Start Meinung Gamescom 2023: Good to see ya again (Fröhlich am Samstag)

Gamescom 2023: Good to see ya again (Fröhlich am Samstag)

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Microsofts Gaming-CEO Phil Spencer und Wirtschaftsminister Robert Habeck auf der Gamescom 2023 (Foto: GamesWirtschaft)
Microsofts Gaming-CEO Phil Spencer und Wirtschaftsminister Robert Habeck auf der Gamescom 2023 (Foto: GamesWirtschaft)

Schlecht für das Konto, schlecht für das Klima, schlecht für den Körper, doch leider geil: die Halbzeitbilanz der Gamescom 2023.

Verehrte Gameswirtschaft-Leserin,
verehrter GamesWirtschaft-Leser,

als der Bundeswirtschaftsminister samt Entourage am Donnerstag kurz nach 9:15 Uhr auf den Xbox-Stand in Halle 8 der Gamescom 2023 zusteuerte, wartete dort bereits der Microsoft-Gaming-CEO. Die „Good to see ya again“-Begrüßung fiel ausgesprochen herzlich aus – man konnte fast meinen, die beiden würden sich schon seit Schulzeiten kennen.

Tatsächlich hatten sich Phil Spencer und Robert Habeck bereits tags zuvor getroffen – erst bei der Eröffnungs-Veranstaltung, im Anschluss beim Dinner im noblen Gästeclub der Koelnmesse, an dem auch die Spitzen des Branchenverbands teil nahmen. Direkt nach seiner Rede im Konrad-Adenauer-Saal wurde der Vizekanzler ins erste Stockwerk des Kölner Congress-Centrums gelotst, flankiert von Personenschützern des Bundeskriminalamts.

Keine fünf Minuten später folgte ihm das Who’s Who der internationalen Games-Industrie: Ubisoft-Gründer Yves Guillemot, Xbox-Boss Spencer, Embracer-CEO Lars Wingefors, unter anderem. Viele Milliarden Dollar Börsenwert fuhren brav mit der Rolltreppe nach oben, aufgereiht wie an einer Perlenkette. Kurz darauf huschte Bandai-Namco-Europa-Chef Arnaud Muller hinterher.

Details der vertraulichen Elefantenrunde wurden zunächst nicht bekannt. Tags darauf räumte Habeck auf Nachfrage ein, dass das geheime Treffen erstens tatsächlich stattgefunden hatte. Und dass es ihn zweitens überrascht habe, dass Industrielle dieses Kalibers offenkundig irrsinnig selten in so einer Konstellation zusammensitzen.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
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Wenn man so will, hat der Grünen-Politiker in zwei Tagen eine Art Crashkurs in Videospiele-Kunde absolviert – was von Vorteil ist, wenn das eigene Ministerium nicht nur für Rüstungs-Exportkontrolle, LNG-Terminals und Luft- und Raumfahrt zuständig ist, sondern eben auch für Games, Fördergelder und Computerspielpreis. Bei seinem Rundgang traf Habeck auf lokale Indie-Studios wie Mimimi Games genauso wie auf Publisher wie Astragon und eben Konsolen-Hersteller Microsoft.

Der US-Konzern hat in diesem Jahr erkennbar in die Gamescom investiert – es fühlt sich an, als habe man das eingesparte E3-Budget nahtlos von LA nach Köln transferiert. Neben Spencer – der mit dem 70-Milliarden-Dollar-Paket für Activision Blizzard gerade den teuersten Zukauf in der Microsoft-Geschichte eintüten darf – wurden weitere Top-Manager eingeflogen, darunter Chief Marketing Officer Jerret West, Vice President Aaron Greenberg und Starfield-Schöpfer Todd Howard.

Gleichzeitig betreibt Microsoft „den größten Xbox-Messestand, den es jemals auf der Gamescom gab“. Für die Quersubventionierung sorgen mehr Untermieter denn je – von Kalypso Media und Square Enix über CD Projekt Red bis hin zu Electronic Arts und Activision Blizzard, die dereinst feudale Sperrholzpaläste auf vielen tausend Quadratmetern beisteuerten.

Der Trend geht also erkennbar zum kosteneffizienten Zweitwohnsitz – bei der Koelnmesse ist man angemessen alarmiert. Schließlich wird das Produkt Gamescom auch danach beurteilt, dass sich die Weltmarktanteile eines Ausstellers zumindest grob an der gebuchten Hallenfläche ablesen lassen. Zumal sich ohnehin Phantomschmerzen bemerkbar machen, sobald ein Sony PlayStation, ein Take Two oder ein THQ Nordic fehlen.

Wer auch immer ab Ende des Jahres die derzeit ausgeschriebene Stelle des Director Gamescom ausfüllt, wird neben dem Untermieter-Phänomen weitere mitteldicke Bretter vorfinden, die zu bohren sind:

