Start Meinung Als säße man in der Achterbahn (Fröhlich am Freitag)

Als säße man in der Achterbahn (Fröhlich am Freitag)

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Der Games-Standort Deutschland (Symbolbild)
Der Games-Standort Deutschland (Symbolbild)

Der angestrebte Leitmarkt wird zum Leidmarkt: Wie lässt sich verhindern, dass nicht noch mehr Games-Entwickler aus der Kurve fliegen?

Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

ursprünglich wollte ich in dieser Woche über ein komplett anderes Thema referieren – die Freitags-Kolumne war eigentlich schon am Mittwoch-Vormittag im Early-Access-Modus. Doch getreu dem Motto ‚Kill Your Darlings‘ hab ich mich dann doch für eine Last-Minute-Änderung entschieden, denn die turbulenten Ereignisse dieser Woche lassen sich nicht so einfach wegignorieren.

Im Abstand von kaum mehr als 24 Stunden wurden nämlich wie unter einem Brennglas die beiden Aggregatzustände offenkundig, zwischen denen Deutschlands Spiele-Industrie oszilliert.

Am Mittwoch machte das Hamburger Studio InnoGames öffentlich, dass Forge of Empires & Co. mehr als zwei Milliarden Euro eingespielt haben – die erste in 13 Jahren, die zweite in fünf. Nur wenige Computerspiele-Produzenten im Land sind so profitabel: 2023 lag das Ergebnis nach Steuern bei 34 Mio. € – bei einem Umsatz von sagenhaften 170 Mio. €.

Not-so-Funfact: Im Frühjahr des selben Geschäftsjahrs sah sich das Unternehmen „aufgrund des schwierigen Marktumfelds“ dazu veranlasst, sich von jedem sechsten der 430 Mitarbeiter zu trennen.

Funfact 2: Wenige Wochen später hat das Wirtschaftsministerium einen weiteren Förder-Scheck zugunsten von InnoGames ausgestellt – diesmal über 2 Millionen Euro.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

In der Branche war dieser schräge Zufall wochenlang Thema. Schließlich kann es sich InnoGames leisten, den Leuten sehr anständige Löhne zu zahlen, die deutlich über dem Median liegen – und macht daraus aus HR-PR-Gründen auch kein Betriebsgeheimnis.

Überhaupt rangiert der Hamburger Mobile- und Online-Games-Entwickler am oberen Ende der Skala dessen, wie sich Games am Standort auskömmlich entwickeln lassen: Umsatz, Margen, Gehälter, Arbeitszeitmodelle, Karriere-Chancen, Perks & Benefits – alles best-in-class.

Nicht ganz so rosig sieht es bei den Indie-Studios im Land aus, wie ein Blick nach Berlin zeigt: Die Maschinen-Mensch UG hat am Abend des gestrigen Donnerstags einigermaßen überraschend bekannt gegeben, dass der laufende Betrieb nach 11 Jahren eingestellt wird.

Das Laufzeit-Ende „31. Juli 2025“ des jüngsten Förderbescheids im Volumen von 999.976 € für eine Erweiterung zum Koop-Spiel Mother Machine markiert buchstäblich das vorläufige Ende einer zuvor beeindruckenden Entwicklung. Alle Beschäftigten verlieren ihren Job – die drei produzierten Games bleiben allerdings kauf- und spielbar.

Jetzt ist man als Branchen-Beobachterin ja durchaus Kummer gewohnt, aber die Maschinen-Mensch-Nummer hab ich dann doch mit in den Schlaf genommen. Analog zu Mimimi Games & Co. hatte ich das Hauptstadt-Studio stets als eine Art Blaupause wahrgenommen, dass und vor allem: wie es gehen kann, als wackerer Indie in diesem unerbittlichen Markt zu überleben.

Es ist erst einige Monate her, dass mir Co-Gründer Johannes Kristmann ein paar Fragen zum Jubiläum beantwortet hat. Schon zu diesem Zeitpunkt räumte er ein, dass der „drastische Wechsel von Genre und Look“ gleichermaßen Risiken wie Chancen birgt.

Mit Blick auf die Zahlen der ersten Monate lässt sich konstatieren: Die Risiken haben letztlich überwogen. Am Ende genügte 1 kommerzieller Flop und 1 risikoscheuer Markt, damit die Lichter ausgehen. Für meinen Geschmack ist das zuletzt deutlich zu häufig in der Industrie passiert.

