Start Wirtschaft Saudi-Arabien kauft Electronic Arts – und jetzt?

Saudi-Arabien kauft Electronic Arts – und jetzt?

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FIFA-Boss Gianni Infantino und Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman bei der Ankündigung des Esports World Cup 2024 (Foto: Saudi Press Agency)
FIFA-Boss Gianni Infantino und Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman bei der Ankündigung des Esports World Cup 2024 (Foto: Saudi Press Agency)

Für 55 Milliarden Dollar wird Electronic Arts in die Wüste geschickt: Saudi-Arabien kontrolliert einen der größten Games-Produzenten der Welt. Die Folgen: immens.

7,5 Milliarden Dollar Jahres-Umsatz, prächtige Renditen, stabiler Cashflow und Bestseller wie EA Sports FC und Madden NFL: Unter den börsennotierten Spiele-Herstellern galt und gilt Electronic Arts als Filetstück.

Doch auf der nach oben offenen Nestlé-Skala genießt der US-Konzern mindestens bei der Kernzielgruppe einen eher mittelguten Ruf, den das Unternehmen verlässlich bespielt – etwa durch die ungebremste Inverkehrbringung von Lootboxen und fahrlässigen Umgang mit Kult-Serien und Studio-Zukäufen.

Falls doch kreative Exzellenz stattfindet, ist sie allzu oft importiert – siehe Split Fiction oder Unravel.

In dieser Woche beginnt eine neue Zeitrechnung: Sofern die Kartellbehörden keine Einwände erheben, hat künftig ein Konsortium bei EA das Sagen – bestehend aus dem Staatsfonds PIF des Königreichs Saudi-Arabien (das bereits mit rund 10 % an EA beteiligt war) und den US-Investmentfirmen Silver Lake (Unity, Waymo) und Affinity Partners. Dessen CEO: Jared Kushner – Gatte von Ivanka Trump und damit Schwiegersohn des US-Präsidenten. Der saudische Staat hat 2024 mehr als 2 Mrd. $ in Affinity investiert.

Allein dadurch wird der Deal zum Politikum. Doch es geht noch weiter: Denn das Regime des Golfstaats belegt in Demokratie-Rankings nicht zwingend vordere Plätze. Allein bis Jahresmitte soll es nach Zählung von Amnesty International mehr als 180 Hinrichtungen gegeben haben. Meinungs-, Versammlungs- und Presse-Freiheit sowie Frauen-Rechte unterliegen engen Grenzen.

Wer es gut mit Saudi-Arabien meint und/oder auf der Gehaltsliste steht, verweist auf die staatliche Reform-Agenda und Milliarden-Investitionen in grüne Energie und Infrastruktur-Projekte. Vor den Toren der Hauptstadt Riad entsteht mit Qiddiya ein gigantischer Entertainment-Komplex mit Freizeitparks, Hotels, Formel-1-Strecke und einem ‚Gaming & Esports District‘.

Die Milliarden aus dem Gas- und Ö-Geschäft fließen in VIP-Transfers für die saudische Fußball-Liga, in Golf- und Box-Events oder in den Woltemade-Premier-League-Klub Newcastle. Die Funktionäre von FIFA und IOC sind Stammgäste in Riad. All diese Maßnahmen zahlen nicht nur auf das Konto der Königs-Familie ein, sondern dienen natürlich auch der Image-Pflege auf internationalem Parkett – Stichwort: Sports-Washing.

Das Land pumpt außerdem ungebremst enorme Summen in Beteiligungen und Übernahmen von Spiele-Herstellern und E-Sport-Veranstaltern – zuletzt Niantic (Pokémon Go!) und Scopely (Monopoly Go). Das Land gehört seit Jahren zu den Großaktionären von Nintendo, Take-Two, Capcom und Embracer.

Jetzt der vorläufige Höhepunkt: die geplante Übernahme von Electronic Arts.

Saudi-Arabien kauft Electronic Arts – was heißt das eigentlich?

Dass der US-Konzern gerade jetzt bei einer Bewertung von 55 Mrd. Dollar verkauft wird, werten Beobachter als Zeichen, dass Marktgröße und Geschäftsmodelle an Wachstumsgrenzen stoßen – und damit auch die Aktienkurse. Den Automatismus, dass Nachfolge-Spiele zwangsläufig mehr Kunden erreichen, gibt es schon lange nicht mehr. Die Communities verharren in ihren gewohnten Ökosystemen.

In der Folge erlebt die Videospiele-Industrie eine beschleunigte Marktkonsolidierung. Finanzstarke Tech-Konzerne und Staats-Holdings teilen den Markt unter sich auf: Microsoft, Tencent (China), Saudi-Arabien. Galt Electronic Arts jahrelang als potenzieller Jäger (etwa durch die Übernahme von Codemasters), wird das Unternehmen jetzt selbst zur Beute.

