Start Meinung Love-Brands (Fröhlich am Freitag)

Love-Brands (Fröhlich am Freitag)

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So stellt sich die KI ein 'deutsches' Grand Theft Auto vor. Nun.
So stellt sich die KI ein 'deutsches' Grand Theft Auto vor. Nun.

Computerspiele sind ein Milliarden-Biz, aber eben auch Kulturgut. Und im besten Fall Love-Brands. Das könnten Deutschlands Games-Entwickler noch etwas öfter zeigen.

Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

in der zu Ende gehenden Woche ist faktisch täglich weißer Rauch aufgestiegen: Am Dienstag im Bundestag, gestern an der Sixtinischen Kapelle und zwischendrin auf YouTube, weil Rockstar Games aus dem Nichts und auf halber Strecke zwischen Trailer 1 (Dezember 2023) und Release (Mai 2026) ausnahmsweise proaktiv zu Grand Theft Auto 6 kommuniziert hat.

Es war auch eine Woche mit außergewöhnlich vielen Anfragen von Medien, die wissen wollten, was denn mit Blick auf die deutsche Games-Industrie von der neuen Bundesregierung zu halten sei. Sprich: Wo drückt der Schuh? Wird jetzt alles gut? Und vor allem und immer wieder die Frage: Warum braucht eine super-erfolgreiche Branche eigentlich Fördermittel? Ein Instrument, bei dem allein der Bund in fünf Jahren mehr als 200 Mio. € überwiesen hat – inklusive der Länder kommt man auf eine Viertelmilliarde.

Daran anknüpfend: Warum müssen Spiele überhaupt in Deutschland entwickelt werden? Kann man die nicht einfach … importieren? So wie Fernseher, Smartphones und alles von Nintendo?

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Meine diesbezügliche Antwort ist meist dreigeteilt.

Argument 1: das Wirtschaftliche. Deutschland sollte den Anspruch haben, nicht nur Absatz-, sondern auch Produktions-Standort zu sein. Zwischen diesem Anspruch und der gelebten Wirklichkeit klafft ein Delta: Denn die Kern-Branche mit ihren roundabout 1.000 Betrieben, 12.000 Beschäftigten und dreikommanochwas Milliarden € Umsatz ist weiterhin nicht wirklich groß. Selbst wenn sich diese Kennzahlen verdoppeln würden, wäre es weiterhin ein vergleichsweise kompakter Zweig der Kreativwirtschaft.

Argument 2: das Technologische – naheliegend.

Und schließlich Argument 3: das Kulturelle. Von Verbands-Seite heißt es dazu gerne launig: Goethe wäre heute Game-Designer. Schließlich würden Geschichten immer seltener via Buch und Film, dafür immer öfter via Spiel erzählt. Das halte ich zwar für eine reichlich kühne (und streng genommen: nicht haltbare) These. Aber es klingt natürlich schön griffig.

Was stimmt: Entlang von Literatur, Musik, Funk und Fernsehen wird Lokalkolorit in alle Welt exportiert – zu besichtigen an Squid Game, Stieg Larsson, The Witcher. Die Grundlage für den Sehnsuchtsort Schweden wird bereits frühkindlich entlang der Lindgren’schen Bullerbü-Idylle gelegt. Riesige Conventions sind allein japanischer Popkultur gewidmet.

Und natürlich geschieht das auch an PC, Konsole und Smartphone: Eine ganze Generation von Heranwachsenden dürfte entlang von GTA 6 mit einem Bling-Bling-Abzug von Miami sozialisiert werden. Wer Kingdom Come: Deliverance 2 gespielt hat, wird sich im mittelalterlichen Böhmen besser zurechtfinden als im Hunsrück oder an der Mosel. Red Dead Redemption, Assassin’s Creed, Black Myth Wukong, ein God of War Ragnarök – sie alle feiern Architektur, Design, Sprache, Brauchtum, Sagen, Feiern, Riten, also Kultur im weitesten und besten Sinne.

