"The Last of Us Part 2" im Test: Ellie kämpft mit Gegnern - und sich selbst (Abbildung: Sony Interactive)

Eines der letzten großen Spiele dieser Konsolen-Generation: Sonys „The Last of Us Part 2“ im GamesWirtschaft-Test – natürlich ohne Spoiler.

Ein zu Wasser gelassenes, schaukelndes, leeres Ruderboot mit Außenbordmotor. Das ist alles, was der Spieler im Hauptmenü zu sehen bekommt – mehr Understatement ist kaum vorstellbar.

Was darauf folgt, ist ein emotionales Trommelfeuer in einem der meisterwarteten Konsolenspiele der vergangenen Jahre: „The Last of Us Part 2“ (oder kurz: „The Last of Us 2“ / TLOU2), entwickelt vom kalifornischen Sony-Studio Naughty Dog („Uncharted“), ist neben „Ghost of Tsushima“ der letzte große Exklusiv-Titel von Sony Interactive für die PlayStation 4, die im November von der PlayStation 5 abgelöst wird.

Das „Us“ im Titel des Action-Adventures ist auch diesmal zweideutig, denn Teil 2 spielt erneut in den USA, unter anderem in Jackson (Wyoming) und Seattle. Die Protagonisten sind nicht nur „die Letzten von uns“, sondern auch die „Letzten der Vereinigten Staaten“. Denn die Sporen eines mysteriösen Pilzes haben weite Teile des Landes in Geisterstädte verwandelt, in denen sich Infizierte und Rebellengruppen bekriegen.

Anders als in Teil 1 übernimmt nicht der väterliche Beschützer Joel die Hauptrolle, sondern die inzwischen von der Teenagerin zur jungen Frau gereifte Ellie. Die Handlung ist fünf Jahre nach den Ereignissen des vielfach preisgekrönten Vorgängers angesiedelt und nimmt in Rückblenden regelmäßig Bezug, so dass auch Spieler ohne Vorkenntnisse inhaltlich grob folgen können.

Dass Sony Interactive eine lange Liste an Verratet-das-bloß-nicht-Vorgaben an die vorab spielende Presse herausgegeben hat, ist nachvollziehbar: Jeder Hinweis auf Schauplätze, Figuren und Verläufe würde viel von der Spannung und der ungewöhnlichen Erzählweise vorwegnehmen. Nur so viel: „Rache“ und „Hass“ sind zwei der ganz wesentlichen Motive dieses Spiels.

The Last of Us Part 2: Neben Infizierten bekommt es Ellie auch mit Rebellengruppen zu tun (Abbildung: Sony Interactive)
The Last of Us Part 2: Neben Infizierten bekommt es Ellie auch mit Rebellengruppen zu tun (Abbildung: Sony Interactive)

The Last of Us 2 im Test: Große Momente, große Gefühle

Wie schon für das 2013 erschienene „The Last of Us“ gilt: Das Spielerlebnis folgt einem klaren roten Faden und ist extrem linear. Der Spieler hat üblicherweise keine Wahl, welche Aufgabe oder Herausforderung er als nächstes angeht. Stattdessen hangelt sich Ellie – mal alleine, mal im Team – von einem überschaubaren, buchstäblich in sich abgeschlossenen Schauplatz zum anderen. Meist gibt es einen einzigen Eingang und einen einzigen Aus- und Übergang zur nächsten Station.

Vorteil: Anders als bei Open-World-Spielen wird die Spielzeit nicht durch lästige Bringe-A-nach-B-Botengänge gestreckt. Im Unterschied zu „Uncharted“ sind nur Spurenelemente von Rätseln enthalten. Wer längere Zeit erkennbar planlos herumirrt, bekommt vom Spiel auf Wunsch einen Tipp.

Szene aus "The Last of Us Part 2": Per Pferd legt Ellie längere Strecken in Seattle zurück (Abbildung: Sony Interactive)
Szene aus „The Last of Us Part 2“: Per Pferd legt Ellie längere Strecken in Seattle zurück (Abbildung: Sony Interactive)

Innerhalb des Areals ist man dann völlig frei in seiner Taktik: Oft empfiehlt sich behutsames, möglichst geräuschloses Schritt-für-Schritt-Vorgehen und vorsichtiges Erkunden in der Deckung von Gebüsch und Mauern. Wer genügend Munition mitbringt, kann aber auch eine brachiale Methode versuchen – die aber oft genug in einem Desaster endet, denn die Gegner kesseln gerne ein oder setzen Hunde ein, die Ellie auch in Verstecken aufspüren.

