Premium-Logo, Premium-Relaunch, Premium-Agenturen: Die Gamescom ist zurück. Mit einer klaren Botschaft: Games alleine sind nicht mehr genug.
Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
„Die Gamescom ist das Coachella der Gamer, die Art Basel des Fandoms und das Epizentrum einer neuen Popkultur!“
Was ein Hammer-Satz – so schön, dass ich irritiert wäre, wenn man ihn nicht demnächst in Geschirrtüchern eingestickt oder zumindest als Klebetattoo im Gamescom-Fan-Shop erwerben könnte. Ich würd’s kaufen.
Formuliert hat ihn Jung von Matt Nerd-Chefnerd Toan Nguyen, der seine Nerdigkeit auf der Agentur-Website mit entsichertem Nerf-Blaster dokumentiert. Inklusive Jung von Matt Nerd haben gleich drei mutmaßlich nicht völlig günstige Agenturen im Auftrag von KoelnMesse und Verband den Marken- und Logo-Relaunch aufgeschient – so richtig mit Customer Journey und allem Pipapo.
Die Gamescom (24. bis 28. August in Köln) soll dadurch anschlussfähig(er) werden an Lifestyle- und Konsumgüter-Marken mit tiefen Marketing-Taschen, die das ausgleichen, was durch die munter vor sich hin konsolidierende und chronisch rumknausernde Videospiel-Industrie an Quadratmetern und Schauwerten wegbricht. Allein der Microsoft-Zukauf Blizzard Entertainment hat ja früher mit Millionen-Aufwand ein halbes Fußballfeld an Hallenfläche bespielt.
Um offen zu sprechen: Trotz lückenloser Gamescom-Biografie habe ich das Kölner Konsolen-Konvolut zu keinem Zeitpunkt als Coachella oder Art Basel empfunden. Was möglicherweise daran liegen könnte, dass ich im Unterschied zu Toan noch nie auf dem Coachella oder auf der Art Basel war.
Auf mich wirkte die Gamescom stattdessen immer wie ein sehr großer, sehr außer Kontrolle geratener Kindergeburtstag: irrsinnig voll, irrsinnig laut, irrsinnig bunt, überall werden T-Shirts und Schlüsselbänder ins Volk geschossen, während die Bühnen-Animateure mit dem enthemmten Publikum sesamstraßen-style das Alphabet durchgehen („GEBT MIR EIN A!“).
Auf der Gamescom 2019 wurde ich Zeitzeugin, wie eine 2K-Promotorin in der Warteschlange vor dem Borderlands 3-Stand arglose Teenager zum Liegestütz-Wettbewerb antreten ließ, johlend angefeuert von anderen Wartenden. Eine Stimmung wie einst im Megapark am Ballermann, also in der Zeit vor der Malle-Qualitätsoffensive.
Das Werfen von Giveaways und vergleichbarer Schabernack sind neuerdings untersagt. Schließlich ist die Gamescom ja „die Art Basel des Fandoms“ – ein Zeichen des „neuen Avantgardismus der Kultur- und Unterhaltungsindustrie“, ein „Erlebbarmachen eines unvergleichbaren Emotionalierungsfaktors“. Darunter macht’s die Messe nicht mehr.
Das von den Agenturen ausbaldowerte Gamescom-Motto lautet daher zwangsläufig: „Ahead of the Game“ – dem Game voraus.
Die neue Premium-Lackierung geht mit Premium-Eintrittspreisen einher: Schüler und Azubis zahlen am Gamescom-Donnerstag das Doppelte wie noch 2019 – am Samstag erhöht sich der Tageskarten-Tarif um 50 Prozent. Es wirkt, als wollten KoelnMesse (2021: 81 Mio. € Miese) und Verband sehr dringend die Ausfälle der beiden zurückliegenden Gamescoms kompensieren, nach dem Vorbild der Kölner Hotellerie. Das spüren auch die Aussteller: Weniger Besucher, gleicher Quadratmeterpreis – kann man machen. Mer moss och jönne könne.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Im Vergleich zu anderen Conventions, Festivals, Events und einem Stadion- oder Kinobesuch sind die Gamescom-Preise inflationsbereinigt immer noch ein Akt christlicher Nächstenliebe. So ist das Familienticket für faire 40 beziehungsweise 50 € zu haben. Wer anstelle der Gamescom das nahegelegene Phantasialand aufsucht, ist als vierköpfige Familie schnell 200 € los – nur für den Eintritt.
Wesentlicher Unterschied: Jeder Phantasialand-Besucher weiß vorher exakt, was er bekommt. Für die Gamescom gilt das nicht: Wer jetzt Tickets kauft, bucht eine komplette Blackbox – Stand jetzt haben die Veranstalter keinen einzigen Aussteller benannt, und das wenige Wochen vor Messestart. Zu- und Absagen sind selbst im Juni 2022 nur unter Einsatz fortgeschrittener investigativjournalistischer Methoden zu ermitteln, und häufig nicht mal das („Seid ihr dabei?“ – „Wir prüfen noch.“).
Wer nicht mehr prüft, ist Nintendo: Dass der Super-Mario-Konzern den Auftritt im „Epizentrum einer neuen Popkultur“ streicht, hat die Gamescom-Werber nicht davon abgehalten, Bilder vom hochfrequentierten Messestand im offiziellen „Gamescom is back“-Trailer zu verarbeiten – das gibt Abzüge im Erwartungsmanagement.
