Start Meinung Ubisoft Premium Plus: In dubio pro Abo (Fröhlich am Freitag)

Ubisoft Premium Plus: In dubio pro Abo (Fröhlich am Freitag)

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Von Abo-Flatrates versprechen sich Plattform-Betreiber kalkulierbare Umsätze (Abbildung: ähnlich)
Von Abo-Flatrates versprechen sich Plattform-Betreiber kalkulierbare Umsätze (Abbildung: ähnlich)

Die Videospiele-Industrie will Gamer zu Flatrate-Abonnenten machen – aus Gründen. Doch das Modell birgt Risiken, für Studios und Verbraucher.

Verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
verehrter GamesWirtschaft-Leser,

in dieser Woche hat Ubisoft-Manager Philippe Tremblay etwas sehr, sehr Dummes getan: Er hat – versehentlich oder bewusst – die Wahrheit ausgesprochen. In einem Interview mit den britischen Kollegen von Gamesindustry.biz begründete er den Umbau des Ubisoft-Abo-Dienstes Ubisoft Plus nämlich damit, dass die Verbraucher peu à peu an eine Welt zu gewöhnen seien, in der man Videospiele nicht mehr „besitzt“ – analog zu einer DVD- oder CD-Sammlung, die in langen Regalreihen vor sich hinstaubt.

Stattdessen wirbt Tremblay für den reformierten Abo-Dienst Ubisoft Plus Premium, den der französische Publisher ab sofort mit 17,99 € pro Monat berechnet – also 215,88 € pro Jahr. Für das Geld kann der Kunde auf über 100 Ubisoft-Games zugreifen, darunter auch nagelneue Titel wie Prince of Persia: The Lost Crown (gestern erschienen), Assassin’s Creed Mirage, Avatar: Frontiers of Pandora und The Crew Motorfest.

Einzeln gekauft, fielen alleine für diese vier Titel deutlich über 200 € an. Wir lernen: Was zunächst leicht übergriffig wirkt, kann sich für Viel- und Intensiv-Spieler durchaus rechnen. Zumal sich das Abo jederzeit pausieren und später fortsetzen lässt – Spieldaten und -stände bleiben angeblich erhalten.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
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Im Netz entzündete sich dennoch erwartbarer Furor, denn das Vertrauen in Langfrist-Zusagen der Videospiele-Industrie im Allgemeinen und von Ubisoft im Besonderen ist nun mal nicht sonderlich ausgeprägt – besonders dann, wenn es um ältere Titel oder um Multiplayer-Spiele geht, deren Wartung laufende Kosten verursacht, die aber nur noch ein kleines Publikum finden. Gerade Ubisoft hat eigene Dienste schon so oft umgebaut und umbenannt und dann doch irgendwann heimlich und klamm eingestellt, dass selbst hauptberuflichen Beobachtern die Rübe raucht.

Hinzu kommt: Abos sind Wundertüten, weil sich die Hersteller vorbehalten, das Portfolio nach Belieben umzubauen. Xbox Game Pass-Nutzern kann (und wird) es passieren, dass ihr Lieblingsspiel aus dem Flatrate-Katalog verschwindet. Wenn weg, dann Pech. In diesem Fall bleibt leider, leider doch nur der Kauf mit Freundschaftsrabatt.

Extra, Premium, Ultimate: Ubisoft Plus Premium ist der jüngste Vorstoß der Games-Branche, aus gelegentlichen und damit unberechenbaren Kunden möglichst regelmäßige und damit berechenbare Kunden zu formen – zu immer höheren Preisen. Microsoft ruft mittlerweile 180 € pro Jahr für den ähnlich gelagerten Xbox Game Pass Ultimate auf – Sony Interactive hätte gerne 152 € für PlayStation Plus Premium, schaltet konzerneigene Top-Neuheiten allerdings frühestens mit einjähriger Verspätung frei. Ähnlich unentschlossen wirkt EA Play Pro, für das Electronic Arts zwar 14,99 € pro Monat abbucht, frischere Titel wie EA Sports FC 24 aber außen vor lässt.

