Start Meinung Wie im Flug (Fröhlich am Freitag)

Wie im Flug (Fröhlich am Freitag)

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Auslaufmodell
Auslaufmodell "Innerdeutscher Flug": Corona als Beschleuniger überfälliger Entwicklungen.

Mal eben für ein Meeting nach London? Corona lässt Geschäftsreisen als das erscheinen, was sie allzu oft sind: eine Verschwendung von Zeit und Ressourcen.

Verehrte GamesWirtschaft-Leser,

wenn man der Pandemie überhaupt etwas Positives abgewinnen kann, dann den Umstand, dass Fehlentwicklungen korrigiert und gleichzeitig erstrebenswerte Vorgänge beschleunigt werden, wie in einem Zeitraffer.

Prozesse und Entscheidungen, die unter ’normalen Umständen‘ möglicherweise Jahre oder gar Jahrzehnte benötigt hätten, legen plötzlich den Turbo-Modus ein.

Beispiel: Viel zu lange hat die Politik achselzuckend hingenommen, dass es an Deutschlands Schulen nur dann fließend Wasser gibt, wenn’s reinregnet. Jetzt kann die Ausstattung mit WLAN, Tablets und kontaktlosen Seifenspendern gar nicht schnell genug vorangehen.

Oder Thema Home-Office: Vielerorts hingen Beschäftigte ihren Chefs in den Ohren, doch bitte zumindest ab und zu einen Tag zu Hause arbeiten zu dürfen, wenn das Kind zahnt oder sich der Handwerker im Zeitfenster zwischen 6:30 und 19 Uhr ankündigt. Oft vergeblich: Nur ein physisch anwesender Angestellter ist ein guter Angestellter. Dort, wo möglich, ist Heimarbeit mittlerweile das neue Normal – die wenigsten dürften der stundenlangen Pendelei im Rush-Hour-Konvoi hinterhertrauern.

Oder nehmen wir Geschäftsreisen: Auch in der Games-Branche war es bis vor wenigen Monaten üblich und selbstverständlich, mit dem Handgepäck-Trolly regelmäßig für Routine-Meetings nach London, Berlin oder Paris zu jetten. Die Reisebewegungen ließen sich in den sozialen Medien besichtigen: Waren beispielsweise Treffen der Gamescom-Gremien in Köln anberaumt, wurden Facebook, Twitter und Instagram mit Terminal- und Landeanflug-Fotos geflutet. Köln-Bonn, the place to be. Jetzt wird das Nötigste halt per Zoom und Skype abgestimmt.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Die Folgen sind freilich dramatisch – nicht nur für die Konferenzkeks-verarbeitende Industrie. Noch vor einem Jahr wirkte die Baustelle des demnächst eröffnenden Motel One direkt an der KoelnMesse auf mich, als würde hier nicht weniger als eine Goldgrube ausgehoben. Jetzt nicht mehr. Denn: Selbst wenn man unterstellt, dass zumindest ein Teil dieser Events und Meetings wieder offline stattfindet, wird die Braucht’s-das-wirklich-Frage nicht wieder weggehen.

Einige Industriezweige antizipieren aus guten Gründen, dass selbst schnelle medizinische Fortschritte nicht zwingend das Rad zurückdrehen werden: So hat die Lufthansa den konzerneigenen Piloten-Azubis vorsorglich dringend ans Herz gelegt, sie mögen doch bitte einen anderen Berufsweg einschlagen.

Vom Geschäftsmodell zum Auslaufmodell, und das in wenigen Monaten: Fürs gleiche Ergebnis hätten Thunbergs Mitstreiter vermutlich noch jahrelang fröhlich am Freitag durch Fußgängerzonen marschieren müssen.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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