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Deutscher Computerspiel-Markt: Kulturgut sucht Publikum

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Kulturgut Computerspiel im Branchenvergleich mit Film und Musik (Fotos: Constantin Film Verleih / Ubisoft / Getty Images / Franziska Krug / DCP)
Kulturgut Computerspiel im Branchenvergleich mit Film und Musik (Fotos: Constantin Film Verleih / Ubisoft / Getty Images / Franziska Krug / DCP)

Wie gut erreichen deutsche Computerspiele-Studios ihr Heimat-Publikum vor der Haustür? Nur unzureichend, wie ein Branchenvergleich mit Film und Musik zeigt.

[no_toc]Spiele sind Kulturgut – wer das noch nicht wusste, der hat es bei der Gamescom-Eröffnungsrede direkt von der Kanzlerin erfahren. Das Kulturgut-Etikett ist für die Branche an vielen Fronten von großer Bedeutung – vom Jugendschutz über die Archivierung bis hin zu Fördertöpfen. Fast zehn Jahre ist es her, dass der Deutsche Kulturrat den Games-Sektor in die eigenen Reihen aufgenommen hat.

In Wohn- und Kinderzimmern und auf Smartphones ist dieses Kulturgut längst Alltag, doch im Wesentlichen handelt es sich um finnische, kanadische, japanische, polnische oder amerikanische Kultur in Form von „Final Fantasy“, „The Witcher“ oder „Call of Duty“.

Denn der Export-Weltmeister Deutschland ist gleichzeitig Games-Importweltmeister – von 100 Euro, die 2016 in Deutschland für Spiele ausgegeben wurden, entfielen nur 6,40 Euro auf deutsche Entwicklungen. Dieser Marktanteil ist seit Jahren rückläufig.

Von weit über 1 Milliarde Euro, die im vergangenen Jahr für PC- und Konsolenspiele ausgegeben wurde, landeten nur 6 Millionen Euro auf den Konten deutscher Studios. Der Marktanteil am größten Umsatz-Tortenstück liegt bei 0,5 Prozent.

Kurzum: Während der globale und der deutsche Software-Markt wächst, gelang es den Entwickler-Studios zuletzt immer seltener, die immerhin 100 Millionen Verbraucher im deutschsprachigen Raum von den eigenen Produkten zu überzeugen.

Inlands-Marktanteil deutscher Games-Entwickler 2016 (Quelle: BIU, GfK)
Inlands-Marktanteil deutscher Games-Entwickler 2016 (Quelle: BIU, GfK)

Kulturgut Computerspiele: Film und Musik punkten in der Heimat

Die Gründe für diesen Zustand sind vielschichtig und haben natürlich nicht zuletzt damit zu tun, dass andere Kreativ-Branchen seit Jahrzehnten von Seiten der Politik kräftig unterstützt werden, um kulturelle Vielfalt zu schützen und zu stützen.

Beispiele sind die Buchpreisbindung, reduzierte Mehrwertsteuersätze für Printprodukte, umstrittene Gesetze wie das Leistungsschutzrecht, Einrichtungen wie die GEMA und der öffentlich-rechtliche Rundfunk, hochdotierte Auszeichnungen und natürlich die Förderung von Film- und TV-Produktionen. Von den Subventionen profitieren natürlich nicht nur preisverdächtige Dokumentationen und Spielfilme, sondern auch leichte Komödien, Krimis und Kinderfilme.

Doch zur Wahrheit gehört ebenfalls, dass deutsche Musik- und Filmproduktionen zuverlässig ihr Publikum erreichen. Deutschsprachige Künstler quer durch alle Genres füllen nicht nur Mehrzweckhallen, sondern dominieren Radioprogramme und Charts. 70 der 100 meistverkauften Alben des Jahres 2016 entfallen auf deutschsprachige Musik, von Helene Fischer bis Cro. Mit Tonträgern und Downloads der Sparte „Pop National“ (umfasst Schlager, Rock, Dance, Hip-Hop usw.) machte die Musik-Industrie 2016 gut ein Drittel ihres Umsatzes – inklusive Hörbüchern und Kinderprodukten ist es sogar die Hälfte.

Auch der deutsche Film war in den vergangenen zehn Jahren kommerziell erfolgreich unterwegs – das Angebot trifft also auf Nachfrage und Kaufkraft.

Von solchen Zuständen ist die deutsche Games-Branche nicht nur weit entfernt: Der Abstand zur Weltspitze wächst, von wenigen Ausnahmen abgesehen.

Fußball, Film und Fernsehen: Games-Umsatz 2016 in Deutschland im Branchenvergleich.
Fußball, Film und Fernsehen: Games-Umsatz 2016 in Deutschland im Branchenvergleich.

Kulturgut Computerspiele: Hoffnung ruht auf Games-Förderung

Richten soll es nun die Games-Förderung. Eine derartige Förderung ist bislang Ländersache. Genauer: Förderung einzelner Länder, denn in Hessen, Rheinland-Pfalz oder Hamburg gibt es solche Instrumente schlichtweg nicht. Wenn die kommenden Wochen und Monate nach den Erwartungen der Branchenverbände laufen, wird im Koalitionsvertrag ein Fördermodell auf Bundesebene verabredet, das aber nicht vor dem zweiten Halbjahr 2018 in Kraft treten dürfte. Erste geförderte Spiele werden daher frühestens 2019, wahrscheinlich erst 2020 zu besichtigen sein.

Zwar ist Erfolg im Heimatmarkt nicht zwingend Voraussetzung dafür, um ein extrem profitables Business zu betreiben – frag nach beim Regensburger 10-Millionen-Euro-Studio CipSoft, dessen Kundschaft vorwiegend in den USA oder Brasilien zu Hause ist.

Film, Musik, Buch, Games: Kulturgut Computerspiele im Branchenvergleich 2016
Film, Musik, Buch, Games: Kulturgut Computerspiele im Branchenvergleich 2016

Doch selbst wenn die Steuerlast abnimmt und die Kapitalausstattung wächst: Das Problem der Sicht- und Wahrnehmbarkeit bleibt ungelöst. Gerade in den Appstores und auf Steam konkurrieren Neuheiten made in Germany weltweit mit Zigtausenden an Titeln. Zudem gibt es jenseits des Deutschen Computerspielpreises nur wenige Bühnen, die den Scheinwerfer auf hiesige Produktionen richten.

Die vorliegenden Konzepte der Verbände liefern gute Vorschläge, wie die Entwicklung konkurrenzfähiger Produkte finanziert werden soll – sie beantworten noch nicht die Frage, auf welchen Wegen das hierzulande entwickelte Kulturgut ein zahlendes Publikum finden soll.