Start Meinung Barrierefrei und Spaß dabei (Fröhlich am Freitag)

Barrierefrei und Spaß dabei (Fröhlich am Freitag)

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Abheben mit GTA 5: Das Action-Abenteuer ist nur in Englisch vertont - barrierefrei ist anders (Abbildung: Rockstar Games)
Abheben mit GTA 5: Das Action-Abenteuer ist nur in Englisch vertont - barrierefrei ist anders (Abbildung: Rockstar Games)

Deutschland macht sich barrierefrei: Optische und akustische Hilfen sind bei der Computerspiele-Förderung künftig Pflicht.

Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

viele der 12.000 Reisenden, die im Schnitt täglich am Hauptbahnhof Fürth ein-, aus- oder umsteigen, stehen buchstäblich vor einem gewaltigen Problem: Denn zwischen dem Bahnsteig und der Fußgängerunterführung Richtung Innenstadt liegen lange, steile Treppen. Aufzüge oder Rampen gibt es nicht (Ausnahme: S-Bahn-Gleis).

Das ist nicht nur für Menschen mit Handicap eine unüberwindbare Hürde – auch Mütter und Väter mit Kinderwägen, Senioren oder schlicht Personen mit sperrigem Gepäck können nur darauf hoffen, dass Mitreisende zu Hilfe eilen.

Seit Jahren tobt ein zäher, zermürbender Streit um Zuständigkeiten und Finanzierung einer barrierefreien Lösung zwischen dem chronisch klammen Rathaus, der bayerischen Staatsregierung, dem Berliner Verkehrsministerium, dem Verkehrsverbund und der Deutschen Bahn. Hunderte ähnlich gelagerter Fälle gibt es in Deutschland.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Nun hat sich das Bewusstsein in der Gesellschaft seit Eröffnung der Haltestelle im Jahr 1835 glücklicherweise verändert. Keine Schule, kein Bürogebäude, keine Messehalle, kein Supermarkt, keine Toilette und ja: kein Bahnhof wird heute mehr neu oder umgebaut, ohne die Barrierefreiheit von Anfang an mitzudenken. Bei Pressekonferenzen sind Gebärdendolmetscher vielfach Standard.

Im vorgestern vorgestellten Ampel-Koalitionsvertrag (PDF) wird gleich an 26 Stellen auf das Thema abgehoben. Wörtlich heißt es: „Wir wollen, dass Deutschland in allen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens, vor allem aber bei der Mobilität (u. a. bei der Deutschen Bahn), beim Wohnen, in der Gesundheit und im digitalen Bereich, barrierefrei wird.“

Moment, „Wir wollen“? Dabei gilt doch: Machen ist wie wollen, nur krasser.

Auch bei Förderprogrammen soll die Barrierefreiheit stärkere Berücksichtigung finden. Bereits jetzt zu besichtigen ist dieser Vorsatz bei der deutschen Computerspiele-Förderung: In dieser Woche hat das bislang CSU-, künftig FDP-geführte Verkehrsministerium die neuen Richtlinien für Anträge ab dem 1. Dezember veröffentlicht. Wer Geld vom Staat haben will, muss neuerdings darlegen, „welche Maßnahmen für die barrierefreie Teilhabe“ im geförderten Spiel umgesetzt werden. Als Beispiele werden individuelle Einstellungsmöglichkeiten genannt, etwa optionale Untertitel oder gesonderte Schnittstellen zu Eingabegeräten.

Doch in der Praxis gibt es natürlich noch weit mehr denkbare Vereinfachungen: akustische Hinweise, automatische Kamera-Ausrichtung, überspringbare Sequenzen, Ziel-Assistenten, wiederholbare Tutorials, Pause-Funktionen – alles optional natürlich.

Die Vorgabe des Ministeriums ist überfällig. Nach wie vor gibt es genügend Spiele, die bestenfalls einen Einheits-Schwierigkeitsgrad anbieten oder deren Dialoge unvertont bleiben, während sich die Miniatur-Texte auf dem Bildschirm nur mit Mühe entziffern lassen.

Ja, Barrierefreiheit kostet zwangsläufig Geld und bedeutet teils erheblichen Zusatzaufwand. Die Funktionen müssen schließlich konzipiert, programmiert, implementiert und getestet werden. Dennoch ist ein stärkerer Fokus auf mehr Zugänglichkeit alternativlos – gerade vor dem Hintergrund, dass Spiele ja immer komplexer und umfangreicher werden und gleichzeitig neue, breitere Zielgruppen erschlossen werden sollen.

Immerhin: Allüberall spürt man das Bemühen der Branche, potenzielle Kundinnen und Kunden nicht länger auszuschließen:

  • So lassen sich im Microsoft Store vor dem Kauf Informationen abrufen, welche Zugangserleichterungen angeboten werden – von vorgelesenen Menüs über einstellbare Schriftgrößen bis hin zur farblich justierbaren Markierung von Gegnern.
  • Bei Publishern wie Ubisoft gibt es eigene ‚Accesibility-Teams‘.
  • Electronic Arts hat kürzlich entsprechende Patente freigegeben.
  • Und Naughty Dog zeigt mit The Last of Us Part 2 geradezu mustergültig, was schon jetzt alles geht – wenn man nur will.

Noch können sich Studios wie Rockstar Games den Luxus erlauben, Blockbuster wie Grand Theft Auto oder Red Dead Redemption ausschließlich mit englischer Sprachausgabe auszuliefern – auch hier wäre ein Umdenken ein wichtiger Schritt in Richtung Barrierefreiheit.

Denn am Ende geht es um nicht weniger als Produktqualität – und davon profitieren alle Gamer, egal ob mit oder ohne Handicaps. Niemandem wird etwas weggenommen, aber mehr Menschen können mitspielen.

Mit Blick auf den Fürther Bahnhof kam zuletzt übrigens etwas Bewegung in die Sache – wenn alles glatt läuft, könnten demnächst die Planungen für ebenerdige Zugänge starten. Geplante Fertigstellung: nicht vor 2027.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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