Robert Habeck stellt das Twittern ein – ein Luxus, den sich Spiele-Hersteller nicht erlauben können. Oder zumindest nicht sollten.

Fröhlich am Freitag 2/2019: Die wöchentliche Kolumne aus der Chefredaktion

Verehrte GamesWirtschaft-Leser,

derzeit hole ich die wunderbare deutsche Serie „Babylon Berlin“ aus dem Jahr 2017 nach. Das Klotzen-nicht-kleckern-Budget sieht man dem fertigen Produkt in jeder Kameraeinstellung an.

„Babylon Berlin“ spielt Ende der 20er Jahre in … nun ja … Berlin. Damals gab es, und das war mir auch neu, mehrere Dutzend Zeitungen an den Kiosken der Hauptstadt. Einige Blätter erschienen sogar mehrfach am Tag. Heißt: Für jede noch so schräge politische und gesellschaftliche Minderheit existierte ein maßgeschneidertes Medium, das Meinungen und Vorurteile nicht nur bediente und bestätigte, sondern zwangsläufig verstärkte.

Der damalige Berliner Zeitungsmarkt war somit ein Vorläufer der heutigen sozialen Medien, die bekanntermaßen als Echokammern oder „Filter Bubble“ fungieren. So zeigt der Facebook-Algorithmus bevorzugt Beiträge von Personen, Unternehmen, Medien und Parteien an, auf die der Nutzer in irgendeiner Weise reagiert – zustimmend, ablehnend, teilend, kommentierend. Wer die Funktionsweise in groben Zügen verstanden hat, kann es via Twitter zum US-Präsidenten bringen.

Den massiven Gegenwind auf ein missglücktes Twitter-Statement und den jüngsten Datenklau hat nun einer der beliebtesten Politiker des Landes zum Anlass genommen, seine Social-Media-Karriere zu beenden: Grünen-Chef Robert Habeck stellt das Twittern ein – parallel will Horst Seehofer im Spätherbst seiner Karriere damit loslegen.

Kurzatmig sei Twitter, gar spaltend, was wiederum auf sein Gemüt abfärbe. Für diese Begründung wurde Habeck vielfach gelobt, viel öfter aber kritisiert – zurecht, wie ich meine. Wenn jemand für ein Millionenpublikum Musik, Filme, Sport, Spiele oder eben Politik macht, dann ist mit mindestens zehn Prozent an Stinkstiefeln, Diplom-Zynikern, Grund-Beleidigten und notorischen Schlecht-Findern zu rechnen. Eher mehr. So will es das Gesetz.

Wer wüsste das besser als Games-Entwickler, bei denen ganze Community-Abteilungen mit dem Durchkärchern von Youtube-Kommentaren, Twitch-Chats und Foren beschäftigt sind, um zumindest justiziable Schmähungen und aufkeimende Shitstorms einzufangen. In den Fällen, wo das nicht oder nicht schnell genug gelingt, ist ein Eintrag in der Liste der am schlechtesten bewerteten Youtube-Videos ever gewiss – siehe die Ankündigung von „Diablo Immortal“ im November vergangenen Jahres.

Ja, soziale Medien sind oft unsozial, zuweilen asozial. Vom Berliner Zeitungsmarkt von vor hundert Jahren unterscheiden sie sich aber abseits vom Trägermedium allenfalls in einem Punkt: durch die Taktfrequenz. Das wird auch Robert Habeck über kurz oder lang einsehen, wenn er sich twitternd zurückmeldet: „Da bin ich wieder – war was?“

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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