Start Meinung Konsolen auf Rädern: Sackgasse In-Car-Gaming (Fröhlich am Freitag)

Konsolen auf Rädern: Sackgasse In-Car-Gaming (Fröhlich am Freitag)

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In-Car-Gaming in der Praxis: So stellt sich die KI eine 'Konsole auf Rädern' vor (Abbildung: ähnlich)
In-Car-Gaming in der Praxis: So stellt sich die KI eine 'Konsole auf Rädern' vor (Abbildung: ähnlich)

Wenn möglich, bitte wenden: Die Auto-Industrie investiert ins In-Car-Gaming. Doch die Frage bleibt weiterhin: Wozu eigentlich?

Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

first things first: Ich wünsche Ihnen, Ihrem Team und Ihrer Familie ein grandioses 2024 – allem voran, dass Sie froh und munter bleiben (oder werden).

Noch befinden sich weite Teile des Games-Gewerbes im Winterschlaf – zumindest lassen darauf Nachrichtenlage und Abwesenheitsnotizen schließen. So richtig los geht es eigentlich erst am kommenden Montag.

Zu meinen traditionellen Aufgaben zu Beginn jeder Saison gehört auch diesmal das Austüfteln von 20 mehr oder minder wahrscheinlichen Ereignissen, die demnächst den GamesWirtschaftsWeisen zur Abstimmung vorgelegt werden. Haben sich die kühnen Thesen in der Vergangenheit fast schon automatisch ergeben, ist die Formulierung diesmal deutlich anstrengender.

Warum? Weil es an echten Trends und Impulsen fehlt, die den Gesamtmarkt aus der Lethargie befreien. Die aktuelle Konsolen-Generation geht ins vierte beziehungsweise achte Jahr, der E-Sport ist weiterhin auf der Suche nach einem nachhaltigen Geschäftsmodell, der Absatz von Virtual-Reality-Headsets stagniert oder ist stramm rückläufig und auf GTA 4 und GTA 5 folgt halt irgendwann GTA 6 – aber eben erst 2025. Frühestens.

Kurzum: Die Branche könnte mal wieder ein frisches Narrativ gebrauchen, das Dopamin und Endorphine ins Getriebe schießen lässt.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Gelegenheit dazu bietet die erste große Tech-Messe des Jahres – nämlich die CES in Las Vegas, die am kommenden Dienstag startet. Der hiesige Videospiele-Branchenverband nimmt das Großereignis mit prognostizierten 130.000 Besuchern und 4.000 Ausstellern zum Anlass, um via Online-Erhebung zu belegen, wonach „Gaming im Auto“ das nächste große Ding sei.

Gestützt wird die Prognose von einer rührigen Kfz-Branche, die mit immer neuen Konzepten und Kooperationen ums Eck kommt – in meinem Posteingang habe ich dieser reizenden Industrie mittlerweile einen eigenen Ordner gewidmet, um im Kosmos der Superlative den Überblick zu behalten. Denn dass die Autobauer die Nähe zur Zielgruppe suchen, ist akten- und offenkundig.

  • 2023 war zum Beispiel die BMW-Sparte Mini erneut mit einem großen Stand auf der Gamescom präsent, bis einschließlich 2022 auch Ford und Porsche.
  • Die Marke Mercedes-Benz ist mit ihren Akku-Modellen seit Jahren League of Legends-Sponsor und darüber hinaus an SK Gaming beteiligt.
  • Im August bejubelte der sehr innovative Autobauer BMW die Premiere von Wer wird Millionär (!) im Bordcomputer des BMW i5 als „perfekte Kombination aus Unterhaltung und Innovation“. Markteinführung: irgendwann 2024.

Schon 2019 verbreitete Mercedes eine Infografik, deren Zeitleiste von Pong über Gameboy, SNES und Xbox bis zu VR-Games reicht – und bei In-Car-Gaming endet. Kein Scherz. Wir lernen: Der Boden scheint bereitet für einen neuen, aufregenden „Milliarden-Markt“, wie das Fachblatt Automobilwoche feststellt.