Die Spotifyisierung der Gamer ist also in vollem Gange. Noch wirft der Einzelverkauf von Konsolenspielen zum Stückpreis von 80 € genügend Geld ab, um die Pfründe mit Zähnen und Klauen zu verteidigen – insbesondere Sony und Nintendo tun sich nachvollziehbarerweise schwer damit, ihre Kronjuwelen an Flatrate-Gamer zu ‚verschenken‘. Bei Microsoft hat man dieses Stadium längst überwunden. Stattdessen wird darauf verwiesen, dass man den Verbrauchern weiterhin die Wahl lasse – Starfield ‚gratis‘ im Abo oder eben per Einzelkauf. Achten Sie gerne mal darauf, wie oft die Vokabel ‚Choice‘ in Verlautbarungen fällt.

Doch diese vorgebliche ‚Wahl‘ ist zunehmend eine Farce. Die praktizierte Schizophrenie zeigt sich beispielsweise darin, dass in PlayStation-, Xbox- und Switch-Bundles zwar Konsolen mit Laufwerk enthalten sind – die mitgelieferten Spiele aber nur in Form eines Codes beiliegen, mit dem sich im jeweiligen Online-Store eine unverkäufliche Lizenz freischalten lässt. Gleiches gilt im Übrigen für teure Special-, Limited- und Collectors-Editions, zu deren Lieferumfang allzu oft eine Placebo-Hülle für einen nicht vorhandenen Datenträger gehört, damit man zumindest irgendwas in den Schrank stellen kann.

Irritierend wirkt die Ubisoft-Kritik aber aus einem anderen Grund: Denn das Prinzip, ein Produkt nicht zwingend zu besitzen, ist seit Jahrzehnten geübt. Bis hinein in die Anfangs-2000er prägten Videotheken das Straßenbild, in denen man sich zunächst Video-Kassetten, später DVDs und Blu-Rays leihen konnte – und wehe, das VHS-Band war bei Rückgabe nicht ordnungsgemäß zurückgespult. Gab es 2005 noch über 4.000 Videotheken im Land, waren es 2023 nur noch 50 in ganz Deutschland. Der US-Marktführer Blockbuster hatte schon 2010 Konkurs angemeldet. „Stirb langsam“, wie Statista mal eine entsprechende Infografik überschrieben hat.

Ich bin reif genug, um mich zu erinnern, dass auch Netflix mal mit dem Versand von Leih-DVDs an Abonnenten angefangen hat. Dieses Business hat erstaunlich lange funktioniert: Erst vor einem halben Jahr hat Netflix die Zustellung der Discs endgültig eingestellt – nach einem Vierteljahrhundert. Amazon hatte das Konkurrenz-Angebot Lovefilm bereits 2017 gestoppt. Am Netflix-Geschäftsmodell hat sich im Kern nichts geändert – nur halt mit dem Unterschied, dass die Inhalte nun eben übers Netz und nicht mit der Post kommen.

Nun sind Games in ihrem Nutzungsverhalten nicht mit Film und Fernsehen vergleichbar. Trotzdem ist die Empörung über Tremblays Offenherzigkeit natürlich auch ein Stückweit heuchlerisch. Denn zum kompletten Bild gehört, dass der Ubisoft-Angestellte abseits der Wahrheit nur auf etwas sehr Offensichtliches hingewiesen hat. Nämlich darauf, dass die Idee des ‚Besitzes‘ oder ‚Eigentums‘ seit längerem auch im Games-Bereich erodiert.

Ein Beleg: Von 100 €, die 2022 in Deutschland für Spiele-Software ausgegeben wurden, entfielen nur noch 16 € auf den Einzelkauf – also auf Disc, Modul und Download. Der Rest: In-App-Käufe (44 €), In-Game-Inhalte (26 €) und eben Streaming-, Abo- und Online-Dienste, die mit 14 € zwar einen vergleichsweise kleinen Marktanteil haben, der aber perspektivisch zulegt. Wie sehr genau, dazu hüllen sich die Konzerne in Schweigen: Sony weist zum Beispiel seit einiger Zeit keine Kennzahlen mehr aus, analog zu Microsoft.

