Der Schwierigkeitsgrad zieht noch einmal unerwartet an: Corona hat Mitteleuropa weiterhin im Griff, mehr denn je. Der Winter wird hart.
Verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
verehrter GamesWirtschaft-Leser,
noch vor vier Wochen hätten die allerwenigsten für vorstellbar gehalten, dass wir heute da stehen, wo wir stehen: nämlich in der schwierigsten Lage seit Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020. Ein vergleichsweise unbeschwerter Sommer mit niedrigen Fallzahlen, Urlaubsreisen, Konzerten und pickepackevollen Stadien hat die Illusion genährt, der Spuk sei vorbei, zumindest perspektivisch.
Jetzt sitzt die Nation wieder vor TV, Notebook und Smartphone und wird Zeuge, wie sich Kanzlerin respektive Kanzler plus ein Rudel Ministerpräsidenten und Landeshauptmänner über Beschlussvorlagen beugen, die unser aller Leben betreffen. Die Aussichten auf glühweinschwangere Weihnachtsmärkte und -feiern sind schon in den vergangenen Tagen beinahe stündlich geschwunden.
Es fühlt sich ein bisschen so an wie in The Last of Us 2, wo man mit allerletzter Kraft, kaum noch Munition und null Medikits ein Heer von Gegnern übersteht – nur um dann festzustellen, dass vor dem Level-Ausgang noch ein viel fieserer Brocken patrouilliert. Anders als im Spiel gibt es in der Realität leider keinen Spielstand, den man laden könnte, um sich auf diese unkommode Situation besser vorzubereiten.
Jedenfalls: Die Hütte brennt. Und weil die Flammen aus dem pandemischen Dachstuhl schlagen, ist es wenig hilfreich, über zu wenige Rauchmelder, nicht ernst genommenen Qualm oder Feuerlöscher mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum zu lamentieren. Jetzt braucht es 20 bar aus allen Rohren, um wieder vor die Lage zu kommen: In Österreich gilt ab Montag ein mehrwöchiger Lockdown, in Deutschland drohen zunächst in einzelnen Bundesländern Ein- und Beschränkungen.
Was heißt das nun für die Games-Industrie im deutschsprachigen Raum?
Studios und Publisher fahren seit über einem Jahr und länger ausgefuchste Home-Office- und Distanz-Regelungen, die den Laden auch dann am Laufen halten, wenn die Büroräume verwaist sind. Home Office hat manchen Vorgang entschlackt, vereinfacht, beschleunigt. Andererseits: Je komplexer ein Games-Projekt, desto wahrscheinlicher sind Verzögerungen. Die Verschiebungs-Meldungen der vergangenen Wochen sind ein zarter Vorgeschmack auf das, was kommt. Beziehungsweise: nicht kommt. Zumindest nicht so schnell. Prognose: anstrengend, aber beherrschbar.
Für die Messe- und Event-Branche ist das Wiederaufflammen der Corona-Turbulenzen hingegen eine Vollkatastrophe. Aufgehobene Reisebeschränkungen und steigende Buchungszahlen wurden zuletzt als Pflänzlein der Hoffnung gewertet, das Geschäft könne 2022 wieder anlaufen. Auf der Website der Spielwarenmesse 2022 (2. bis 6. Februar) heißt es beispielsweise: „Allein spielen ist doof. Endlich wieder nach Nürnberg. Zeit für Neuheiten und echte Kontakte.“ Doch spätestens seit dieser Woche muss man zumindest ein dezentes Fragezeichen setzen, ob ein halbwegs regulärer Messebetrieb in wenigen Wochen realistisch möglich und vor allem: verantwortbar sein wird.
Und auch wenn noch einige Monate ins Land gehen, bis die ersten Großveranstaltungen, Konferenzen und Messen wie die Gamescom 2022 anstehen: Substanzielle Budget-Entscheidungen fallen jetzt und rund um den Jahreswechsel, gerade bei Großkunden.
Eingangs der heißen Phase des Weihnachtsgeschäfts dürften sich zudem tiefe Sorgenfalten beim stationären Handel eingraben. Bereits die dritte Welle vor einem Jahr hat zu einer massiven Beschleunigung der Umsatzverschiebung in Richtung Online-Shops und Versandhandel gesorgt – in vielen Fußgängerzonen lassen sich nach wie vor leere Schaufenster besichtigen. Mindestens in Österreich werden daher zwangsläufig wieder die Click & Collect-Nofallpläne aus der Schublade geholt.
Wir lernen: Wir stehen abermals vor einer unerquicklichen Adventszeit, die den Menschen, dem Gesundheitswesen und der Wirtschaft (und damit natürlich auch der erweiterten Games-Branche) große Anstrengungen abverlangen wird.
Doch wenn uns Team-Multiplayer-Games eines gelehrt haben, dann dies: erstens Ruhe bewahren, zweitens entschlossen handeln, drittens nicht verzagen und vor allem: zusammenhalten.
Ein schönes Wochenende (trotz allem) wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
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