Bis jetzt war alles Vorgeplänkel: Der heutige Launch von Call of Duty: Black Ops 6 wird zeigen, ob Microsofts Game Pass-Wette aufgeht.
Verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
verehrter GamesWirtschaft-Leser,
von mir sollen Sie es zuerst erfahren: Das weltweit meistverkaufte PlayStation-Spiel des Jahres 2024 stammt von Microsoft.
Diese These mag zum jetzigen Zeitpunkt einigermaßen tollkühn wirken, aber es spricht Einiges dafür. Denn heute erscheint Call of Duty: Black Ops 6 für PC, Xbox und eben PlayStation 4 und 5. Und wenn die Dinge einigermaßen ’normal‘ laufen, dann wird der Activision-Ego-Shooter analog zu den Vorjahren in den USA und Kanada auf Platz 1 abschließen – und in Europa auf dem ersten oder zweiten Rang. Je nachdem, wie sich EA Sports FC 25 schlägt.
Seit ziemlich genau einem Jahr ist die Marke Call of Duty offiziell ein Teil von Microsoft. Kaufpreis für Activision Blizzard: jenseits von 70 Milliarden €. Vorausgegangen ist ein mehr als eineinhalbjähriger juristischer Vollkontakt-Kampf mit Behörden und Mitbewerbern.
Call of Duty ist neben Grand Theft Auto eine der seltenen Billion-Dollar-Brands der Videospiele-Industrie. Diese Blockbuster spielen für gewöhnlich eine Milliarde und mehr ein – nicht lifetime und auch nicht hin und wieder, sondern Jahr für Jahr. Und meist schon innerhalb weniger Tage.
In dieser Saison ist die Lage etwas komplizierter, denn erstmals haben Xbox- und PC-Spieler die Wahl:
- Wie bisher Call of Duty für 80 € als Download oder auf Disc kaufen
- Oder halt ein Game Pass-Abo abschließen (11,99 € für PC / 17,99 € für Xbox Game Pass Ultimate pro Monat) – denn das Spiel ist in der Basis-Version direkt zum Launch inklusive
Das Microsoft-Kalkül: Wer einmal die Segnungen und die Spiele-Vielfalt des Game Pass kennen gelernt und Spielstände angelegt und In-Game-Inhalte erworben und Saison-Pässe ausprobiert hat, bleibt dabei. Vorsichtshalber hat man die Monats-Tarife in zwei Schritten kräftig angehoben: Im Sommer 2023 kostete das Ultimate-Paket noch 12,99 €, schließlich 14,99 € und jetzt eben 17,99 €.
Call of Duty: Black Ops 6 soll erklärtermaßen das leisten, was Microsoft mit Titeln wie Starfield bislang so mittelgut gelungen ist – nämlich die Abonnentenzahlen des Xbox Game Pass (zuletzt 34 Millionen) auf ein seriöses, tragfähiges Niveau zu hieven. Im Unterschied zu Sony PlayStation, Nintendo, Apple & Co., wo die Hardware-Verkäufe die Basis des Geschäftsmodells darstellen, setzt Microsoft strategisch voll auf Software und Services. Dementsprechend ist in der Umsatz-Planung auch kein Hardware-Sondereffekt durch Call of Duty enthalten, wie er bei PlayStation-Blockbustern wie God of War oder Spider-Man üblich ist.
Microsoft operiert notgedrungen am offenen Game Pass. Das Worst-case-Szenario: Wer nur die 8-10-Stunden-Solo-Kampagne spielen oder mal unverbindlich in den Multiplayer-Modus reinspechten will, zahlt 12 beziehungsweise 18 € und kündigt sofort danach wieder. Um erweiterten ‚Missbrauch‘ zu verhindern, wurde unmittelbar vor Veröffentlichung des Shooters das 14-Tage-für-1-€-Schnupper-Abo vorübergehend ausgesetzt.
Über die konkreten Auswirkungen des Call of Duty-/Game-Pass-Stunts sind sich Beobachter und Analysten uneins – die Bandbreite ist gewaltig, weshalb es im Nachgang sicher den einen oder anderen Gelehrten geben wird, der mit seiner Prognose hinsichtlich des Abo-Potenzials einigermaßen richtig lag. 2 Millionen? Oder doch eher 3 bis 4 Millionen, wie etwa der unverwüstliche Michael Pachter glaubt?
Dass die Game Pass-Zahlen mindestens kurzfristig steigen, ist naheliegend. Die entscheidende Frage lautet: Wie viele davon bleiben mittel- und langfristig ‚hängen‘? Und wie viele Nutzer werden zwischendurch abspringen oder pausieren oder auf eine günstigere Tarif-Stufe wechseln? 215,88 € für ein Jahr Xbox Game Pass Ultimate sind schließlich kein Pappenstiel, gerade in Zeiten, in denen mancher Kunde jeden Cent zwei Mal umdrehen muss.
