Eine halbe Million Besucher werden in der Gamescom-Woche erwartet – ein Traum für Fans, ein Albtraum für Sicherheitskräfte und Behörden. Wie gut sind Köln und  Messe vorbereitet? Der Gamescom Sicherheits-Report 2016 klärt auf. / Update vom 2.8.2016: Die KoelnMesse hat die Sicherheitsvorkehrungen drastisch verschärft.

[toc]Es gab sicher schon ruhigere Zeiten für die Veranstalter von Großereignissen und die Sicherheitsbehörden im Land: Kaum sind in Köln die EM-Fanmeilen und die Scheinwerfer der „Kölner Lichter“ abgebaut, stehen mit der Gamescom und den Videodays die nächsten Großereignisse vor der Tür. In der Woche vom 15. bis zum 21. August strömen mehr als 500.000 Besucher in die vielbesungene Stadt am Rhein.

Die alljährlichen Bilder von zehntausenden Menschen auf engstem Raum lassen erahnen, vor welchen Herausforderungen die KoelnMesse und die Sicherheitsbehörden gerade in diesem Jahr stehen. Vor dem Hintergrund der allgemeinen Bedrohungslage in Deutschland und in Europa stellen sich viele Besucher die Frage: Wie sicher ist die Gamescom? Kann man Kinder und Teenager ruhigen Gewissens nach Köln reisen lassen?

Das wollten wir bereits Mitte Juli von Behörden, Ämtern, Ministerien, Experten und Veranstaltern wissen und haben um Stellungnahmen gebeten. Der guten Ordnung halber wollen wir nicht verschweigen, dass sich die Einschätzung einiger Gesprächspartner während unserer Recherchen verändert hat.

Update vom 2. August 2016: Der nachfolgende Artikel wurde im Original am 26. Juli 2016 veröffentlicht. Gut zwei Wochen vor der Gamescom hat die KoelnMesse auf die veränderte Sicherheitslage reagiert und ein ganzes Maßnahmenbündel geschnürt. Alle neuen Erkenntnisse sind im nachfolgenden in rot markiert. Die Zusammenfassung mit weiteren Informationen finden Sie in diesem Beitrag auf GamesWirtschaft.de.

Gamescom Sicherheits-Report: So bereitet sich die KoelnMesse vor

Gamescom Sicherheits-Report 2016: Schon Stunden vor der offiziellen Öffnung drängen sich die Fans vor den Eingängen (Foto: KoelnMesse)
Gamescom Sicherheits-Report 2016: Schon Stunden vor der offiziellen Öffnung drängen sich die Fans vor den Eingängen (Foto: KoelnMesse)

Das Thema Sicherheit auf Großveranstaltungen hat zwei Komponenten: Jenseits der „Gefahrenabwehr“ geht es schlichtweg um eine reibungslose, unfallfreie und sichere Durchführung einer Veranstaltung. Dies berührt die Kernkompetenz jedes Messestandorts, dementsprechend sorgfältig und umfangreich sind die Vorbereitungen. In Abstimmung mit Behörden, Polizei, Feuerwehr, Ordnungsamt und Rettungsdiensten werden präzise Pläne für alle denkbaren Notfälle ausgearbeitet – vom einfachen Kreislaufkollaps bis zur Massenpanik.

Zufahrtswege, Ausweichflächen, Standkonzepte und Außenbereiche münden am Ende auch in Auflagen bezüglich der maximalen Zahl der Besucher, die sich auf dem Messegelände in Köln-Deutz aufhalten dürfen. Durch den intensivierten Kartenvorverkauf und die begrenzte Ausgabe von Nachmittags-Tickets kann die KoelnMesse die Zahl der Besucher präzise überwachen und steuern.