Dabei hatte sich die Bundesregierung anno 2021 entlang ihrer „Strategie für den Games-Standort Deutschland“ vorgenommen: „Wir wollen Leitmarkt für Computerspiele werden“ – damals noch unter Leitung von Deutschlands vermutlich erfolgreichstem Verkehrsminister ever und abgezeichnet von der damaligen Staats- und heutigen Forschungsministerin.

Wenn man die röstfrische GamesWirtschaft-Unternehmens-Übersicht des Jahres 2025 neben das Pendant des Jahres 2019 (also vor Einführung der Förderung) legt, muss man feststellen: Der Standort tritt auf der Stelle. Dazwischen liegen sechs Jahre, drei neue Spielkonsolen und mehrere hundert Millionen Euro an bereits erfolgten und geplanten Zuwendungen.

Mein Eindruck: Spätestens nach drei verlorenen Ampel-Jahren braucht diese ‚Games-Strategie‘ ein Update. Dringend. Inklusive einer klugen Antwort auf die Frage, an welcher Stelle sich in welchem Umfang am schnellsten und effizientesten helfen lässt – damit nicht noch mehr kaputt geht, was mühsam aufgebaut wurde.

Dazu wäre es im ersten Schritt schon mal ganz hilfreich, wenn zumindest ansatzweise bekannt wäre, wie gut man im Inland performt. Dazu müsste man den Heimat-Marktanteil kennen – der aber seit Jahren nicht mehr gemessen, in jedem Fall: nicht kommuniziert wird. Das ist ein bisschen so, als würde man sich davor scheuen, auf die Waage steigen, um potenzielle Enttäuschungen zu vermeiden (fragen Sie mich jetzt nicht, wie ich auf dieses Gleichnis komme).

Für jeden offensichtlich: Der angestrebte Leitmarkt ist derzeit eher ein Leidmarkt. Und ich hab die Befürchtung, dass weitere Nackenschläge drohen, weil Vieles noch gar nicht verarbeitet ist. Denn bislang wird die Gesamtsituation von längst bewilligten Förder-Zusagen kaschiert. Wenn die erstmal auslaufen und nicht adhoc klar ist, wer das nächste Projekt vorfinanziert, kann es schnell eng werden – siehe Maschinen-Mensch.

Gerade für kleine Studios fühle es sich daher oft an, als säße man auf einer Achterbahn – so schilderte es Studio-Gründer Kristmann im Frühjahr. Es gebe Tage, an denen es nicht besser laufen könnte, mit dem Himmel zum Greifen nah. Und dann wieder Momente, an denen man gefühlt mit Karacho nach unten saust.

Aus heutiger Sicht wirkt diese Beschreibung wie eine düstere Vorahnung – zumal in einer Branche, die Mut allzu oft nicht nur nicht belohnt, sondern vielmehr bestraft. Und in der es nicht reicht, ’nur‘ ein ordentliches Spiel zu bauen und aufs Gleis zu setzen.

Spätestens ab dem Release-Tag heißt es: Tische hochklappen, Rauchen einstellen, anschnallen, Luft anhalten und jederzeit mit Allem rechnen – und vor allem hoffen, dass es einen nicht aus der Kurve trägt.

Ein schönes Wochenende (trotz allem) wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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3 Kommentare

  1. TL:DR
    MMn tritt der Standort nicht auf der Stelle, die Förderung hilft eher das Ungleichgewicht noch mehr zu verstärken. Einen richtigen, nachhaltigen Plan kann ich nicht erkennen.

    „Der Standort tritt auf der Stelle.“

    Das wäre ja noch toll. Würde ich sofort nehmen! Meiner Meinung nach haben sich die Bedingungen eher verschlechtert und werden im Gegenteil noch ungerechter mit der neuen Förderung:

    – Das „Press Start“ Programm ist mMn eine halbgare Sache. 1-3 Leute können sich für 2 Jahre über Wasser halten und haben danach entweder das Einhorn gefunden oder verschwinden danach wieder. Nachhaltigkeit sieht mMn anders aus, denn: was passiert denn nach 2 Jahren? Mich würde da eine Übersicht interessieren wie viele Projekte nach 2 Jahren überhaupt schon fertig sind und von denen dann auch noch profitabel! Wenn hieraus mehr Studios wie Bippinbits oder Megagon werden, okay, aber wenn das mehr als eine Handvoll werden, dann wäre ich mehr als überrascht!
    Weitere Frage ist: wann startet das nächste Programm, damit die Leute aus diesem Jahr ihren „Start“ Button drücken können?

