Start Meinung Hilfe, Corona ist vorbei (Fröhlich am Freitag)

Hilfe, Corona ist vorbei (Fröhlich am Freitag)

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In der Corona-Phase ist der Umsatz mit Mobilegames - hier: Idle Bank Tycoon - auf neue Rekordhöhen geklettert (Abbildung: Kolibri Games)
In der Corona-Phase ist der Umsatz mit Mobilegames - hier: Idle Bank Tycoon - auf neue Rekordhöhen geklettert (Abbildung: Kolibri Games)

Die Games-Industrie hat während der Corona-Phase extrem gut verdient – jetzt stehen der Branche anstrengende Monate bevor.

Verehrte GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

damit’s da kein Vertun gibt: Natürlich ist Corona nicht vorbei. Was vorbei ist, sind die rituellen Corona-Blöcke in Talk-Shows und Nachrichten, in denen zweieinhalb Jahre lang über Inzidenzen, den amtierenden R-Faktor, Fallzahlen, Lockerungen und Hotspots diskutiert und referiert wurde. Und die Maskenpflicht in Zügen, die ist auch vorbei. Nur in Lauterbachs Behörde ist noch FFP2 vorgeschrieben – wegen Vorbildfunktion und so.

Ansonsten erkranken natürlich weiterhin Menschen an Covid-19, Tag für Tag, überall im Land, auch in der Branche (gute Besserung und schnelle Genesung von dieser Stelle!). Umgekehrt werden Sie sicher genügend Personen kennen, an denen die Seuche bislang wundersamerweise spurlos vorbei gegangen ist.

Letztens hat meine vor sich hin schimmelnde Corona-Warn-App mal wieder angeschlagen – nur sieben Tage nach einem Konzertbesuch. Ein echter Mehrwert lässt sich daraus beim besten Willen nicht mehr ableiten.

AHA-Regeln, 2G+, Lockdowns, Luca, Kunden-pro-Quadratmeter-Obergrenzen im Handel, MP-Konferenzen, Drosten-Podcasts – alles zu irgendeinem Zeitpunkt sicher mal für 15 Minuten alternativlos, aber gefühlt eben auch ein halbes Jahrhundert her. Dabei wurde der allererste Corona-Fall in Deutschland gerade mal vor ziemlich genau drei Jahren aktenkundig, Ende Januar 2020. Patient #1: ein Mitarbeiter eines Autozulieferers, der sich im Meeting-Raum bei seiner chinesischen Kollegin angesteckt hat – Sie erinnern sich.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

In Summe ist es natürlich ein großer Segen, dass das Leben wieder (fast) ‚wie früher‘ gelebt werden kann: Corona hat vorerst den Schrecken verloren, andere Themen rücken in den Fokus.

In der Entertainment-Industrie hingegen herrscht so etwas wie ein mittelschwerer Post-Corona-Blues, wie sich in den Geschäftsberichten nachlesen lässt. Derzeit ist ja Quartals-Saison: Kein Tag vergeht, ohne dass börsennotierte Konzerne Zeugnis ablegen, wie das Weihnachtsgeschäft gelaufen ist.

Spoiler: nicht so dolle – mit Ausnahmen. Die großen Spiele-Brands rennen natürlich wie eh und je, aber viele Segmente stagnieren oder haben sich deutlich rückläufig entwickelt. Der Mobilegames-Markt ist zum ersten Mal geschrumpft. Warum? Weil sich das Zeit- und Geld-Budget der Verbraucher wieder auf den kompletten Markt der Möglichkeiten verteilt: Gastronomie, Tourismus, Kino, Sport, Events, die Stromrechnung. Kurzum: Die Menschen gehen wieder raus an die frische Luft.

Das ist schlecht fürs Geschäft der Games-Industrie, so viel Aufrichtigkeit sei gestattet. In gleicher Weise, wie Corona der Games-Industrie unerhoffte Zusatzerlöse beschert hat, ‚leidet‘ sie auch darunter, dass die Pandemie ausläuft (bitte immer und überall die An- und Abführungszeichen dazudenken – Sie wissen, wie’s gemeint ist).

Gerade in den Corona-Jahren 2020 und 2021 hat die Flut alle Boote gehoben: Kaum ein Spiele-Produzent, der nicht von der Covid-19-Sonderkonjunktur ‚profitiert‘ hätte – Umsatz, Absatz, Downloads. Soweit man das über einen Virus sagen kann, der nicht nur Abifeiern, 80. Geburtstage, Einschulungen, Fernreisen und andere Once-in-a-lifetime-Pläne hat platzen lassen, sondern eben auch so vielen Menschen das Leben gekostet hat.