Doch welche Folgen hat die XXL-Akquise für den Spielehersteller und die Games-Industrie? Einige Beispiele:

1. Electronic Arts ist nicht länger an der Börse notiert

Seit mehr als 35 Jahren ist Electronic Arts ein börsennotierter Konzern. Das wird sich durch die angestrebte Privatisierung ändern: Wer EA-Aktien gekauft hat (egal zu welchem Zeitpunkt), kann sich über ein sattes Plus freuen, denn das Papier notiert auf dem Allzeithoch.

Für Electronic Arts entfallen künftig die strengen Berichtspflichten – auch der sonst branchen-übliche Quartals- und Release-Druck wird genommen. All die lästigen Fragen und Einordnungen von Analysten und Finanzpresse: passé.


2. Saudi-Arabien zementiert Vormachtstellung bei Sportspielen und E-Sport

EA Sports FC ist schon jetzt ein integraler Bestandteil der saudischen E-Sport-Events wie dem Esports World Cup – und wird künftig eine noch größere Rolle spielen, etwa mit Blick auf den Esports Nation Cup (2026) und die Olympic Esports Games (2027).

Im Bereich der Fußballspiele hat Saudi-Arabien via EA Sports FC künftig ein Quasi-Monopol – nur Konami (eFootball) spielt noch eine wahrnehmbare Rolle.

Dieser Einfluss reicht weit in die deutschen Verbandsstrukturen: Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) ist seit Jahrzehnten exklusiver Lizenzgeber für EA-Fußballspiele – der aktuelle Vertrag läuft bis 2027. Im Herbst startet die neue Saison der Virtual Bundesliga auf Basis von EA Sports FC – einem Format, an dem sich alle Bundesligisten beteiligen müssen. Auch der DFB ist enger Partner – etwa durch die Ausrichtung des DFB ePokals.

So sieht ein Double-Sieger aus: Levy Finn Rieck von RB Leipzig mit den VBL-Meisterschalen 2025 (Foto: DFL / Getty Images / Daniel Kopatsch)
So sieht ein Double-Sieger aus: Levy Finn Rieck von RB Leipzig mit den VBL-Meisterschalen 2025 (Foto: DFL / Getty Images / Daniel Kopatsch)

 


3. Katar raus – Saudi-Arabien rein: Wie reagiert der FC Bayern?

Nach fünf Jahren und massiven Fan-Protesten inklusive Mitgliederversammlungs-Revolten zogen der Rekordmeister und Qatar Airways einen Schlussstrich unter den lukrativen Sponsoring-Vertrag. Seitdem ist die Dubai-Fluglinie Emirates neuer ‚Platin-Partner‘ an der Säbener Straße.

Wie es der Zufall will, hat sich der Bundesliga-Tabellenführer über Umwege den nächsten umstrittenen Golfstaat als „offiziellen Partner“ an den Tisch geholt – nämlich EA Sports. Das Abkommen wurde erst im Juni öffentlich. Sichtbar wird die langfristige Kooperation unter anderem am In-Game-Comeback der Allianz-Arena und an EA Sports FC 26-Testimonial Jamal Musiala.

Die Basis wird sich nun fragen müssen, ob für Saudi-Arabien die gleichen Haltungs-Noten gelten wie für Katar.

FC Bayern-Star Jamal Musiala wirbt für EA Sports FC 26 (Abbildungen: FC Bayern München AG)
FC Bayern-Star Jamal Musiala wirbt für EA Sports FC 26 (Abbildungen: FC Bayern München AG)

4. Mögliche (Wieder-)Annäherung an die FIFA

Nach fast 30 gemeinsamen, überwiegend glücklichen Jahren ging die Lizenz-Liaison zwischen dem Weltverband und EA in die Brüche. Seitdem gilt Paragraph Eins: Jeder macht seins. Das Fußballspiel wird seit 2023 als EA Sports FC vermarktet – die FIFA verfolgt eigene Games-Pläne, mit bislang überschaubarer Fortüne.

Das saudische Königshaus unterhält freundschaftliche Bande zu FIFA-Boss Infantino. Die FIFA Fußball-WM 2027 in Kanada, Mexiko und den USA böte die Gelegenheit für einen Versöhnungs-DLC entlang von EA Sports FC 26. Saudi-Arabien ist außerdem Gastgeber der FIFA WM 2034.

Für den EA Sports FC 24-Launch hatte Electronic Arts die Straßenkicker Base in Köln gebucht (Foto: GamesWirtschaft)
Für den EA Sports FC 24-Launch hatte Electronic Arts die Straßenkicker Base in Köln gebucht (Foto: GamesWirtschaft)

5. Kosten runter – Einnahmen hoch

Bei Übernahme und Fusionen lautet die größte Lüge, dass sich nichts ändert. Das mag in den ersten zweieinhalb Honeymoon-Wochen tatsächlich so sein – spätestens dann beugen sich die Controller über die Ausgaben. Beispiele gibt es zuhauf.

