Start Meinung PS5-Faceplates: Das bisschen Plastik (Fröhlich am Freitag)

PS5-Faceplates: Das bisschen Plastik (Fröhlich am Freitag)

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PlayStation 5 Faceplates (hier: Galactic Purple) kosten ca. 55 Euro (Abbildung: Sony Interactive)
PlayStation 5 Faceplates (hier: Galactic Purple) kosten ca. 55 Euro (Abbildung: Sony Interactive)

Ladestationen, Kabel, Faceplates und anderes Zubehör sind für Konsolenhersteller nicht einfach nur ein nettes Zusatzgeschäft – sondern Teil des Geschäftsmodells.

Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

das, was Sony Interactive ab Januar 2022 für unverbindlich empfohlene 54,99 € in den Laden stellt, ließe sich für handwerklich geschickte Bastler auch mit einer Dose Sprüh- oder Effektlack aus dem Baumarkt für roundabout 7,95 € umsetzen. Denn künftig wird man die serienmäßig weißen Seitenflügel der PlayStation 5 gegen (patentierte) Modelle in Cosmic Red, Nova Pink, Starlight Blue, Galactic Purple oder Midnight Black austauschen können.

Die Ankündigung des Listenpreises hat beim gewohnt kritischen Social-Media-Publikum für mindestens hochgezogene Augenbrauen gesorgt. 55 Mäuse? Für „das bisschen Plastik“? Wo doch die Hightech-Konsole selbst schon ab 400 € zu haben ist?

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
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Wer die Gepflogenheiten im Markt kennt, konnte schon im Vorfeld ahnen, dass diese sogenannten Faceplates nicht für 20 € oder zu einem vergleichbaren Preis der Nächstenliebe verkauft werden. Denn „das bisschen Plastik“ ist zusammen mit Spielen und Online-Diensten der eigentliche Hebel, der das Konsolengeschäft überhaupt erst zu einem substanziellen Business macht.

Schließlich ist mit der Konsole selbst wenig verdient. Mittlerweile soll Sony Interactive bei den Herstellungskosten der PlayStation 5 dezent im grünen Bereich liegen. Sprich: Die Kiste wirft Gewinn ab, und das schon innerhalb der ersten zwölf Monate nach Markteinführung. Das ist keine Selbstverständlichkeit – zuweilen dauert es mehrere Jahre, bis die Stückzahlen hoch und die Bauteile günstig genug sind, um mit jeder ausgelieferten Konsole nicht draufzuzahlen. Das galt auch schon vor der Pandemie.

Frag nach bei Microsoft: Der US-Konzern soll mit dem eigentlichen Verkauf von Xbox-Konsolen in 20 Jahren noch nie Geld verdient haben, wie am Rande des Apple-Epic-Games-Appstore-Disputs ans Licht kam.

Die eigentliche Konsole ist somit stets nur eine Art Dominostein, der – einmal angestupst – eine Fülle an Folge-Investitionen auslöst, und das über viele Jahre.

Konsolenhersteller stehen mehr denn je unter großem Druck, möglichst schnell eine gewisse Reiseflughöhe in Form der ‚installed base‘ zu erreichen, also eine Anzahl X an betriebsbereiten Spielstationen. Deshalb haben Microsoft, Sony und Nintendo ein vitales Interesse daran, dass jedes vom Band laufende Gerät umgehend in die Hände des Verbrauchers gelangt, der dann mit fröhlichem Herzen Ingame-Käufe tätigt, Saison-Pässe bucht, 80-€-Neuheiten herunterlädt und Ladestationen für 35 € UVP kauft.

Die gewaltigen Unterschiede bei den Hardware-Margen erklären auch, warum kaum ein Händler ‚die nackte Konsole‘ verkauft, sondern stets Zubehör und Spiele beipackt und daraus Bundles schnürt. Größerer Warenkorb, größere Spannen – what’s not to love. Die Pakete werden tendenziell immer üppiger: Bei Alternate wurde kürzlich die 1.000-€-Marke gerissen.

Dessen ungeachtet halten sich hartnäckig Verschwörungstheorien, Hersteller und Handel würden bewusst weniger Konsolen produzieren oder gar Paletten zurückbehalten, um die Nachfrage künstlich zu befeuern. Dabei lautet die Wahrheit: Die Nachfrage ist so echt, wie sie nur sein kann. Auch in dieser Woche wurden wieder Online-Shops lahmgelegt, weil sich im Netz das Gerücht verbreitet hatte, jeden Moment würden die PS5-Schleusen geflutet – letztlich ’nur‘ Fehlalarm.

Bei Otto.de vergingen gestern und heute Morgen handgestoppte 120 Sekunden zwischen Freischaltung und Ausverkauf verschiedener PS5-Bundles. Es ist ein Irrsinn, immer noch.

Deutlich interessanter als die erwartbar sportliche Preisgestaltung der farbigen Wechsel-Cover finde ich die Vertriebs-Strategie von Sony Interactive: Denn ausgewählte Faceplates und Controller-Neuheiten werden einen Monat lang exklusiv im hauseigenen Online-Shop angeboten, ehe Versender und Elektronikmärkte einsteigen dürfen.

PlayStation Direct wurde erst im November in Europa gestartet, unter anderem in Deutschland und im Vereinigten Königreich. Die konzerneigenen Umsatzerwartungen machen deutlich, wie groß die Ambitionen sind. Wäre ich Händler, würde mich diese Entwicklung umtreiben, zumal schon jetzt Konsolen für den Direktvertrieb abgezwackt werden, während einzelne Handelspartner seit Monaten nicht beliefert wurden. Und bei schnöden Faceplates dürfte es kaum bleiben – nächster Halt: limitierte PS5-Sondermodelle, womöglich schon zu Horizon 2 im Februar.

Die Eingangsfrage, ob 55 € für „das bisschen Plastik“ angemessen sind, wird jedenfalls jeder PlayStation-5-Besitzer für sich selbst beantworten müssen – genauso wie sich Apple-Kunden selbstkritisch fragen, ob 25 € für ein 1 Meter langes USB-Ladekabel nicht doch minimal übertrieben sind.

Ansonsten hilft nur der Griff zur Sprühdose.

Ein schönes Advents-Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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