Taktiker bringen Sprengfallen an oder locken einzelne Gegner in den Hinterhalt. Weil das Spiel automatisch mitspeichert und zudem jederzeit Spielstände angelegt werden können, ‚verliert‘ man bei einem weiteren Versuch bestenfalls Sekunden.

Unterwegs werden Medikamente, Munition und Bauteile für Waffenverbesserungen eingesammelt: Schalldämpfer, Explosivpfeile, verminderter Rückstoß, mehr Kapazität und schnelleres Nachladen erhöhen den taktischen Spielraum. Dieser Upgrade-Vorgang erfolgt an Werkbänken und ist wunderbar inszeniert: Die Waffen werden liebevoll auseinander genommen, inspiziert, poliert, befeilt und verschraubt.

Auch die Fähigkeiten der Spielfigur lassen sich optimieren – dadurch kann Ellie zum Beispiel Gegner hinter Wänden erspüren, sich schneller aus Würgegriffen befreien oder bleibt beim Zielen ruhiger.

Herzschlagmomente: Aus der Deckung heraus nimmt es TLOU2-Hauptdarstellerin Ellie mit Wachposten auf (Abbildung: Sony Interactive)
Herzschlagmomente: Aus der Deckung heraus nimmt es TLOU2-Hauptdarstellerin Ellie mit Wachposten auf (Abbildung: Sony Interactive)

Zum Einsatz kommt ein bunter Strauß an Waffen: Pistolen, Schrotflinten, Gewehre, Bögen, Molotowcocktails, Rauchbomben – alle mit Stärken und Schwächen. Insbesondere die Schleichangriffe sowie Nahkämpfe mit Messern, Spitzhacken, Äxten und Dachlatten sind unglaublich intensiv, packend und teils verstörend. Wie schon „The Last of Us“ ist auch die Fortsetzung ab 18 Jahren freigegeben – aus Gründen: Die Gewaltdarstellung ist explizit und geradezu absurd brutal. Was andere Spiele ausblenden, wird hier in allen grausamen Einzelheiten und Details gezeigt.

Die Steuerung folgt Naughty-Dog-Standards: Wer mit „Uncharted“ & Co. vertraut ist, kommt schnell zurecht. Allenfalls das kunstvolle Umschalten zwischen den Waffen kann im Eifer des Gefechts zu Frustmomenten führen.

Überhaupt lässt sich „The Last of Us 2“ im Sinne der Barrierefreiheit bis in Details an persönliche Spielvorlieben anpassen – das geht so weit, dass es im Options-Menü eigene Einstellungen für Spieler mit körperlichen Handicaps gibt, etwa Hör- und Seh-Einschränkungen. So lassen sich akustische Hinweise aktivieren, sobald sich die Spielfigur einem erklimmbaren Gegenstand (Kiste, Auto) nähert.

„Den“ Schwierigkeitsgrad gibt es also nicht: Die Herausforderung ist immer so groß, wie es der Spieler zulässt. Allein das Ein- oder Ausschalten der automatischen Zielerfassung macht einen Riesen-Unterschied aus. Für alle identisch ist der immense Umfang von „The Last of Us 2“: Wer die mittlere Standard-Einstellung wählt, ist mindestens 30 bis 35 Stunden beschäftigt.

Gischt, Wellengang, Bugwellen: "The Last of Us Part 2" ist optisch eine Wucht (Abbildung: Sony Interactive)
Gischt, Wellengang, Bugwellen: „The Last of Us Part 2“ ist optisch eine Wucht (Abbildung: Sony Interactive)

Das liegt auch am Spielrhythmus, der an neuzeitliche TV-Serien erinnert: Herzkasper-Einlagen und wildes Gemetzel wechseln sich ab mit gemächlichen Rätsel-Einlagen oder auch stillen, teils hoch-emotionalen Momenten. Auf Action und Adrenalin folgen Atempause und Abkühlung – und umgekehrt.

Zwischendurch gibt es minutenlange Passagen, in denen exakt nichts passiert, etwa beim gemächlichen Ritt durchs tiefverschneite Geläuf oder bei der Besichtigung von Gebäuden. In Rückblenden lernt der Spieler die Figuren kennen. Zuweilen bleibt die Motivation für einen Ausflug zunächst unklar und findet erst später eine nachträgliche Erklärung. Erst Richtung Showdown fügen sich alle Stränge allmählich zu einem logischen Bild zusammen. Ein zweiter Durchlauf lohnt sich alleine deshalb, weil vermeintliche Zufallsbegegnungen oder das Verhalten einzelner Personen eine ganz andere Wirkung entfalten, wenn man weiß, was noch kommt.

