Start Meinung Fröhlich am Freitag 11/2020: The happiest place on earth

Fröhlich am Freitag 11/2020: The happiest place on earth

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Die Gamescom 2020 soll planmäßig im August 2020 stattfinden.
Die Gamescom 2020 soll planmäßig im August 2020 stattfinden.

Die Gamescom 2020 trotzt dem Coronavirus – die Veranstalter demonstrieren damit eine Normalität, die es außerhalb des Messegeländes derzeit nicht gibt.

Verehrte Leserinnen und Lesern,

wenn Ihnen jemand vor vier Wochen prophezeit hätte, dass die Bundesliga-, NBA- und Champions-League-Saison abgebrochen werden, dass der Formel-1-Start entfällt, dass ungefähr alle Konzerte, Festivals, Messen und Märkte abgesagt werden, dass die E3 2020 seit 25 Jahren erstmals nicht stattfinden wird, dass die USA einen Einreisestopp für Europäer verhängt, dass Italien stillsteht, dass Schulen und Kitas bundesweit schließen und dass mit großer Wahrscheinlichkeit Fußball-EM und Olympia kippen, dann hätten Sie ihm wahrscheinlich den Vogel gezeigt.

Zurecht.

Seit heute Nacht ist klar, dass auch Disneyland Coronavirus-bedingt vorerst den Betrieb einstellt. Wenn selbst „the happiest place on earth“ pausiert, weiß man: Es ist ernst.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

 

Keine Frage, wir werden derzeit Zeuge eines gigantischen Live-Experiments, für das es keine Blaupause gibt, kein historisches Vorbild, keinen Plan. Alle fahren auf Sicht: Regierungen, Unternehmer, Mediziner, Veranstalter. Abgesagt, zugesperrt und verschoben wird oft in letzter Minute, dann, wenn es gar nicht mehr anders geht.

Es ist, als würde die Welt auf einen Bluescreen starren. Wann immer in den kommenden Wochen und Monaten der Reset-Knopf gedrückt wird, kann man nur hoffen, dass der Rechner wieder ohne Murren hochfährt.

Ob „danach“ wieder alles so ist, wie wir es bis Silvester 2019 gewohnt waren – zweifelhaft. Vielfach wird man sich danach die Frage stellen, ob es Gewohntes überhaupt „braucht“. Wie systemrelevant ist es etwa in der Games-Branche, dass die Mitarbeiter zwingend morgens auf der Matte stehen und ihre Kernarbeitszeit neben der Hydrokultur-Palme im Büro verbringen? Wie unverzichtbar sind Marketing-und Vertriebs-Meetings am anderen Ende der Welt, zu denen die Teilnehmer eingeflogen werden? Und geht es nicht auch ohne mit Millionen-Aufwand gezimmerte Messestände, um – siehe Nintendo Direct – bei Twitter zu trenden?

Letzteres wird insbesondere die E3-2020-Ausrichter beschäftigen, die ohnehin seit Jahren mit schwindender Relevanz zu kämpfen haben – plus aufmüpfigen Publishern, die zwar gerne das E3-Fenster für Remmidemmi nutzen, aber sich buchstäblich die Standfläche sparen. Trotzig freut man sich beim US-Verband schon jetzt tierisch auf die E3 2021.


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Streiten kann man darüber, wie sensibel es war, den Gamescom-Ticket-Vorverkauf ausgerechnet wenige Minuten nach der E3-Absage zu starten. So, als wäre nichts gewesen. Überhaupt demonstrieren die Kölner bemerkenswerte Normalität und rheinländischen Et-hätt-noch-immer-jot-jejange-Frohsinn – Motto: Bitte gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen. In den Pressemitteilungen feiert man sich zwar selbst für den „erneuten Anstieg bei den Early-Bird-Buchungen“ und die Anpflanzung eines „Gamescom Forest“. Die Vokabel „Coronavirus“ taucht aber nirgends auf.

Nichts soll den Nimbus der Gamescom als „happiest place on earth“ trüben – nach Disneyland, versteht sich.

Doch das ist illusorisch: Wäre die Gamescom 2020 nur wenige Wochen früher terminiert, etwa im Juli, hätte man die Veranstaltung schon längst abgesagt.

Egal, wie die kommenden Tage ablaufen: Jeder ahnt, dass im August nichts so sein wird wie 2019. Die Aussteller, mit denen ich spreche, wissen das – und sie handeln danach. Es wäre nur fair, würde man das auch den Gamescom-Besuchern schonend beibringen.

Ein schönes (und gesundes) Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


Alle Kolumnen und Gastbeiträge finden Sie in der Rubrik „Meinung“. Eine ausführliche Analyse der Gamescom-2020-Situation im Lichte der Coronavirus-Lage finden Sie hier.