Start Meinung Die Macht der Fans (Fröhlich am Freitag)

Die Macht der Fans (Fröhlich am Freitag)

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Der FC Barcelona gehörte zu den Gründungsmitgliedern der umstrittenen Super League (Abbildung: Konami Digital Entertainment)
Der FC Barcelona gehörte zu den Gründungsmitgliedern der umstrittenen Super League (Abbildung: Konami Digital Entertainment)

You’ll never walk alone: Nicht zuletzt das Super-League-Aus ist ein Beleg, dass zahlende Kunden immer noch Unheil verhindern können – wenn sie es wirklich wollen.

Verehrte GamesWirtschaft-Leser,

gerade einmal 48 Stunden hat die sogenannte Super League seit Bekanntgabe am Sonntagabend überlebt, dann war diese Schnapsidee auch schon wieder beerdigt.

Zur Erinnerung: Zwölf europäische Spitzen-Klubs – darunter Real Madrid, Manchester United, der FC Liverpool, der FC Barcelona und Juventus Turin – hatten sich auf eine in sich geschlossene Franchise-Liga ohne die Mühsalen einer sportlichen Qualifikation verständigt, also nach dem Vorbild von US-Profiligen wie der NBA oder NFL. Zwangsläufige Konsequenz: Statt David gegen Goliath hätte in den Stadien sehr häufig Goliath gegen Goliath stattgefunden.

Die Konkurrenz-Veranstaltung zur Champions League wäre von der Großbank JP Morgan vorfinanziert worden und hätte den vielfach hochverschuldeten Klubs viele Milliarden Euro in die Kassen gespült. Der FC Bayern München und Borussia Dortmund hatten gerade noch rechtzeitig durchblicken lassen, dass sie auf gar keinen Fall an so einem Projekt teilnehmen würden.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Was die Super-League-Erfinder samt der Klub-Besitzer (Scheichs, Oligarchen, US-Milliardäre) sehr offenkundig völlig unterschätzt hatten, war der massive Widerstand bis hinein in die Spitzenpolitik. An vorderster Front rebellierten Mitglieder, Fans, Trainer, Spieler, Manager, Verbände und man darf annehmen: Sponsoren und Werbepartner. So twitterte Bierbrauer Heineken: „Don’t drink & start a league. Enjoy Heineken responsibly. Proud sponsor of Champions League since 1994.“

Kleinlaut zogen die Gescholtenen zu Kreuze: Nach gründlicher Analyse sei man zu der Erkenntnis gelangt, doch nicht an der Super League partizipieren zu wollen. Bitte gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen. Klub-Verantwortliche mit Restwürde rangen sich zum Eingeständnis eines Fehlers oder gar zu einer Entschuldigung durch.

Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich: Wie kann es sein, dass regional tief verwurzelte Weltmarken mit überwiegend mehr als 100jähriger Tradition davon ausgehen, sie könnten eine solch gravierende Änderung von Wettbewerbsbedingungen heimlich und klamm um- und durchsetzen und ihre Zielgruppe vor vollendete Tatsachen stellen? Gab es ernsthaft die Erwartung, die Fans würden vor Freude ausflippen, Woche für Woche die immer gleichen Paarungen erleben zu dürfen?

Im ungleich kleineren Maßstab passieren derartige (Fehl-)Einschätzungen natürlich täglich, in jeder Branche. Erst in dieser Woche musste Sony-Interactive-Chef Jim Ryan einräumen, dass der Online-Store für die 15 Jahre alte PlayStation 3 „nach reiflichen Überlegungen“ doch nicht geschlossen wird. Man habe „die falsche Entscheidung getroffen“.

Ähnlicher Fall beim Mitbewerber: Microsoft hatte Ende Januar angekündigt, die Preise für den Online-Dienst Xbox Live Gold massiv zu erhöhen – der Monatsbeitrag wäre von 6,99 Euro auf 8,99 Euro gestiegen, bei unveränderter Leistung. Drei Tage später dann der Rückzieher: „Wir haben gestern einen Fehler gemacht und ihr lagt mit eurer Kritik vollkommen richtig. Mit Freunden zu spielen und mit ihnen verbunden zu sein, ist ein wichtiger Teil des Gamings. Wir haben dabei versagt, die Erwartungen derer, die für uns am meisten zählen, zu erfüllen.“

Seitdem kostet Xbox Live Gold wieder 6,99 Euro – die Preiserhöhung ist abgeblasen, vorerst.

Dabei muss und wird es für all diese Maßnahmen gute Gründe gegeben haben – technische, strategische, aber vor allem: finanzielle. Man darf außerdem davon ausgehen, dass Sony und Microsoft an ihrer Entscheidung festgehalten hätten, wenn die Shitstorms weniger intensiv ausgefallen wären. Schließlich kann man Unpopuläres erfahrungsgemäß auch mal ein paar Tage, Wochen oder Monate stumpf aussitzen – selbst dann, wenn es sich um Nationalheiligtümer wie die Nutella-Rezeptur handelt.

Bleibt die Frage: Wie kommt es zu solchen vermeidbaren PR-Stunts? Nach meinem Eindruck gibt es einen sehr konkreten Ursprung – und der sitzt meist im oder zumindest unweit des Controllings. Wenn Rendite-Erwartungen für einzelne Produkte, Marken, Abteilungen oder ganze Standorte nicht (mehr) den Mindeststandards genügen, dann werden früher oder später Optionen gewogen. Meist fällt die Wahl auf die plumpsten, aber nicht zwingend intelligentesten Lösungen. Wenn diese Lösung dann entweder gar nicht oder nicht ordentlich erklärt und argumentiert wird, entsteht bei Belegschaft, Partnern oder Kunden der eher ungünstige Eindruck: ‚Hier will sich jemand die Taschen vollmachen – und zwar auf meine Kosten.‘

Die nicht so gute Nachricht für Fußball- und Konsolen-Freunde: Die Interims-Rückzieher werden nicht verhindern, dass der PlayStation-Store für PS3-Besitzer nicht doch eines fernen Tages geschlossen wird. Auch nicht die Xbox-Live-Gold-Preiserhöhung (oder deren endgültige Xbox-Game-Pass-Verheiratung) – und vermutlich noch nicht mal eine Art Super League.

Umso beruhigender: Protest wirkt. Immer noch. Wenn den Fans ein Thema wirklich wichtig ist, dann haben sie mehr denn je die Macht, Unheil doch noch abzuwenden, zumindest vorübergehend.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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