Wie es sich für einen Exklusiv-Titel auf dem technischen Höhepunkt der PlayStation-4-Ära gehört, sind die Schauwerte überragend. Landschaft, Städte und Figuren strotzen vor Details, während sich Inneneinrichtung und Gegnertypen oft wiederholen. Insbesondere nasse Oberflächen (Felsen, Asphalt, Haut) und Textilien wirken unerhört plastisch – die Wettereffekte (Regen, Schnee, Nebel) und der Licht-/Schattenwurf setzen weitere Maßstäbe.

Aber: Anders als etwa in „Red Dead Redemption 2“ kommt es nur gelegentlich vor, dass einem die Kinnlade ob der schieren Anmut und Ausleuchtung der Schauplätze herunterklappt. Alles wunder-wunder-wunderschön, aber eben selten episch. Eine Ausnahme bilden die grandios erzählten Zwischensequenzen, die dank lebensechter Mimik und Gestik in Nahaufnahmen ein ums andere mitfühlen, mitleiden, mitfreuen lassen. Dazu trägt auch die superbe deutsche Synchronisation bei.

The Last of Us Part 2: Gewöhnliche "Infizierte" lassen sich im Nahkampf überwältigen - mit Ausnahme solcher Kawenzmänner (Abbildung: Sony Interactive)
The Last of Us Part 2: Gewöhnliche „Infizierte“ lassen sich im Nahkampf überwältigen – mit Ausnahme solcher Kawenzmänner (Abbildung: Sony Interactive)

Sehr viel besser als mit „The Last of Us Part 2“ können sich Volljährige kaum von einem Konsolenspiel unterhalten lassen. Sieben Jahre nach Teil 1 inszeniert Naughty Dog abermals einen Kosmos, der zu jeder Sekunde glaubhaft bedrohlich wirkt. Mittendrin: eine spätpubertierende Ellie, in der ein Gefühl-Chaos aus Widersprüchen, Sinnfragen und großer Wut tobt. Aus dieser Melange speist sich eines der schönsten, linearsten, spannendsten und mit Sicherheit brutalsten Games, die derzeit zu haben sind – und das den Spieler mehr als einmal schwer durchatmen lässt.

Die Meinung von Petra Fröhlich:
Beim erneuten Durchspielen hatte ich sogar noch mehr Freude als beim Durchgang 1. Warum? Weil man in Kenntnis der Vorgänge viel mehr auf Details achtet – einige Schauplätze und Zusammenhänge waren mir wegen der „Pulp Fiction“-ähnlichen Erzählweise mit Zeitsprüngen und „Previews“ zunächst überhaupt nicht aufgefallen. Die Motivation und Relevanz später auftretender Figuren wird plötzlich nachvollziehbar.

Rein optisch ist das Ding natürlich die Wucht in Tüten: Speziell an Gischt, Strömung, Wellen, Regen, Rinnsalen, Pfützen, Brandung, nassem Asphalt kann ich mich kaum satt sehen – die Hitze von Feuer kann man förmlich spüren. Und auch die Steuerung – ein Träumchen: Da ruckelt und zuckelt und hakelt nix, alles mega-geschmeidig.

Die verlustfrei um ein, zwei Stündchen einkürzbare Handlung kann man sicher für ihre Alternativlosigkeit und Linearität kritisieren. Ich bin mir sicher, dass das Spielerlebnis nochmal einen Zacken intensiver ausgefallen wäre, wenn man selbst Entscheidungen treffen müsste, die einem später nochmal auf die Füße fallen.

Die Netz-Empörung, wie mit liebgewonnenen Figuren „umgegangen“ wird und wer mit wem rummacht, kann ich indes nicht nachvollziehen: Die Ereignisse spitzen sich seriös zu und eskalieren angemessen.

Ein ganz, ganz großes Spiel – in jeder Hinsicht.


The Last of Us 2 erscheint am 19. Juni 2020 exklusiv für PlayStation 4. Im Handel kostet das ungeschnittene Action-Abenteuer (USK 18) zwischen 60 und 70 Euro.


Offenlegung: Diese Besprechung beruht auf einer Version, die vom Hersteller zur Verfügung gestellt wurde. Alle Abbildungen stammen von Sony Interactive: Eigene Screenshots sind vorerst nicht zulässig.

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