Was ist eigentlich „Gameplay“ – und wenn ja, wie viele? Angelockt von überzogenen Versprechungen hinterließ die Xbox-Series-X-Show vor allem eines: Ratlosigkeit.
Verehrte Leserinnen und Leser,
wer sich am gestrigen Abend vor den Rechner setzte, um den von Microsoft versprochenen Ausblick auf die Xbox-Series-X-Spiele der kommenden Konsolengeneration live zu verfolgen, muss zum erweiterten harten Kern gerechnet werden: Xbox-Fans, Videospiel-Connaisseure, Entwickler, Publisher, YouTuber, Presse.
Also lauter kleine und große Influencer, die im besten Falle nach dem 45minütigen Livestream nur eines im Sinn haben: umgehend eine DAS-MÜSST-IHR-GESEHEN-HABEN-Botschaft über ihre virtuellen Stammtische rauszublasen.
Stattdessen: überwiegend Ratlosigkeit. Teils Wut. Und natürlich viel Spott und Häme.
Wieso das denn? Weil der vermeintliche Schluss- und Höhepunkt der Show – der Ubisoft-Blockbuster „Assassin’s Creed Valhalla“ – nicht das im Vorfeld angekündigte „Gameplay“ zeigte, also ‚echte‘ Spielszenen. Sondern schnell geschnittene Passagen aus Zwischensequenzen und Momentaufnahmen, die in keiner Sekunde vermittelten, wie sich das Spiel anfühlt. Selbst im Nachgang schwadronierte Ubisoft via Pressemitteilung von einem „Gameplay-Trailer“ – der Begriff findet sich auch nach wie vor auf der Xbox-Website.
Entsprechend groß fiel die Enttäuschung aus – ein Gefühl, das Kinder von Weihnachten kennen, wenn statt des ersehnten Fahrrads nur ein Dreirad unterm Baum steht.
Die Folge: Der Hashtag #Gameplay trendete bei Twitter in allen führenden Weltsprachen – und nicht im positiven Sinne.
Dass Microsoft en passant ein Dutzend schöner Weltpremieren angekündigt hatte, geriet da glatt zur Nebensache. Auch über kundenfreundliche Features wie „Smart Delivery“ – Spiel für Xbox One kaufen, Spiel später beim Umstieg auf Xbox Series X gratis nutzen – wurde kaum noch philosophiert.
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Wenn es stimmt, dass es für den ersten Eindruck keine zweite Chance gibt, dann war das gestern ein verschossener Elfmeter, um gegenüber der PlayStation 5 von Mitbewerber Sony Interactive medial in Führung zu gehen. Beide Unternehmen wollen im Herbst frische Konsolen für geschätzte 400 bis 500 Euro verkaufen, die technisch vergleichbar sind – da muss jeder Schuss sitzen.
Mag schon sein, dass die Vokabel „Gameplay“ je nach Absender und Adressat unterschiedlich interpretiert wird. Aber am Ende geht es gar nicht so sehr um ‚richtiges‘ oder ‚echtes‘ Gameplay – das kommt schon noch. Sondern um etwas viel Wichtigeres: Fairplay – gerade in der Kommunikation gegenüber dem erweiterten harten Kern.
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
Alle Kolumnen und Gastbeiträge finden Sie in der Rubrik „Meinung“.