Gamescom Sicherheits-Report: Aus 2013 gelernt

2013 kam es zu einem vorübergehenden Einlass-Stop und kritisch anmutenden Staus an Engstellen, die viele Besucher an das tragische Loveparade-Unglück in Duisburg drei Jahre zuvor erinnerten. Nach Beschwerden und begründeter Sorge um das Wohlergehen der Besucher – auch seitens von Ausstellern wie Bethesda-Sprecher Pete Hines – hat die KoelnMesse ihr Konzept ab der Gamescom 2014 grundlegend überarbeitet. Seitdem wurde ein ganzes Bündel an Maßnahmen ergriffen, um einen konstanten Besucherfluss sicherzustellen. Zu keinem Zeitpunkt soll es zu größeren Staus kommen, die womöglich Fluchtwege, Notausgänge oder Rettungswege verstopfen.

Zu diesem Zweck werden immer wieder gezielt einzelne Abschnitte und Zugänge geöffnet oder geschlossen: Anstatt die Massen über den hochfrequentierten Boulevard zu lotsen, schickt man die Besucher über den Außenbereich um die Hallen herum. Auch die Flure und Catering-Bereiche sind nun deutlich großzügiger bemessen und entlasten die Haupthallen 5, 6, 7 und 8. Weitere Hallen – etwa der Fanshop-Bereich in Halle 5 oder die Family & Friends-Abteilung sowie die Bühnen in Halle 10 – entzerren den Besucherstrom zusätzlich.

Gamescom Sicherheits-Report: NRW will Großveranstaltungen besser schützen

Die Terroranschläge in Paris, Nizza, Brüssel, Würzburg, Ansbach und der Amoklauf in München haben die hiesigen Behörden und Ministerien in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Der für Nordrhein-Westfalen zuständige Innenminister Ralf Jäger hat bereits Mitte Juli angekündigt, dass Veranstaltungen und gefährdete Objekte „seit längerem besonders intensiv“ geschützt werden und die Präsenz der Polizei verstärkt wird. Dies gilt zum Beispiel für Einkaufszentren, Volksfeste und sogar Schulen. Jäger wird von der Rheinischen Post mit den Worten zitiert, dass man „gerade bei den bevorstehenden Großveranstaltungen mehr Beamtinnen und Beamte“ sehen wird.

Diese Maßnahmen werden jetzt noch einmal zusätzlich verschärft und betreffen auch die KoelnMesse. Spätestens seit der Kölner Silvesternacht 2015/16 gibt es neben Polizeistreifen in Zivil auch Beamte, die gerade im Notfall erkenn- und damit ansprechbar sein sollen. Das gilt beispielsweise für jene Plätze, für die die örtliche Polizei sowie die Bundespolizei zuständig sind, etwa der Hauptbahnhof Köln sowie der direkt am Messegelände liegende Bahnhof Köln-Deutz.

Sehr viel kniffliger gestaltet sich die Beurteilung von abstrakten Risiken, mit denen sich inzwischen jeder Veranstalter von Messen und Events konfrontiert sieht. Es soll schlichtweg vermieden werden, dass „Personen mit Gefährderpotenzial“ überhaupt auf das Gelände gelangen und dort Unheil anrichten. Dafür ist nicht die Polizei, sondern der Ausrichter – also die KoelnMesse – verantwortlich.

Das beginnt bereits beim Ticketverkauf. Ähnlich wie bei Konzerten oder Sportveranstaltungen sind die Eintrittskarten personalisiert – für den Kauf via Ticketshop ist eine Registrierung erforderlich. Indes wurden die Personalien im Eingangsbereich bislang nicht abgeglichen – diese Maßnahme bietet also nur begrenzten Schutz.

Gamescom Sicherheits-Report: 2016 erstmals Taschenkontrollen?

Abzuwarten bleibt, inwieweit umfassende Kontrollen von Besuchern und Gepäck im Eingangsbereich erfolgen – was eine logistische Herkulesaufgabe werden dürfte, denn bekanntlich warten schon zwei Stunden vor Öffnung der Türen Tausende von Fans vor den Absperrgittern.

Andererseits gehört eine mehr oder minder intensive Leibesvisitation und/oder Metalldetektor samt prüfendem Blick in Taschen und Rucksäcke inzwischen vielerorts zum Standard – egal ob vor Fußballstadien, Sehenswürdigkeiten, Konzerten, Museen oder Freizeitparks. Bei der Gamescom hingegen gab es in den vergangenen Jahren allenfalls stichprobenartige Überprüfungen von Taschen.

