Start Meinung Fröhlich am Freitag 41/2019: Das wird man ja wohl noch sagen dürfen

Fröhlich am Freitag 41/2019: Das wird man ja wohl noch sagen dürfen

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Mit Formaten wie der
Mit Formaten wie der "Overwatch League" zählt Blizzard Entertainment inzwischen zu den global größten eSport-Anbietern (Foto: Blizzard)

Meinungsfreiheit? Super-gerne! Aber nur, solange sie im Sinne des Unternehmens ausfällt. Was der Fall Blizzard Entertainment lehrt.

Verehrte GamesWirtschaft-Leser,

könnte es die Chefetage des FC Bayern München achselzuckend hinnehmen, wenn ein Spieler – sprich: Angestellter – während eines TV-Interviews die Menschenrechts-Situation des Groß-Sponsors Katar kritisiert?

Wie hätte der Bundestrainer damit umgehen sollen, wäre ein Nationalspieler während der Fußball-WM 2018 in Russland auf die (zugegebenermaßen unwahrscheinliche) Idee gekommen, die Annexion der Krim durch den Gastgeber zu thematisieren?

Und würde „Fortnite“-Hersteller Epic Games eingreifen, wenn ein eSportler, Kommentator oder Influencer während eines Turniers die „Befreiung Hongkongs“ fordert und damit den chinesischen Hauptaktionär Tencent Holdings brüskiert, der fast die Hälfte der Epic-Anteile hält?

Zumindest Letzteres lässt sich klar beantworten: Epic-Games-CEO, -Gründer und -Immer-noch-Mehrheits-Aktionär Tim Sweeney hätte nach eigener Aussage kein Problem damit – weil: Meinungsfreiheit.

Nicht ganz so entspannt sah man das in dieser Woche bei Blizzard Entertainment („Overwatch“, „Starcraft 2“, „World of Warcraft“): Das US-Studio, an dem Tencent ebenfalls beteiligt ist, hat den taiwanesischen eSportler „Blitzchung“ suspendiert und dessen Preisgelder zurückbehalten. Denn der junge Mann hatte aus Blizzard-Sicht gegen die wachsweichen, willkürlich anmutenden Teilnahmebedingungen verstoßen, wonach es strengstens verboten ist, das Unternehmen in Verlegenheit oder Misskredit zu bringen – in diesem Fall durch ein politisches, noch dazu china-kritisches Statement vor laufender Webcam im Umfeld eines „HearthStone“-Turniers.

Und man stellt sich die Frage, ob Blizzard genauso handeln würde, wenn Blitzchung ein pro-chinesisches Signal gesendet hätte.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Die Reaktion ist jedenfalls hart, denn de facto ist die „HearthStone“-Karriere des jungen Profis beendet. Wir reden also von einem Berufsverbot seitens des Rechte-Inhabers – soviel zum Thema „Ist eSport Sport?“.

Blizzards Ansinnen ähnelt der Strategie vieler Sportvereine und Konzerne: Wenn wir uns aus allen politischen Debatten konsequent heraushalten und uns neutral verhalten, dann … ja was? Ist alles gut?

So naiv kann niemand sein.

Denn wie jedes andere Unternehmen sendet auch Blizzard unentwegt politische Botschaften – was wird produziert, wie wird es produziert, von wem wird es produziert (und von wem nicht mehr), wo wird es produziert und angeboten?

Unterjährig ist es dem typischen Konsumenten natürlich weitgehend egal, wenn ein Unternehmen wie Tencent mittlerweile weite Teile der eSport-Disziplinen kontrolliert. Oder unter welchen Bedingungen und aus welchen Seltenen Erden ihr Smartphone zusammengeschraubt wird. Und dass Billig-Wurst selten mit sorgsamem Umgang mit Tieren, Menschen und Hygiene einher geht, fällt Verbrauchern erstaunlicherweise auch immer erst dann auf, wenn der nächste Einzelfall auftritt.


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Dabei ist doch offensichtlich, dass Milliarden-Umsätze in lupenreinen Demokratien wie Russland, Saudi-Arabien, Brasilien, China oder in der Türkei – auch – einen politischen und ethischen Preis haben. Gerade die Games-Industrie sieht in Märkten wie diesen zwangsläufig das größte Wachstums-Potenzial, dort wird am kräftigsten investiert, allen voran im Mobilegames-Bereich.

Die größten Games-Unternehmen der Welt sind überwiegend in Asien zu Hause (Quelle: Newzoo / Stand: April 2019)
Die größten Games-Unternehmen der Welt sind überwiegend in Asien zu Hause (Quelle: Newzoo / Stand: April 2019)

Dass Spielehersteller ihre Produkte und Kanäle frei von politischen, religiösen und weltanschaulichen Verlautbarungen und anderen Geschmacksverstärkern halten wollen, ist freilich nachvollziehbar, denn hierin liegt erheblicher Community-Sprengstoff. Gleichzeitig ist Sensibilität angebracht, weil das Publikum ansonsten zwangsläufig den Eindruck bekommen muss, dass demokratische Grundrechte – in diesem Fall: Meinungsäußerungen – unterdrückt und sanktioniert werden. Gerade dann, wenn man, wie im Falle von Blizzard, den Firmenwert „Every voice matters“ in den Eingangsbereich der Firmenzentrale meißelt.

Eines ist jedenfalls sicher: Sollte Blizzard sich vom Statuieren eines Exempels erhofft haben, dass Nachahmer abgeschreckt und von ähnlichen Stunts abgehalten werden, dann dürfte das exakte Gegenteil passieren. Twitch-Streamer werden sich solidarisieren, auf Twitter wird #BlizzardBoycott mit schöner Regelmäßigkeit trenden. Die Hausmesse Blizzcon am letzten Oktober-Wochenende dürfte spannend werden.

Streisand-Effekt at its best.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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