  • So ist die Streckenführung samt Nicht-Beschilderung weiterhin ein Albtraum. Aus dem Nichts werden Treppen, Ein-, Aus- Zu- und Übergänge mit Flatterband abgesperrt. Der rückgestaute Besucherstrom wird dann teils über Außenbereiche umgeleitet. Wer notgedrungen stumpf der Masse folgt, hat exakt keinen Anhaltspunkt, wo er letztlich ankommt. Halle 5.1? Halle 10.2? Düsseldorf? Man weiß es nicht.
  • Mag sein, dass die Bruttofläche abermals gestiegen ist. Zur Wahrheit gehört aber eben auch, dass davon netto vielerorts nichts zu spüren ist, weil zum Beispiel in der zusätzlichen Halle 1 zwischen Warteschlangen und Holzpaletten-Möbeln sehr, sehr, sehr viel Platz völlig ungenutzt bleibt.
  • Die Gamescom Opening Night Live fühlt sich weiterhin blutarm an – trotz erkennbarem Aufwand. Die zweistündige Eröffnungs-Show liefert kaum Premieren, dafür ein steriles, überraschungsarmes Stakkato aus Werbetrailern, Plattitüden und auswendig Gelerntem. Und: Mit jeder weiteren Ausgabe begeben sich die Veranstalter in noch größere Abhängigkeit von Produzent und Moderator Geoff Keighley, der dank gut geölter VIP-Drähte für den Glanz in Deutz sorgt.
  • Die Gamescom nimmt für sich in Anspruch, Leitmesse zu sein. Tatsächlich ist so gut wie kein Blockbuster des Weihnachtsgeschäfts auf dem Gelände anspielbar – kein Assassin’s Creed Mirage, kein Forza Motorsport 8, kein Call of Duty Modern Warfare 3, kein EA Sports FC 24, kein Marvel’s Spider-Man 2, kein Starfield, kein Super Mario Bros. Wonder, kein Alan Wake 2. Es spricht Bände, wenn 4 von 12 Produktkategorien beim amtlichen Gamescom Award an The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom gehen – ein Produkt, das seit Mai auf dem Markt ist.

Und trotzdem: Wer sich wie in einem Strömungskanal durch die Consumer-Hallen treiben lässt, stellt eben auch fest, dass sich die vielen zigtausend Besucher aller Altersklassen davon in keiner Weise beirren lassen und erkennbar auf ihre Kosten kommen. Angefangen vom Nippes der Fanartikel-Halle 5 über das Cosplay Village, den Retro-Bereich, die Indie Area bis hin zu Bühnenshows, Influencern und Turnieren. Ein ausgewachsener Traktor mit mannshohen Schlappen, Edelkarossen, Serien-Kulissen am Netflix-Stand: An Schauwerten mangelt es nicht – und an Spielen erst recht nicht.

Eine Attraktion für sich sind die zunehmend kostümierten Besucher. Da kommt es auch gar nicht so sehr auf Werkstreue an: Gestern kam mir ein Aushilfs-Batman mit Motorrad-Lederhose, gefütterten Winterstiefeln, umgehängtem Bettlaken und einer Fledermaus-Maske zweifelhaften Ursprungs entgegen – er hat’s gefühlt, soviel ist sicher.

Die Gamescom 2023 ist – das lässt sich nach Schließung der Business Area und eingangs des ausverkauften Wochenendes konstatieren – nach harten Pandemie-Jahren wieder auf Kurs. Mehr noch: Der Stellenwert für die Branche, für Köln, NRW und die Republik ist eher gestiegen. Ich habe bei meinen Gesprächen niemanden getroffen, der das nicht erkennt und anerkennt, trotz aller (berechtigter) Klage über Kostenexplosionen. Denn Aussteller und Gäste werden gleichermaßen geschröpft – von der gierigen Hotellerie und Gastronomie ebenso wie von der Koelnmesse, die Autofahrern mal eben 20 € für den Stellplatz abnimmt.

Doch nach zwei rein digitalen Corona-Ausgaben und einer schaumgebremsten Comeback-Gamescom im Vorjahr scheint sich die Erkenntnis durchgesetzt haben, dass ein vollwertiges Vor-Ort-Erlebnis nicht zu ersetzen ist – weder durch Livestreams noch durch ‚Showcases‘. Tatsächlich war in den offiziellen Verlautbarungen zuletzt nirgends mehr die Rede vom strapazierten ‚Hybrid‘-Ansatz – selbst die zusammengelötete Gamescom-Endverbraucher-App wurde eingemottet. Niemand wird sie vermissen.

Diese Live-is-live-Vibes dürften auch die verantwortlichen CEOs und Marketing-Chefs wahrgenommen haben, die ja seit Anbeginn der Gamescom damit hadern, dass sich die immensen Kosten für Mensch und Material nicht ansatzweise in Um- und Absatz übersetzen lassen. Bei der Gamescom geht es indes um Sichtbarkeit – und natürlich Fanservice.

Ab Montag beginnen demzufolge die Vorbereitungen für die Gamescom 2024 – der Termin steht bereits. Vom 21. bis 25. August heißt es dann wieder: Good to see ya again.

Ein schönes Wochenende, den Privatbesuchern weiterhin viel Spaß in Köln und den Fachbesuchern eine erfolgreiche Rekonvaleszenz in der Eistonne wünscht

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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3 Kommentare

  1. Danke für den schönen Artikel, ich war selber die letzten Tage auf der Gamescom und kann nur sagen das es mir sehr viel Spass gemacht hat und es 1000x mal besser war als zuhause mir Streams von Veranstaltungen anzuschauen.
    Man muss das Gefühl „Gamescom“ selbst erleben, Messeluft schnuppern, 30k Schritte an einem Tag absolvieren, an Bühnenshows teilnehmen sich für Spiele anstellen und vieles mehr…
    Ich sehe so oft bekannte Gesichter wieder von vergangenen Gamescoms, auch Mitarbeiter von verschiedenen Booths, welche seid Jahren dabei sind. Es ist jedes Jahr wie ein Come-together mit Menschen die das gleiche Hobby teilen oder zumindest in einer Art ausleben (Gaming, Cosplay …)
    Es gibt natürlich auch Verbesserungspotenziel, aber wo gibt es das nicht? Es wäre sehr schön wenn die Messe Ihr kulinarisches Angebot erweitert, abseits von Pizza und Wurst. Einige Publisher hätte ich schon gerne wieder an Board, aber da kann die Gamescom selber wohl auch nicht viel dran machen.

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