Mit aller Macht drängen eSport-Turnier-Ausrichter ins Hauptprogramm großer Fernsehsender. Die Sponsoren finden’s gut – die Resonanz ist (noch) dürftig.

Fröhlich am Freitag: Die wöchentliche Kolumne aus der Chefredaktion

Liebe GamesWirtschaft-Leser,

die Kommentatoren der ersten Live-Übertragung eines hochdotierten eSport-Turniers bei ProSieben gaben sich erkennbar Mühe, ihre Zuschauer in der Nacht von Sonntag auf Montag a) wach und b) bei Laune zu halten. Gerade eingangs der Counter-Strike-Matches wurden die Grundlagen im Taktik-Shooter-Gewerbe immer wieder geduldig erklärt – etwa, warum eine CS:GO-Pistole durchaus Vorteile hat gegenüber einem wuchtigen MG. Oder warum sich Spieler mit dem Zukauf von Waffen und Ausrüstung zurückhalten, um in der nächsten Runde über mehr Budget zu verfügen.

Und trotz allem Bemühen bescherte diese Premiere den Veranstaltern bestenfalls okaye Quoten. Minimal besser lief es zuletzt bei eSport-Formaten auf Spartensendern, die eher nicht auf Platz 1 bis 20 einer handelsüblichen Fernbedienung zu finden sind – aber auch die eSport-Übertragungen auf Sport1 oder ProSieben MAXX verzeichnen nicht zwingend explodierende Einschaltquoten.

Warum ist das so? Vermutung: Der eSport ist einfach nicht fürs Fernsehen gemacht. Oder eben noch nicht.

Das fängt schon damit an, dass ein typischer „League of Legends“- oder „Dota 2“-Bildschirm bis unters Dach vollgepackt ist mit fitzeligen Symbolen, Anzeigen, Statistiken. Wer hier als Zuschauer so etwas wie Spaß erleben will, sollte möglichst im Stoff sein. Der regelmäßige TV-Quoten-Erfolg von nischigen Sport-Disziplinen wie Darts, Skispringen oder Biathlon ist ja unter anderem damit zu erklären, dass auch der Laie nach wenigen Minuten die Grundlagen versteht und mitfiebern kann. Und vor allem: jederzeit einsteigen kann.

Hinzu kommt: Die Abläufe in den meisten klassischen Sportarten lassen sich zu jedem Zeitpunkt gut überblicken, gerade aus der Vogelperspektive. Zudem konzentriert sich die Action meist auf einen zentralen Punkt: rund um den Ball oder eingangs des Läufer-/Fahrerfelds. Das ist bei Computerspielen mit ihren unterschiedlichen Blickwinkeln – oft eben auch aus der Ego-Perspektive – deutlich anspruchsvoller.

Beim Wohnzimmer-Fernseher-Gucken beraubt man sich um all das, was das Live-Erlebnis via Twitch so packend und erfolgreich macht, etwa den Chat mit Gleichgesinnten. Dort ist auch gewährleistet, dass die allermeisten Zuschauer sich bewusst für einen Kanal entscheiden und dadurch zumindest ein Minimum an Vorkenntnissen und Verständnis für Spielregeln, Spielzüge, Spielsituationen und Spieler mitbringen. Das ist beim mitternächtlichen, durch die Gegend zappenden Privatsender-Publikum eher auszuschließen.

Und nicht nur dort.

Allein in diesem Jahr habe ich locker ein Dutzend Veranstaltungen erleben dürfen, bei denen das Trend-Thema eSport einer interessierten Zuschauerschaft außerhalb von Mega-Events wie der ESL One nahegebracht werden sollte – große Konferenzen, Events, Festivals. Die Stimmung im Publikum oszillierte stets zwischen „Religions-Unterricht, sechste Stunde“ und einem Karnevalsumzug bei strömendem Regen, trotz fachkundiger Kommentierung.

Mein einschneidendstes Erlebnis: Bei einer Tagung duellierten sich „FIFA 17“-Profis des VfL Wolfsburg mit jenen von Schalke 04 eSports. Die Partie wurde auf einer großen Leinwand übertragen, der Ball flutschte hin und her, eine Torraumszene folgte auf die nächste. Nach etwa zehn Minuten fasste sich ein Zuschauer aus der hintersten Reihe ein Herz und formulierte stellvertretend für einen ganzen Saal: „Alles gut und schön, aber können Sie mal kurz sagen, was Sie da eigentlich machen?“

Wie gesagt: „FIFA 17“ – ein Fußballspiel. Was mir zeigte: Der elektronische Sport hat noch einen weiten Weg vor sich.

Die Frage bleibt: Warum muss etwas derart Erklärungsbedürftiges wie eSport eigentlich zwingend ins Fernsehen? Vermutlich, weil es geht. Irgendwie. Doch gerade eingefleischte Fans werden zugestehen: Monitor ist nicht gleich Monitor, gerade beim Thema eSport.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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