Als eine Art Brandbeschleuniger gelten die immensen Schulden, die bei Electronic Arts geparkt werden: Denn das 55-Mrd.-$-Paket kommt nur zustande, weil JP Morgan viel Geld vorstreckt – genauer: 20 Mrd. $. Diese Verbindlichkeiten samt Zinsen müssen aus dem Cash-Flow abgeschichtet werden – und das gelingt nur mit höheren Einnahmen oder geringeren Ausgaben oder einer Kombi-Wette.

Für die weltweit 14.000 Beschäftigten (davon 130 in Deutschland) verheißt das nichts Gutes: Erst im Mai hat Electronic Arts wieder Hunderte Stellen quer durch alle Gewerke abgebaut – weitere Sparrunden dürften zeitnah folgen. Unterwegs wird EA alle Spielräume für mehr Effizienz und Tempo nutzen, auch und gerade mit Blick auf Künstliche Intelligenz.

Die Schuldenlast setzt außerdem natürliche Grenzen: EA kann sich keine Experimente leisten – im wahrsten Sinne des Wortes.

Ubisoft Düsseldorf ist das mit Abstand größte Games-Unternehmen in Nordrhein-Westfalen (Stand: 12. August 2025)
Ubisoft Düsseldorf ist das mit Abstand größte Games-Unternehmen in Nordrhein-Westfalen (Stand: 12. August 2025)

6. Mit eisernem Besen durchs Marken-Portfolio?

Dragon Age, Mass Effect, Need for Speed, Burnout, Wing Commander, Dirt, Medal of Honor, SimCity, Command & Conquer: Electronic Arts sitzt auf einem wahren Schatz an Spiele-Marken, die aber entweder ungenutzt verrotten oder zu häufig hinter den Erwartungen von Kunden und Aktionären zurückblieben.

Die neuen Eigentümer werden sich also sehr genau anschauen, was sich in welcher Form und mit welchem Aufwand monetarisieren lässt – und welche Assets möglicherweise verkauft werden. Der Fokus liegt klar auf weltweit vermarktbaren Umsatz-Bringern wie Madden NFL, EA Sports FC und Battlefield.


7. Möglicher Einfluss auf Game-Inhalte und Genres

Geschichte wird von Siegern geschrieben – und Geschichten von Eigentümern. Dass EA-CEO Andrew Wilson in einem Schreiben an die Belegschaft extra betont, dass sich an den Unternehmens-Werten nichts ändern soll, muss eher Sorge bereiten.

Die Community wird daher ein waches Auge darauf haben, ob und wie sich die saudischen Milliarden in den Spielen widerspiegeln. Was heißt das etwa für Battlefield-Szenarien? Oder für gleichgeschlechtliche Handlungen in Die Sims? Wird Saudi-Arabien in Spielen gezielt in Szene gesetzt – wie im Falle des jüngsten Assassin’s Creed Mirage-Gratis-DLCs?

Spannend wird auch, wie sich unabhängige EA-Partner zur neuen Eigentümerstruktur verhalten – etwa die schwedischen Hazelight Studios, die mit It Takes Two und Split Fiction mehrere Hits in Serie abgeliefert haben.


8. Gamescom & Co.: Auswirkungen auf Deutschland

Schon jetzt ist Saudi-Arabien mindestens indirekt Mitglied beim deutschen Branchenverband Game und beim E-Sport-Bund Deutschland (ESBD) – nämlich in Form der ESL Faceit-Gruppe, dem weltgrößten E-Sport-Veranstalter.

Daneben ist das Land Großkunde von Verbands-Veranstaltungen wie der Gamescom: Sehr prominent trat dies 2024 durch den reichlich verwirrenden XXL-Auftritt von Qiddya zutage – die ESL bucht außerdem die komplette Event Arena für E-Sport-Turniere.

Saudi-Arabien bewirbt Qiddiya Gaming auf der Gamescom 2024 (Foto: GamesWirtschaft)
Saudi-Arabien bewirbt Qiddiya Gaming auf der Gamescom 2024 (Foto: GamesWirtschaft)

Dass immer öfter einflussreiche Unternehmen aus Saudi-Arabien oder China am Tisch sitzen, kann der Verband im Übrigen weder verhindern noch ausbremsen – selbst, wenn er wollte.

Im Zusammenhang mit der Übernahme des Kölner Esport-Veranstalters ESL Gaming teilte die Geschäftsstelle bereits 2022 mit: „Im Game können ausschließlich Unternehmen mit Sitz in Deutschland Mitglied werden, die dadurch auch der hiesigen Rechtsordnung unterliegen – die vom Grundgesetz bis zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz reicht. Diese Grundlagen gelten für alle Unternehmen – ganz unabhängig von ihren Teilhabern oder Eigentümern. Aufgrund ihrer Herkunft oder bestimmter Investoren könnten wir allein aus kartellrechtlichen Gründen Unternehmen nicht einfach ablehnen und damit diskriminieren.“

Beitrag wird laufend aktualisiert und erweitert

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