Start Meinung Augen auf beim Spielekauf (Fröhlich am Freitag)

Augen auf beim Spielekauf (Fröhlich am Freitag)

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Wer sich für die Far Cry 6 Collector's Edition entscheidet, erhält eine Replica-Ausgabe des Flammenwerfers Tostador (Abbildung: Ubisoft)
Wer sich für die Far Cry 6 Collector's Edition entscheidet, erhält eine Replica-Ausgabe des Flammenwerfers Tostador (Abbildung: Ubisoft)

Die Vorbestellung von Spielen ähnelt immer mehr fortgeschrittener Hütchenspielerei: Wer nicht ganz genau aufpasst, erlebt böse Überraschungen.


Update vom 5. September 2021: Sony rudert zurück: Noch am Donnerstag wurde klar kommuniziert, dass es explizit keine PS5-Upgrade-Option für Vorbesteller der PS5-Version von Horizon: Forbidden West geben wird. Am Samstag hat PlayStation-Boss Jim Ryan via Blog-Eintrag nachgereicht, dass dies nun doch möglich ist – und zwar kostenlos (Details + Überblick). Bei künftigen Sony-eigenen Titeln wird eine Upgrade-Gebühr von 10 Dollar fällig.


Verehrte GamesWirtschaft-Leser
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

der ‚Tostador‘ ist 72 Zentimeter lang und besteht aus sieben Bauteilen inklusive Gasflasche; eine Aufbau- und Bedienungsleitung ist inklusive. Dahinter verbirgt sich ein mächtiger Flammenwerfer, der aussieht, als wäre er direkt einem Tarantino- oder Gebrüder-Coen-Streifen entsprungen.

Dieser Tostador – zu deutsch: ‚Bräter‘ oder ‚Röster‘ – wird ab dem 7. Oktober in der Collector’s Edition von Ubisofts Ego-Shooter Far Cry 6* ausgeliefert, zusammen mit allerlei anderem Nippes (Aufkleber, Schlüsselanhänger, Kartenmaterial, Pipapo) und natürlich dem eigentlichen Spiel. 200 Euro will Ubisoft für diesen Karton haben.

Sicherheitshalber weist der Hersteller darauf hin, dass es sich um eine „nicht funktionstüchtige, ausgedachte Replik für die private Zurschaustellung“ handelt. Dieser Flammenwerfer kann also in Wirklichkeit gar keine Flammen werfen. Trotzdem könnte der Tostador zum Beispiel von einem Polizisten für eine echte Waffe gehalten werden, weshalb der Gewehrlauf mit einem orangefarbenen Stöpsel abgedichtet ist – eine Art Lebensversicherung in der Hoffnung, dass der Beamte den Verschluss auch auf 10 Metern Entfernung korrekt interpretiert.

Wer auf die irre Idee kommt, den Tostador „entgegen aller ausdrücklichen Warnungen“ im öffentlichen Raum mitzuführen, solle AUF KEINEN FALL besagten orangefarbenen Laufverschluss entfernen. Der Benutzer haftet vollständig, sollte er bei etwaiger Zweckentfremdung ernsthaft oder tödlich verletzt werden – so steht es wortwörtlich in der Beschreibung.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
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Ubisofts Tostador ist nur ein weiteres Exempel eines seit Jahren laufenden Überbietungswettbewerbs der Publisher, um möglichst viele Spieler zur Vorbestellung eines Spiels zu motivieren – wohlgemerkt für Produkte, bei denen (anders als bei Konsolen) kein Mangel dräut. Schließlich spricht ja absolut nichts dagegen, am Release-Tag in den Elektronikmarkt des Vertrauens zu marschieren und dort das Spiel von der Palette zu pflücken.

Den Spieleherstellern – und offenbar auch ihrer Kundschaft – ist es indes zunehmend wichtig, diesen Kaufvorgang möglichst lange im Voraus einzutüten. Deshalb werden immer schrägere Limited / Deluxe / Special / Digital / Ultimate / Collector’s Editions aufgelegt, deren Zusammensetzung an digitalen und physischen Extras sich oft fundamental unterscheidet.