Trotzdem: 84 von 100 € werden schon jetzt für ‚flüchtige‘ Spiele-Inhalte ausgegeben, die sich üblicherweise weder tauschen noch archivieren noch weiterverkaufen lassen. Es gibt keine Indizien, dass sich diese Langfristentwicklung wieder ins Gegenteil verkehrt.

Unabhängige Spielehersteller – egal ob Indie-Studio oder Publisher – sehen sich daher mit der Zwickmühle konfrontiert, ob und wenn ja: wann man die eigenen Produkte für Flatrate-Abos frei gibt. Und inwieweit man damit buchstäblich in Kauf nimmt, potenziellen Umsatz auf anderen Kanälen zu kannibalisieren.

Mein Eindruck: In unsicheren Zeiten wie diesen entscheiden sich Entwickler derzeit schneller und häufiger für den Spatz in der Hand, sprich den kalkulierbaren Scheck der Plattformbetreiber – in dubio pro Abo.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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9 Kommentare

  1. Weiß nicht ob diese Abo-Modelle so gut für die Industrie sind.

    “Interessant sind kritische Worte zum Thema Abo-Geschäftsmodell infolge eines Artikels über das Interview, die von einer Person aus dem Netflix-Kosmos stammen: Samuel Deats ist der Creative Director des texanischen Animationsstudios Powerhouse, das für Netflix die Serien Castlevania und Castlevania: Nocturne schuf. Und aus dieser Perspektive schrieb Deats:

    Die Spielebranche muss verstehen, dass die ganze Sache mit den monatlichen Stream-Abos kein Geschäftsmodell ist, dem man nacheifern sollte. Es herrscht verdammtes Chaos hier drüben. Es ist ein SEGEN, dass Videospiele direkt gekauft werden. Ihr dürft das niemals loslassen.”

    https://www.gamersglobal.de/news/278128/ubisoft-plus-chef-spieler-muessen-sich-erst-daran-gewoehnen-titel-nicht-zu-besitzen

    Ich habe ein paar mal Spiele vor einigen Jahren heruntergeladen, aber dann nie Lust gehabt, das so zu spielen und dann auch nie gespielt.

    Von daher kaufe ich nichts mehr digital. Auf sowas wie Game Pass oder PS+ verzichte ich ebenfalls. Und gibt es keine Spiele mehr physisch, wird halt kein neues Gerät, eine App oder was auch immer sonst auf dem Markt ist, bis dahin gekauft. So einfach halte ich das.

    Es gibt so dermaßen viele Spiele auf allen Plattformen der Zockergeschichte, die es noch wert wären, mal endlich gezockt zu werden. Da reicht ein Leben nicht dafür aus. Ich habe auch keine Probleme damit, noch alte Mega-Drive- oder SNES-Spiele nachzuholen.

  2. Sehr interessante Kolumne mal wieder, aber die Debatte ist doch immer sehr zugespitzt. Von beiden Seiten. Die Kunden sehen ihre liebgewonnene Rituale gefährdet, die Publisher rechnen die Zahlen schön und versprechen das Blaue vom Himmel. Am Ende wird es immer beide Möglichkeiten geben, Disc/Download und Stream. Doch die Zahlen bezüglich des Umsatzes sind sehr zusammengewürfelt. Man sollte eine separate Statistik erstellen, ohne InGame-Käufe. Denn es lassen sich schlecht InGame-Käufe mit Stream und Einzelhandel vergleichen. So gesehen stehen die Stream-Zahlen von 14 Euro dem Einzelhandel mit 16 Euro gegenüber. Wenn man dann noch in PC und Konsole aufteilt wird es noch einmal einen Sprung geben. Wahrscheinlich deutlich gestiegene prozentuale Werte für den Einzelhandel im Konsolenbereich und höhere Werte bei Streaming im PC-Bereich.