Erst die Kenntnis der finalen Kennzahlen lässt eine seriöse Bewertung zu, ob sich die Microsoft-Hoffnung/-Planung/-Strategie auszahlt – und das wird erst in einigen Monaten, wahrscheinlich erst Mitte 2025 der Fall sein. Oder auch gar nicht. Denn Microsoft macht aus absoluten Verkaufs- und Nutzerzahlen gerne ein Staatsgeheimnis und kommuniziert bestenfalls prozentuale Abweichungen.
Sicher ist nur eins: Call of Duty: Black Ops 6 muss und wird eine Antwort auf die ganz grundsätzliche Frage liefern, wie gut Subscription- und Streaming-Modelle im Games-Bereich funktionieren – analog zu Spotify, Netflix, DAZN, Disney+, Amazon Prime & Co. Denn dieser Praxisbeweis steht noch aus.
Während Xbox- und PC-Spieler also schon jetzt eine Entscheidung treffen müssen, ändert sich für PlayStation-4/5-Besitzer nichts, möchte man meinen: Für das neue Call of Duty werden nun mal 70 bis 80 € fällig – war so, ist so, bleibt so.
Und doch wirkt sich Microsofts Call of Duty-Zukauf sehr konkret auf das PlayStation-Publikum aus. Denn der US-Konzern hat zwar den Richtern und Kartellwächtern zugesagt, dass Sony-Kunden auf Sicht von zehn Jahren zeitgleich mit einer inhaltlich und technisch vergleichbaren Version des absurd beliebten Action-Spiels versorgt werden. Was aber nicht heißt, dass sich die Activision-Programmierer ein Bein ausreißen, damit Black Ops 6 auf der PlayStation 5 besonders grandios performt – erst recht nicht auf der PlayStation 5 Pro, die ab dem 7. November ausgeliefert wird.
Die Folge: Im Unterschied zu ungefähr allen Blockbustern neueren Datums fehlt auf der Black Ops 6-Produktseite der Zusatz-Hinweis „PS5 Pro Enhanced“. Denn in diesem Fall bestünde das Risiko, dass Call of Duty auf der PlayStation 5 Pro besser aussieht als auf dem Microsoft-Topmodell Xbox Series X, das weiterhin auf dem technischen Stand von 2020 ist. Und das kann ja nun wirklich niemand wollen. Außer jenen natürlich, die 800 € für die neue Sony-Konsole ausgeben.
Heißt umgekehrt: Wäre Activision Blizzard ein (sehr großer) ‚Indie‘ geblieben, würden PlayStation-5-Besitzer ganz selbstverständlich ein serienmäßiges PS5 Pro-Update und damit eine bessere Version bekommen. Microsoft hält die Konkurrenz also künstlich klein. Verdenken kann man es nicht: Wer die Kapelle bezahlt, bestimmt die Musik.
Das Thema ist hochpolitisch. Weder Activision noch Sony wollen diesen Vorgang auf Anfrage kommentieren.
Während also noch nicht absehbar ist, was bei der Xbox-Sparte unterm Strich übrig bleibt, kann Sony Interactive ungleich präziser kalkulieren. Denn der PlayStation-Hersteller profitiert vom Call of Duty-Hype, ohne aktiv dazu beizutragen. Derweil Microsoft mit großem Aufwand Influencer und Werbeflächen einkauft und Elektronikmärkte und Bushaltestellen flächendeckend plakatiert, freut sich Sony über die 30 %-Provision an jedem Euro/Dollar, der mit Call of Duty-Games und In-Game-Inhalten auf der PlayStation umgesetzt wird.
Und so bilden die beiden Erzrivalen mehr denn je eine zauberhafte und auf Dauer angelegte Schicksalsgemeinschaft: Microsoft braucht dringend die PlayStation-Umsätze zur Refinanzierung des Activision-Blizzard-Deals. Und Sony braucht Call of Duty, auch mit Blick aufs Weihnachtsgeschäft, wo es an einem konzern-eigenen Hit fehlt.
Ein Weihnachten, zu dem Microsoft das voraussichtlich meistverkaufte PlayStation-Spiel des Jahres 2024 beisteuert – schöne Bescherung.
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredaktion GamesWirtschaft
Immer freitags, immer kostenlos: Jetzt GamesWirtschaft-Newsletter abonnieren!
GamesWirtschaft auf Social Media: LinkedIn ● Facebook ● X ● Threads ● Bluesky
Auf die Zahlen bin ich schon sehr gespannt.
Kommentarfunktion ist geschlossen.