Publisher und Studios räumen jedenfalls (inzwischen) ganz offen ein, dass die kommerziellen Nebenwirkungen der Pandemie aus monetärer Sicht schon ganz nice waren – analog zu Streaming-Diensten, Kochboxen-Lieferanten und Brettspiel-Herstellern:

  • Nintendo etwa spricht mit Blick auf die Saison 2020/21 wörtlich von einem „Corona-Boost“, durch den die Nachfrage der Kunden nach Nintendo-Produkten „im Rahmen der Pandemie und der damit verbundenen Lockdowns“ deutlich angestiegen sei – was sich „sehr positiv auf die Umsatzzahlen des zurückliegenden Geschäftsjahres 2020/21“ ausgewirkt habe.
  • Bei Take-Two stellt man fest, dass das Unternehmen „von den Ausgangsbeschränkungen und Geschäftsschließungen im Zuge der COVID-19 Pandemie“ profitiert habe, weil die Menschen mehr Zeit zu Hause verbracht hätten und somit die Nachfrage nach den Produkten gestiegen sei.
  • Das Geschäft von InnoGames in Hamburg hat die Pandemie nicht negativ beeinflusst: „Ganz im Gegenteil – wir konnten insbesondere im Frühjahr des abgelaufenen Geschäftsjahres in dem bestehenden Produktportfolio eine Zunahme von neuen Spielern, eine gesteigerte Aktivität von täglichen Nutzern und auch einen Anstieg des Kaufs von Premiumvorteilen feststellen.“
  • Gameforge in Karlsruhe lässt wissen, dass sich „die Entwicklungen der Corona-Pandemie bisher positiv auf den Geschäftsverlauf der Gesellschaft ausgewirkt“ haben. Die „verbreiteten Lockdown-Maßnahmen“ im 1. Quartal 2021 hätten für einen um 33 Prozent höheren Umsatz gegenüber Vorjahr gesorgt.
  • Ubisoft bilanziert für das Geschäftsjahr 2021/22: „Der deutsche Games-Markt profitierte weiterhin von der Pandemie und verzeichnete einen Gesamt-Umsatzsprung von 17 Prozent.“
  • Der Branchenverband Game jubelt im Jahresreport 2021, dass so viele Menschen in Deutschland „wie noch nie“ spielen: „Einer der Gründe hierfür liegt auch in den eingeschränkten Kontaktmöglichkeiten während der Corona-Pandemie.“

Die Beispiele lassen sich seitenweise fortsetzen.

Jetzt, da diese Sonderfaktoren nun schon seit geraumer Zeit wegfallen, stellt sich mit Blick auf 2023 die Frage: Und nu‘?

Erstens: Seit Wochen ist zu besichtigen, dass die Firmen scharf bei den Personalkosten reagieren. Die Belegschaft, die in den vergangenen 24 Monaten aufgebaut wurde, wird jetzt peu à peu wieder abgeschichtet: bei Microsoft, bei Google, bei Meta, bei Amazon, bei Disney, bei Take-Two.

Ich würde zweitens vermuten, dass auf absehbare Zeit tendenziell kleinere Wetten eingegangen werden, weil das Flop-Potenzial steigt. Portfolios dürften radikal gestrafft werden – im Zweifel wird man Reißleinen schneller ziehen und Studio-Kapazitäten zusammenlegen. Darauf deutet auch die große Zahl an Projekt-Stopps in den vergangenen Wochen hin.

Und Deutschlands Games-Studios? Da kann man eine Kerze ins Fenster stellen, dass der Staat als Co-Finanzierer einspringt und Risiken abfedert. Ohne die Zuschüsse in dreistelliger Millionen-Höhe wäre es im aktuellen Umfeld erheblich komplizierter (wenn nicht unmöglich), größere Projekte zu stemmen. Interessant wird, ob und wie die inzwischen enorme Abhängigkeit von skandinavischen, britischen, französischen Mutterkonzernen – deren Aktienkurse brutal unter Druck stehen – durchschlägt.

Immerhin: Die Entspannung an der Corona-Front kommt nun jenen zugute, die in den vergangenen Jahren besonders gelitten haben – Veranstalter. Acht von zehn unserer diesjährigen ‚GamesWirtschaftsWeisen‘ sind daher aus guten Gründen zuversichtlich, dass die Gamescom-Besucherzahlen im August wieder an alte 300.000-plus-x-Bestmarken anknüpft. Ich gehör‘ auch dazu – das Hotel ist längst gebucht.

Ein sonniges Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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