Der Handel scheut jede Festlegung, wann und wo sich die PS5 kaufen lässt – ein Jahr nach Markteinführung. Indizien liefert der ‚PlayStation 5-Code‘.
Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
in Arbeitszeugnissen macht es bekanntlich einen gewaltigen Unterschied, ob ein Bewerber „stets zu unser vollsten Zufriedenheit“ oder lediglich „zu unserer Zufriedenheit“ tätig war. Alle wissen: Wenn ein Mitarbeiter „den Erwartungen entsprochen“ hat, ist das kein Lob.
Mit Ausnahme von Briefkopf, Adresse und Datum sind solche Arbeitszeugnisse eine einzige Ansammlung verklausulierter Geheimcodes im Dan-Brown-Format, mit denen sich Personalchefs wechselseitig zarte Hinweise über die Eignung von Kandidaten geben.
Aber warum werden nicht einfach Ross und Reiter benannt? Weil das Zeugnis gleichzeitig „wahr“ und „wohlwollend“ sein muss. So will es das Gesetz. Dass jemand durch seine „Geselligkeit zur Verbesserung des Betriebsklimas“ beigetragen hat, mag zwar erstens wahr und zweitens wohlwollend sein, kann aber bedeuten, dass fröhlich dem Alkohol zugesprochen wurde – gerne auch während der Arbeitszeit.
Längst ist auch der deutsche Einzelhandel dazu übergegangen, mit Codes und versteckten Hinweisen die Warenverfügbarkeit der PlayStation 5 zu kommunizieren. Denn die Händler wollen eigentlich gar nicht kommunizieren, ob und vor allem: wann man die Konsole bestellen kann. In den vergangenen Monaten ist es nie vorgekommen, dass mit hinreichend Vorlauf angekündigt wurde: „Morgen um 13 Uhr verkaufen wir übrigens die PlayStation 5“.
Der Grund: Auch fast ein Jahr nach Markteinführung ist das Sony-Gerät immer noch so stark nachgefragt, dass die Server unter der Traffic-Last mit Ansage röchelnd kollabieren würden. Selbst Amazon-Kunden kämpften in dieser Woche zum wiederholten Male mit technischen Problemen, Abstürzen und Fehlermeldungen – die App versagte zeitweise den Dienst. Und wenn es irgendwo nicht an Server-Kapazität mangelt, dann ja bei Amazon.
Jeder Händler hat sich deshalb seinen ganz eigenen PlayStation-5-Code zurechtgelegt, mit dem er Signale an jene berufenen Seher aussendet, die diese Signale erkennen, entschlüsseln und deuten können.
Beispiel 1: Otto. Auf der PS5-Übersichtsseite* steht grundsätzlich (auch in diesem Moment) folgender Satz: „Vielen Dank an alle, die eine PlayStation 5 bestellt haben. Aktuell ist die PlayStation 5 auf otto.de leider ausverkauft“. Erst dann, wenn dieser Text plötzlich anlassfrei fehlt, tauchen in den darauffolgenden Stunden die ersten PS5-Pakete auf.
Beispiel 2: Amazon. Zwischen den Verkaufsfenstern liegen meist mehrere Wochen – dazwischen ist die Konsole vergriffen. Falls doch mal wieder Ware im Lager eintrifft, wird die reguläre Artikelbeschreibung* von den Produktmanagern sinngemäß um folgenden Nebensatz ergänzt: „Amazon Prime Kunden haben vorrangigen Zugriff auf die PlayStation 5“. Wenige Stunden später, manchmal auch tags darauf wird das Kontingent dann freigeschaltet. Wobei „vorrangig“ die Untertreibung des Jahrhunderts darstellt: Denn Amazon verkauft die Konsole europaweit ausschließlich an Prime-Abonnenten.
Die Liste an Beispielen ließe sich seitenlang fortsetzen.
Die Sorge um einen unkontrollierten Kundenansturm treibt auch den stationären Handel um. Als man die PS5 am vergangenen Wochenende in MediaMarkt- und Saturn-Filialen gegen Anzahlung reservieren konnte, wurde das nirgends beworben – nicht im Prospekt, nicht auf der Website, nicht in Social Media, nicht im Newsletter, oft genug noch nicht mal im Laden selbst. Stattdessen mussten Bescheidwissende einen im Stoff befindlichen Verkäufer ausfindig machen und ansprechen, um mit viel Glück eine Vorbestellung aufgeben zu können. Übereinstimmenden Berichten zufolge sollen selbst die Mitarbeiter in der Games-Abteilung erst am Abend zuvor über die Aktion und das zugewiesene Kontingent informiert worden sein, so geheim ist das alles.
Wer sich gestern Vormittag bei der Otto-Hotline nach einer PS5 erkundigt hat, bekam die schmallippige Auskunft, dass die Spielkonsole derzeit nicht lieferbar sei und man nicht wisse, wann das Ding überhaupt wieder reinkäme. Wenige Minuten später startete der Online-Verkauf – danke für nix.
Zusammengefasst: Es ist ein Wahnsinn. Immer noch. Ohne es aus eigener Anschauung zu wissen, würde ich vermuten, dass der Drogen-Vertrieb im Görlitzer Park unkomplizierter und entspannter abläuft als der PS5-Kauf im deutschen Einzelhandel.
Analoges gilt im Übrigen für Microsofts Xbox Series X, die zuletzt palettenweise und bundesweit in Cyberport-Läden verfügbar war, ohne dass die Kundschaft darauf aufmerksam gemacht worden wäre.
Müsste man den Versendern und Elektronikmärkten ein Arbeitszeugnis ausstellen, es würde wohl lauten: „Man hat sich stets bemüht“.
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
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Warum? Weil es nur Re-seller gibt!!! Kein Mensch, der eine ps5 ergattert, will die für sich haben. Sofort nach einem drop findet man alle ps5 bei eBay…..
Unfassbar
Ich habe gestern auch eine gekauft und bezahlte sie nicht.
Natürlich für nen Freund und nicht für eBay
Das ist wohl wahr aber liegt eben auch am mangelnden Angebot. Wären PS5 und XBox in jedem Geschäft bis zur Decke gestapelt wie bisher üblich bei Konsolen gebe es auch keine Scalper.
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