Bethesda beliefert Redaktionen und Influencer nicht mehr vorab mit Testmustern von Spielen wie Dishonored 2 – sondern erst zum Release, also in diesem Fall kurz vor dem 11. November. Die absehbare Entrüstung ist scheinheilig, findet Petra Fröhlich.
[no_toc]Wer die vielfältigen Reaktionen auf die neue Bethesda-Regelung durchliest, könnte auf den Gedanken kommen, es sei ein verfassungsrechtlich verbrieftes Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit verlustig gegangen.
Dabei führt Bethesda nur das fort, was bei Doom im Mai scheinbar erfolgreich erprobt wurde: Spielemuster nicht mehr wochen- oder tagelang im Voraus zu versenden, sondern erst zum Tag des Releases.
Erstaunlicherweise war in der Vergangenheit von Medienhäusern und Youtubern wenig Wolfsgeheul zu vernehmen, sofern sie zur glücklichen Elite der Bemusterten gehörten – und andere (= kleinere = „unwichtigere“) eher nicht.
Nicht selten sind es die selben Kanäle, die sich von Publishern mit großer Dankbarkeit Flüge, Hotelzimmer und Entertainment-Programm bezahlen lassen, damit Artikel und Vorab-Videos überhaupt zustande kommen.
Bethesda-Testmuster erst zum Release: Alles Recht der Welt
Dabei lautet die Wahrheit: Ein Publisher hat jedes Recht der Welt, Testmuster vorab zur Verfügung zu stellen oder auch nicht. Genauso wie ein Filmverleih das Recht hat, eine Pressevorführung zu veranstalten oder auch nicht (wie es beispielsweise Til Schweiger seit Jahren handhabt). Oder ein Buchverlag das Recht hat, Rezensionsexemplare an Literaturkritiker zu verschicken oder auch nicht.
Mehr noch, ein Publisher wie Bethesda darf auch die Entscheidung treffen, das Anspielen und Aufzeichnen nur ausgewählten Redaktionen oder Youtubern zu ermöglichen – und wer die Zusammenhänge kennt, sollte sich darüber nicht allzu sehr wundern.
Publisher und Studio haben eine Verantwortung für den Erfolg des Spiels, für die Marke, für die Entwicklerteams, für Jobs, für Aktionäre. Aus einer jahrzehntelang geübten Praxis ein ewigwährendes „Recht“ auf Vorabbemusterung abzuleiten, ist mindestens bemerkenswert. Wer viele Millionen Dollar und Euro in die Entwicklung investiert, kann und darf und muss selbst den Weg definieren, wie er seine Titel vermarktet.
Eine Firma muss abwägen, ob Tests zum Release eher nützen oder eher schaden. Um nicht in Einzelfallabwägungen abzudriften, wurde nun eben eine grundsätzliche Regelung getroffen.
Erste „Tests“ nach zwei Stunden Anspielen
Und wenn sich ein Unternehmen dafür entscheidet, im Vorfeld exakt gar nichts zu veröffentlichen – keine Fotos, keine Screenshots, keine technischen Daten -, dann ist das ebenfalls hinzunehmen. Siehe Apple.
In Zeiten, in denen Day-1-Patches und -Updates an der Tagesordnung sind, in denen Spiele wie Battlefield 1 erst unter Realbedingungen (= nach Release) seriös einzuordnen sind, in denen Story-Spoiler binnen Minuten durchs Netz jagen, in denen Spiele wie Witcher 3 gewaltige Ausmaße annehmen, in solchen Zeiten wird es immer fragwürdiger, überhaupt Testmuster vorab bereitzustellen.
Wer dies weiterhin so handhaben möchte, möge dies gerne tun. Aber wer es nicht tut, dessen Entscheidung sollte respektiert werden.
Sobald das Spiel auf dem Markt ist, können Spielekäufer, Redakteure und Youtuber ohne Einschränkung spielen, letsplayern, rezensieren, streamen, aufzeichnen, screenshoten und kritisieren.
Natürlich wird dies Medienschaffende und andere Influencer auch künftig nicht davon abhalten, erste „Tests“ nach zweieinhalb Stunden fröhlichen Anspielens in die Welt zu blasen. Aber die Regelung sorgt zumindest dafür, dass das Urteil auf einem (dann hoffentlich) fertigen Produkt basiert – und nicht auf Basis wilder Ach-so-der-Plotstopper-in-Mission-4-den-entfernen-wir-noch-Versprechen.
Die Macht der Verbraucher
Es spricht Einiges dafür, dass weitere Studios und Publisher dem Vorbild von Bethesda (Dishonored 2, Skyrim Special Edition) und Take Two (Mafia 3, Civilization 6) folgen. Bei Firmen wie Rockstar Games und Blizzard, die tendenziell Top-Produkte produzieren und wenig zu „verheimlichen“ haben, ist eine Vorabbemusterung im Übrigen seit Menschengedenken unüblich – ohne dass die meisten Spielekäufer dauerhaft Schäden davongetragen hätten.
Bei berechtigten Zweifeln haben Spielekäufer ein vergleichsweise simples Instrument in der Hand, um sich vor bösen Überraschungen gleich welcher Art zu „schützen“: dem eigenen Drang widerstehen und schlichtweg nicht vorbestellen – auch dann nicht, wenn dies mit der Teilnahme an einem Beta-Zugang verknüpft ist.
Die Forderung, man müsse als Verbraucher zwingend vor oder zur Markteinführung über die Qualität eines Produkts informiert werden, ist jedenfalls extrem brüchig. Gerüchten zufolge ist ein Spiel wie FIFA 17 nicht nur zum Release am 29. September, sondern auch noch viele Tage, Wochen, Monate später vorrätig.
Danke für diesen Beitrag. Ich kann nur zustimmen.
Mittlerweile spare ich es mir sowieso, Vorabtests in Magazinen zu lesen und warte bis das Spiel veröffentlicht wurde. Eigentlich sollte jeder Spieler über die neue Vorgehensweise froh sein. So erhält er erst dann einen Test, wenn alle Inhalte – abgesehen von Day 1 Patches – vorhanden sind.
Die gängige Praxis würde Ich sogar noch verschärfen, auch wenn Spielemagazine, Youtuber, LetsPlayer, und andere „Priviligierte“, ein Testmuster vorab bekommen, ist schon am Erscheinungstag, jeder Pixel vom jeweiligen Spiel bekannt, da keiner der letzte sein will der mit den „News“ rauskommt. Wo da das selbstrausfinden von Spielmechaniken, und letztendlich ja auch der Spielspass herkommen soll, erschließt sich mir jedenfalls nicht. Letsplayer sind imho eine I-Net-Seuche, kein Mensch braucht die Xte „Ich zeig euch mal wie das geht“ Version von einem Spiel, auf möglichst allen verfügbaren Plattformen, die Datenmüllberge die dabei entstehn sind nicht bezifferbar.
Was die Macht der Verbraucher anlangt, vergessen viele alle guten Vorsätze sobald wieder eine Einladung zum Betatest samt VorbestellerBonus ansteht. Mit der Masse der Dummen, meist jüngeren Klientel, ist immer noch das meiste zu verdienen, das wissen die Marketingleute der Firmen ganz genau, und nutzen es gnaden und schamlos aus.
Gruß
Klabautermann
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