    – Die alte Deminimis Prototypenförderung war vielleicht nicht perfekt, aber immerhin war es mit einigermaßen fairen Konditionen ausgestattet! 30% Eigenkapital war nicht für jeden machbar, aber immerhin besser als das war jetzt angeboten wird: 50% Eigenkapital bei 300k Mindesbudget. Diese Studententruppe möchte ich sehen, die das mal so ganz locker stemmt.

    – Höhere Obergrenze für die Gamesförderung heißt, dass noch mehr Geld für einen One-Shot investiert werden soll. Kann man machen, bevorzugut einfach nochmal mehr die Firmen, die es sich einfach leisten können gefördert zu werden. Ob man das zu besseren, nachhaltigeren Projekten und Arbeitsplätzen führt, das bezweifle ich ganz stark (auch Dank des Beispiels Inno)

    – Thema Planungssicherheit ist ebenfalls ein Thema. Denn selbst die geförderten Studios scheinen ja scheinbar regelmäßig Leute entlassen zu müssen (bei guten Umsätzen und Gewinnen). Während also die großen Studios ihre Projekte planen können, können die Angestellten eher nur mit Ungewissheit planen. Kleine und mittlere Studios haben scheinbar ebenfalls nur die Planungssicherheit, dass ihr aktuelles Projekt ein Erfolg sein muss, denn sonst wird es das letzte sein. Zumindest haben sie die Möglichkeit dieses eine Projekt noch fertigzustellen, aber ist das wirklich nachhaltig?

    – Überprüfbarkeit des Fördererfolgs ist ganz sicher ein Thema! Auch eine Art Überprüfung, ob ein Projekt überhaupt noch realisiert wird oder werden kann, so dass man auch vorzeitig eine Reißleihne ziehen kann. Auch, ob die Förderziele langfristig Arbeitsplätze zu schaffen oder ob die Gewinne stattdessen in die Taschen anderer wandern, sollte überprüft werden! Wenn ich von manchem geförderten Studio höre, dass man jetzt viel Geld von der Förderung bekommt und auch noch ganz viel Geld sparen kann, weil man einen Teil der Belegschaft durch KI ersetzt hat, dann wird mir schon irgendwie anders, dass mein/unser Steuergeld dafür benutzt wird.

    Insgesamt kann ich nur wenig Nachhaltigkeit erkennen, genauso wenig wie Unterstützung von Startups, kleinen oder mittleren Studios, ganz abgesehen von Chancengleichheit. Den (langfristigen) Plan kann ich so bisher noch nicht erkennen, wohlaber, dass diejenigen, die sich vorher die Förderung leisten konnten, auch weiterhin sich den Kuchen untereinander aufteilen können (dieses Mal mit größeren Stücken). Ganz nach dem Motto: Wer reich ist, wird noch reicher. Wer arm ist, bleibt auch arm.

    Vielleicht wäre mal ein Interview mit dem Game Verband gut, wenn man mal diese Punkte beleuchtet und fragt, was denn der Plan vom Game Verband ist, denn als Nicht-Mitglied kann ich den noch nicht so richtig erkennen.

  2. Mit der Initiative „Press Start“ sowie der Rückkehr der Bundesförderung in einem Volumen worum uns die Nachbarn beneiden, ist mir das etwas zu pessimistisch. Die Politik geht gerade richtig gut Schritte, deren Früchte sich erst in ein paar Jahren zeigen. Ich bin zumindest positiv gestimmt 🙂

    • Danke für das Feedback, René.

      Die Bundesförderung ist ein relevanter Faktor, überhaupt keine Frage. Nur: Selbst bei einer Förderquote von 50 Prozent und vorhandenen Töpfen stellt sich ja immer noch die Frage: Wo kommen die anderen 50 Prozent her?

      Bzgl. Früchte: Es sind ja schon erhebliche Gelder in den Markt geflossen. Es wäre daher wichtig, die aktuell angewandten Instrumente auf Wirksamkeit zu evaluieren – durch eine möglichst unabhängige Institution. Um daraus Schlüsse zu ziehen. Seit 2019 wird der Markt mit der Gießkanne gegossen – in der Hoffnung, dass irgendwo was blüht.

      Die Initiative ‚Press Start‘ hat den großen Vorteil, dass neben Geld auch Wissen vermittelt wird. Das ist klasse. Mögen daraus viele Betrieb hervorgehen.

      Petra
      GamesWirtschaft

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