Nintendo wird also nicht davon profitieren, wenn sich die Gamescom „von der Verniedlichung vergangener Tage emanzipiert“. Stattdessen tourt der Switch-Hersteller mit Spielstationen über Stadtfeste und durch Freizeitparks. Goodies, Games, Gewinnspiele – ganz oldschool.
Zwar sind Tourstopps wie das Maschseefest-Fest in Hannover nicht zwingend ein Ersatz für ein parallel stattfindendes „Coachella der Gamer“. Aber zumindest das Legoland Günzburg und der Center Parc Allgäu sind zumindest geografisch ja fast schon eine Art Basel.
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
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Also Giveaways usw. gehören jetzt der Vergangenheit an? Ich finde das geht gar nicht. Gerade diese Dinge, Giveaways, Challenges etc. tragen doch zum Feeling der Gamescom dabei. Jedoch geht es den Veranstaltern wie allen anderen auch wieder nur um das eine: Wie schlage ich aus etwas bestehndem noch mehr Kapital
Ist es nicht genau das, was im Artikel auch schon angesprochen wurde von wegen erhöhter Ticketpreis? Und dann noch das „Vorkaufsrecht“ für alle diejenigen, die sich für 170€ im Merch-Store irgendwelche Goodies von vor 2 Jahren gekauft haben? Oder die erhöhten Preise für Aussteller?
Soweit ich weiß konnten Veranstalter doch Coronahilfen beantragen, dann bleiben ja nur noch 2 Theorien übrig: Entweder die Köln Messe GmbH legt schon einmal vorsorglich ihr „Hygienekonzept“ auf die Besucher um oder man hat im Gegensatz zur Lufthansa nicht so viel bekommen wie eigentlich benötigt und das soll dann jetzt wieder aus den Besuchern gepresst werden.
Egal was es ist, ich sehe das kritisch und werde deshalb die Messe dieses Jahr vorraussichtlich vor Ort ausfallen lassen.
Ich bin schon wirklich sehr lange auf der GC, das werfen von Goodies verbieten? Sorry aber das ist Blödsinn, das passiert auch auf vielen anderen seriöseren Messen, das sollte man umbedingt überdenken. Man hat schließlich dadurch immer eine schöne Erinnerung wenn man an sein Schlüsselbund schaut und Monate nach der Gamescom noch eine schöne Erinnerung hat. Gamescom bitte werdet nicht so trocken seriös wie andere Messen bleibt euch treu, die letzten Vorort Gamescoms waren immer spitze und überdenkt das bitte mit den Goodies!
Ach verdammt, wie kriege ich denn jetzt noch mehr Schlüsselbändchen an mein ohnehin schon überfülltes Brettchen? Jetzt mal ohne das Sarkasmus-Schild, ich fand die Schlüsselbändchen immer ein nettes Goodie zum mitnehmen. Da konnte man schön erkennen welcher Aussteller sich Mühe gibt und welcher nicht. Die Qualität der von der Gamescom an Fachbesucher ausgegebenen Bändchen hat über die letzten Jahre ja auch stark abgenommen. Und mit etwas Tauschgeschick gab es dann das ein oder andere „inoffizielle“ Bändchen abzustauben.
Dennoch, ich sehe die Gamescom nicht als „die seriöse“ Veranstaltung wie die Köln Messe GmbH es vielleicht gerne hätte. Immerhin richten sich Spiele seid jeher überwiegend an die jüngeren Altersgruppen, auch wenn (zu Recht) immer mehr USK 16/18 Spiele veröffentlicht werden, so bleibt es eben doch eine recht jugendliche Zeilgruppe und somit zwangsläufig auch Veranstaltung. Die Gamescom wird nie das Image einer Züchter, Landwirtschafts oder Food-Messe erreichen und das ist auch volkommen in Ordnung! Spiele sind ein Medium, manchmal laut, manchmal Bunt aber immer mit dem ziel das Publikum in den Bann zu ziehen und so sollte auch die Gamescom sein. Soll heißen, dass ich stark hoffe, dass die Bühnenshows weiterhin so zahlreich wie spannend gestaltet werden!
Bei allem Brimborium begrüße ich es aber dennoch wenn der Pegel etwas nach unten gedreht wird. Für mein Gehör sicher vom Vorteil 😄
Wenn jetzt allerdings versucht wird die Verluste der letzten Pandemiejahre ausschließlich über den Besucherbereich wieder reinzuholen und danach sieht es aus denn schließlich waren „Vorkaufsrechte“ für Tickets zwingend an Merchpakete gekoppelt, dann sehe ich das als Besucher schon sehr kritisch und überlege mir noch mehr, ob sich ein Besuch lohnt. Auch wenn Tickets vergleichsweise günstig daherkommen sollten, das kann ich so schlecht nachvollziehen, ist das immer noch ein derber Schlag gegen die Hauptzielgruppe der Messe. Ich bezweifle, dass sich rein die Fachbesuchertage so sehr rentieren um damit die Entertainment Area bespielen zu können.
Zumal die Event- und Gastrobranche doch Milliarden an Corona-Hilfen erhalten hat oder nicht?
Das und der Umstand über die fehlenden Informationen bezüglich der genauen Zusammensetzung der Messe bezüglich Aussteller, dürfte den ein oder anderen, inklusive mir, durchaus dazu bewegen sich den besuch nochmalst gründlich zu überlegen
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