    • Noch besser wäre es zu trennen zwischen Spielen, die man physisch besitzt und die gegebenfalls unabhängig vom Publisher laufen und weitergegeben werden können und solchen, die nur mit Accounts und Log-in Funktion des Anbieters gehen. Die sind im Zweifel auch futsch wenn er Pleite macht. „Einzelhandel“ sagt da leider nicht viel aus, man hat im Zweifel eine Disc-Hülle, muss aber trotzdem zwingend eine Online-Registrierung und einen Download durchführen. Wenn man das berücksichtigen würde,
      wären wir statt bei 14/16 Verhältnis (Vermutung) eher bei 25€/5€ von „Lizenz mit Ablauffrist“ zu „funktioniert solange passendes OS/Hardware vorhanden“.

  3. Viele Kunden wissen aber nichteinmal, welche Rechte sie in diesen Fällen haben bzw. aufgeben. Eine nicht unbeachtliche Zahl an Käufern der Digital-PS5 stehen am nächsten Tag im Laden und sind irritiert, dass sie fortan keine Spiele mehr im Handel erwerben können. Vor allem Kunden, die schon das ganze Jahr auf eine Konsole sparen und sich erhofften, Spiele gebraucht zu kaufen, sind am Ende enttäuscht. Klar interessieren sich die Unternehmen wenig für den Gebrauchtmarkt und die Kunden mit geringem Einkommen. Aber es wird mehr und mehr so zum Gatekeeping kommen. So sehe ich das zumindest.

    • Interessante Frage wäre in diesem Fall ob es ausreicht wenn ein paar Unternehmen auf ein reines Digital-/Abomodell umsteigen um damit die EU auf den Plan zu rufen. Müsste man mal den zuständigen Abgeordneten fragen.

      Das Das Gesetz über digitale Märkte (DMA) verbietet Gatekeeper Unternehmen die eigenen Plattformen anderen Mitbewerbern unzugänglich zu machen. Demnach müsste es auch weiterhin möglich sein physische Produkte zu erwerben oder Drittquellen zu nutzen um digitale Produkte zu kaufen

  4. Im übrigen sollte erwähnt bleiben, dass GoG nach wie vor zwar nicht alle Spiele listet die beispielsweise auf Steam verfügbar sind, diese dafür aber offline und ohne das Risiko des plötzlichen verschwindens bereitstellt. Auch wenn das Spiel irgendwann aus dem sortiment genommenw erden sollte, wie etwa bei Minecraft Sotrymode, dann kann man sich den Installer nach wie vor herunterladen und auch nach dem Ende von GOG noch installieren ohne irgendwelche Tricks und Kniffe anwenden zu müssen. Selber auf Disk brennen inklusive

  5. > Einzeln gekauft, fielen alleine für diese vier Titel deutlich über 200 € an. Wir lernen: Was zunächst leicht übergriffig wirkt, kann sich für Viel- und Intensiv-Spieler durchaus rechnen

    Zumindest dann wenn man Rabatte im markt nicht mit einberechnet. Und das wird wohl auch der Knackpunkt sein warum Ubisoft und andere Unternehmen gerne dahingehend den Kunden „erziehen“ möchten. Um Rabatte zu eliminieren und letzten Endes den eigenen profit zu steigern. Wer möchte denn nicht ein 10 Jahre altes Spiel zum damaligen Vollpreis von 59,99€ kaufen?

    • Habe jetzt das ganze Jahr 2023 nur an Elden Ring gesessen. Hat sich also rentiert, das Spiel als Vollpreisspiel zu kaufen.

      • Wenn es frisch auf den Markt gekommen ist dann sehe ichd as ja durchaus noch ein. Wenn ich aber sehe, dass einige Titel bei Steam noch 10 Jahre Später 50€ und mehr kosten obwohl schon seit 8 Jahren keine Updates mehr erschienen sind, dann frage ich mich doch womit das gerechtfertigt ist. Vor allem wenn in der Zwischenzeit Dienste wie GameSpy eingestellt wurden und der Koop-Modus z.B. nicht mehr funktioniert

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