Dazu passt folgendes Erlebnis: Auf der Game City Wien im Oktober vergangenen Jahres hatte die Hauptstadt-Niederlassung von Tesla direkt im Eingangsbereich des Wiener Rathauses ein Model S (Listenpreis: knapp sechsstellig) zum Probesitzen und Probespielen aufgebaut. Auf meine halb-private, halb-berufliche Frage, was das Unternehmen denn ausgerechnet an diesem Ort mit einer solchen Promotion-Aktion bezweckt, antwortete der zuständige Animateur: Man wolle dringend die Gamer erreichen. Schließlich verdaut der verbaute Prozessor auch leistungshungrigere Steam-Spiele – via Bluetooth lässt sich ein Gamepad andocken.

Der Branchenverband Game argumentiert demzufolge auch damit, dass sich „längere Ladezeiten des E-Autos“ oder auch Reisepausen unterhaltsam überbrücken ließen – quasi Zocken beim Docken. Nach zweieinhalb Jahren gelebter Elektromobilität wirkt dieser regelmäßig kolportierte Einsatzzweck auf mich zunehmend konstruiert, weil in der Lebenswirklichkeit kaum „längere Ladezeiten“ vorkommen – zumindest keine, die man im Auto verbringen will. Meist reichen die Autobahn-Boxenstopps maximal für Pipi und Mail-Check, aber sicher nicht für eine Runde Cyberpunk 2077 oder eine Netflix-Folge.

Nun besteht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass mir mindestens die Fantasie, möglicherweise auch der fachliche Einblick fehlt, um das – aus meiner Sicht: übersichtliche – Markt-Potenzial von In-Car-Entertainment seriös überblicken zu können. Gleichzeitig entwickelt sich die Technologie rasant – und sollte autonomes Fahren irgendwann verlässlich im Dauerbetrieb funktionieren, dann poppt womöglich doch noch die Frage auf, wie sich das innerstädtische Rush-Hour-Stop-and-Go oder die tägliche Pendelstrecke unterhaltsamer gestalten lassen.

Allerdings ist es genauso wahrscheinlich, dass von Herstellern und Unternehmensberatungen aus durchsichtigen PR-Gründen ein XXL-Markt herbeigeredet wird, dessen theoretischer Nutzen sich zwar adhoc auch dem Laien erschließt, für den es aber in der Praxis gar keinen konkreten Anwendungsfall gibt. Zumindest lässt sich aus dem Umstand, dass Bordcomputer technisch längst in der Lage sind, Inhalte abzuspielen und zu streamen, nicht zwingend ein Bedarf ableiten für Gaming- und Bewegtbild-Inhalte auf einem noch so großen und noch so hochaufgelösten Cockpit-Display.

Schließlich wünscht sich auch niemand die Zeiten zurück, in denen während des Transatlantik-Flugs schäbbige Deckenmonitore herunterklappten, um zwei redaktionell ausgewählte Adam-Sandler-Komödien abzunudeln. Heutzutage sind handelsübliche Airbus-Sitze mit eigenem Bildschirm samt riesengroßer Bibliothek an Filmen, Serien, Games, Hörspielen und Musikkanälen ausgestattet, und das in allen Weltsprachen. In der U-Bahn, im ICE oder eben im Auto nennt sich sowas: Handy.

Ich würde daher darauf tippen, dass In-Car-Gaming und In-Car-Entertainment zwar weiterhin und sicher in noch größerem Umfang stattfinden – aber eben nicht auf fix verbauten Front- und Fond-Screens, sondern auf Smartphones, Tablets, Steam Decks, Switchs. Denn genau dafür sind sie gebaut.

Ein schönes Wochenende und einen super Start ins neue Jahr wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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