden nahezu grandios. Aber mir scheint nur die älteren Semester und gerade die, die sich als Arbeitgeber verstehen sind dem Hype nahezu vollumfänglich erlegen – Wirklich „Besser™️“ wird es allerdings für niemand wirklich.

      • Naja, ‚besser‘ wird es natürlich schon. Triviales Beispiel: Noch vor wenigen Jahren war es ein Höllenaufwand, aufgezeichnete Interviews händisch zu transkribieren – da ging gerne mal ein Vormittag drauf, erst recht beim Übersetzen englischsprachiger Quellen. Es sind rein handwerkliche Tätigkeiten, die schlichtweg Zeit kosten. Und diese Zeit kann man natürlich für Sinnvolleres einsetzen – gerade als Arbeitnehmer oder Selbstständiger.

        Von einem ‚Hype‘ würde ich nicht (mehr) reden. Dafür sind die Tools bereits zu sehr verbreitet. Und ja, sehr schnell werden ganze Geschäftsmodelle und Berufsbilder nicht mehr auskömmlich funktionieren, weil zu langsam oder zu teuer.

        Petra Fröhlich
        GamesWirtschaft

  4. Echte Kunst bleibt mehr als effiziente KI-Produktion. Wenn Entwickler Effizienz über kreative Tiefe stellen, geht etwas Wertvolles verloren. Das darf – und muss – weiter kritisch hinterfragt werden, egal wie sich die Branche entwickelt.

    • Interessanter Einwand: Also kaufst du grundsätzlich keine Spiele, die mit Effizienz statt kreativem Tiefgang punkten – also so ziemlich alle Neuerscheinungen der letzten 6 Monate wenn nicht sogar seit Baldur’s Gate 3 in 2023? Wenn du das jetzt mit ja beantwortest – meinen tiefsten Rehspeck – ansonsten solltest du deine heuchlerische Einstellung mal überdenken!

      Mindestens, aber nicht ausschließlich alle AAA Games der letzten Jahre sind auf effizienz getrimmt. Es wird abgewogen ob man ein kreatives Feature einbauen doer lieber auf Nummer Sicher gehen, um den Gewinn zu maximieren. Es werden tausende von Mitarbeitern entalssen um die Effizienz zu steigern und ein Budget festgelegt bis wohin Kreativität sich noch rechnet.

      Und komm mir jetzt nicht mit „ja so war das ja gar nicht gemeint“! Spiele sind schon lange keine Kunst sondern ein hochvermarktetes, gewinnorientiertes Massenprodukt

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