Die Folge: Wer als Kunde nicht ganz genau und sorgfältig das Kleingedruckte studiert, tätigt ärgerliche Fehlkäufe.

Aktuelles Beispiel: der seit gestern vorbestellbare PlayStation-Blockbuster Horizon: Forbidden West*, der am 18. Februar 2022 – also in fast einem halben Jahr – auf den Markt kommt. Also: wenn bei den niederländischen Entwicklern alles nach Plan läuft.

Wie in vielen anderen Fällen gilt: Augen auf beim Spielekauf. Wer sich die Standard Edition oder Special Edition für PlayStation 4 holt, kann später nicht zur PlayStation 5-Fassung wechseln – selbst gegen Aufpreis nicht, zumindest Stand heute. Günstigste Variante für Plattform-Hopper: die Digital Deluxe Edition, die es exklusiv im PlayStation Store gibt.

Falls Sie sich das Spiel in die Vitrine stellen und die Upgrade-Option haben möchten, müssen Sie zwingend die 230 Euro teure Collector’s Edition oder die selbstverständlich binnen Minuten vergriffene Regalla Edition wählen. Listenpreis: 300 Euro. Ebay-Tarif: vermutlich höher.

Funfact: In den üppigen Kartons der beiden Luxus-Ausführungen befindet sich zwar eine metallene Schmuckschatulle (Steelbook) zur Aufbewahrung einer Spiele-Blu-Ray-Disc, doch der dazugehörige Datenträger wird gar nicht mitgeliefert. Stattdessen liegt lediglich ein Zettel mit Gutschein-Code bei, der sich zum Release im PlayStation-Store einlösen lässt.

Der Grund dürfte in den langen Vorlaufzeiten für solche Sammlerausgaben liegen, die viele Wochen vor der eigentlichen Auslieferung produziert, konfektioniert und eingelagert werden. Und da die Kunden am Day One erfahrungsgemäß ohnehin gigabyte-weise Updates herunterladen dürfen, kann man den Installationsprozess auch gleich komplett als Download anlegen.

PlayStation-5-Besitzer, die das Spiel unbedingt auf Disc haben wollen (welchen Sinn sollte sonst das Laufwerk der 500-Euro-Konsole haben?), müssen stattdessen oder zusätzlich die Standard Edition (80 Euro) oder die Special Edition (90 Euro) … Hallo, sind Sie noch da?

Egal ob Call of Duty: Vanguard, Far Cry 6, FIFA 22, Battlefield 2042 oder eben Horizon 2: Die Vorbestellung von Spielen ähnelt immer mehr fortgeschrittener Hütchenspielerei – wer als Spieler nicht aufpasst wie ein Luchs und sorgsam abwägt, kann böse Überraschungen erleben. Der Witz: Selbst bei der jeweils teuersten Variante ist keinesfalls gewährleistet, dass man auch wirklich die komplette Ladung bekommt.

Dass der Collector’s-Edition-Irrsinn wieder zurückgedreht wird, davon ist nach Lage der Dinge nicht auszugehen. Spezialausgaben sind ein lohnendes Geschäft, sorgen für mediale Aufmerksamkeit und tun dem Handel was Gutes, der bei rein digitalem Vertrieb das Nachsehen hätte. Und der Kunde freut sich, dass er sein Spieleregal aufwerten kann – selbst wenn das edel schimmernde Steelbook exakt keinen Sinn ergibt.

Aber immer dran denken: AUF KEINEN FALL den orangefarbenen Stöpsel entfernen!

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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1 Kommentar

  1. Und ich dachte schon, ich bin wieder der Einzige, der da nicht mehr durchsteigt.
    Aber zusammenfassend nehm ich mit: keine Stöpsel ziehen!
    Vielen Dank Frau Fröhlich für Ihre wie immer informative, unterhaltsame und mit unter lebensrettende Kolumne 🙂

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