Und weil sie das mit besonders viel Liebe zum Detail machen, sind es eben vielfach auch echte ‚Love Brands‘ – Geschichten und Protagonisten, die berühren und eine emotionale Bindung zulassen. Und deren Verehrung durch Memes, T-Shirts, Letsplays, Verfilmungen und Cosplays zum Ausdruck kommt.

Just an dieser Stelle – beim Geschichten-Erzählen, Welten-Bauen, Character-Designen, kurzum: Love-Brand-Kreieren – hat Deutschlands Games-Branche nach wie vor ein ziemlich großes und wie ich meine: nicht akzeptables Defizit. Das auch durch die Förder-Millionen nicht erkennbar gelindert wurde.

Ablesen lassen wird sich dieser Befund demnächst daran, dass die Figuren, die am kommenden Mittwoch bei der Verleihung des Deutschen Computerspielpreises in Berlin auf dem Roten Teppich flanieren und posieren, sehr wahrscheinlich wieder aus allen möglichen, tendenziell weit, weit entfernten Galaxien anreisen. Aber eben geringen bis keinen Bezug zum Anlass der Veranstaltung haben.

Dabei ist es erklärtes Ziel des Geld- und Gesetzgebers, dass durch die Förderung eben auch deutsche oder zumindest europäische Kultur sichtbar wird – oder zumindest hauchzart durchschimmert. Wer Zuschüsse haben will, muss daher zwingend einen sogenannten Kulturtest ausfüllen. Klingt ein bisschen anrüchig, nach Gesinnungstest und so, ist aber eher harmlos. Tatsächlich genügt es, wenn das Spiel in Deutschland entwickelt wird, (auch) auf deutsch erscheint und einen wie auch immer gearteten Bezug zu Deutschland oder Europa aufweist.

Beim Autobahn-Polizei-Simulator gelingt das besonders leicht. Doch mit Ausnahme von Tetris wird sich dieser Bezug faktisch immer irgendwie hinbiegen und verargumentieren lassen. Erfahrene Antragsteller wissen: Um am Kulturtest zu scheitern, muss man sich schon ein bisschen dolle anstrengen. Das ist auch dem Bundesrechnungshof aufgefallen, der bereits nölte, im Einzelfall würden die Kriterien (Zitat) „sehr weit ausgelegt“. Die Verantwortlichen mögen doch bitte ein bisschen genauer hinschauen und nicht alles durchwinken.

Da würde ich mich glatt anschließen. Denn natürlich entstehen in Deutschland schraubengenau ziselierte Simulationen und wunderbare Aufbau- und Strategiespiele. Aber viel zu selten echte Love-Brands. Und die wenigen Love-Brands, die wir mal hatten, wurden nicht immer gut gepflegt.

Machen Sie gerne mal den Kulturtest: Wie viele Franchises oder Figuren oder Spielwelten made in Germany fallen Ihnen ein, die ein so klar umrissenes Profil haben, dass man sie mit Freuden auf einem Hoodie spazieren tragen würde (wenn man nicht gerade Messestand-Dienst schiebt)?

Dass Europas Entwickler grundsätzlich in der Lage sind, Love-Brands zu produzieren, zeigen Beispiele wie Larian (Baldur’s Gate 3), Guerilla Games (Horizon), CD Projekt Red (Cyberpunk 2077, The Witcher), Hazelight (It Takes Two, Split Fiction) oder ganz aktuell Sandfall Interactive mit Clair Obscur: Expedition 33.

Genau solche Titel sind gemeint, wenn von ‚Leuchttürmen‘ die Rede ist – also GOTY-Kandidaten. Das muss das Ziel sein. Und ja, das lässt sich nicht übers Knie brechen und erst recht nicht aus der Portokasse finanzieren.

Aber just fürs Groß-Denken, auch mit Blick auf Games, gibt es ja seit wenigen Tagen eine eigene Behörde – nämlich das Ministerium für Forschung, Technologie und Raketenwissenschaft.

Den Nominierten ganz viel Erfolg beim Deutschen Computerspielpreis und Ihnen allen zunächst ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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