Die angekündigten oder bereits vollzogenen Maßnahmen an anderen Orten sprechen dafür, dass mindestens die Kontrollen drastisch verschärft werden – Beispiele:

  • Beim Rockfestival Wacken Open Air, das eineinhalb Wochen vor der Gamescom stattfindet, sind in diesem Jahr erstmals keine Rucksäcke und Taschen zugelassen – aus Sicherheitsgründen. Mitgebrachte Rucksäcke müssen außerhalb des Geländes in Schließfächern deponiert werden – eine Maßnahme, deren Ankündigung bei den Festivalbesuchern auf eine Mischung aus Empörung und Verständnis stieß.
  • Im Vorfeld des Münchner Oktoberfests (startet Ende September) arbeiten Behörden, Wiesnwirte, Schausteller und Polizei an konkreten Einsatzplänen. Schließlich sind auf und um die Theresienwiese an einem Samstag oder Sonntag mehr Menschen unterwegs als während der gesamten Gamescom. Auch in München denkt man über ein Mitbring-Verbot von Rucksäcken und größeren Taschen nach.

Prognose: Vergleichbare Überlegungen wird man auch in Köln anstellen (müssen) – schließlich werden dort an jedem Messetag Zigtausende von Rucksäcken, Taschen und Koffern auf das Gelände gebracht.

Update vom 2. August 2016: Die KoelnMesse wird erstmals seit Bestehen der Gamescom flächendeckende und umfassende Taschenkontrollen an den Zugängen durchführen. Die Veranstalter bitten eindringlich darum, mit Blick auf die zu erwartenden Wartezeiten auf das Mitbringen von Taschen, Rucksäcken und nicht zwingend erforderlichen Gegenständen zu verzichten. Dies betrifft Privatbesucher ebenso wie Fachbesucher, Aussteller und Journalisten.

Gamescom Sicherheits-Report 2016: Risiko Cosplayer?

Die Waffenattrappen der Cosplayer wurden bereits in den Vorjahren gründlich unter die Lupe genommen (Foto: KoelnMesse).
Die Waffenattrappen der Cosplayer wurden bereits in den Vorjahren gründlich unter die Lupe genommen (Foto: KoelnMesse).

Natürlich ist die Mitnahme von Pyrotechnik, Alkohol, Stöcken, Messern oder Waffen aller Art nicht gestattet; dies regelt grundsätzlich die KoelnMesse-Hausordnung. Nicht zuletzt wegen der immer zahlreicher auftretenden Cosplayer hat die Gamescom bereits in den Vorjahren eigene Bestimmungen erlassen. Demnach werden sogenannte „Anscheinwaffen“ von geschultem Sicherheitspersonal überprüft: Wer also als kostümierter Assassine, Solid Snake, Captain Sparrow oder Halo-Söldner anrückt, muss Schusswaffen-, Bogen- oder Säbel-Imitate möglicherweise an der Garderobe abgeben – sofern sie nicht erkennbar aus Schaumstoff oder Latex gefertigt sind.

Exakt diese „Anscheinwaffen“ sind es auch, die der Kölner Polizei Kopfzerbrechen bereiten: Auch wenn im Einzelfall von einer Attrappe keine Gefahr ausgehen wird – für einen Fehlalarm mit nicht abschätzbaren Folgen ist schlimmstenfalls selbst eine Star-Wars-Stormtrooper-Waffe ohne dazugehörigen Stormtrooper geeignet.

Update vom 2. August 2016: Die Ausrichter der KoelnMesse untersagen in diesem Jahr explizit sämtliche Waffen-Attrappen und -Nachbildungen, gleich welcher Art und egal welchen Materials. Die Maßnahme dient unter anderem dazu, Games-unkundige Touristen und Bewohner nicht zu „verängstigen“, wie es in der offiziellen Mitteilung heißt.

KoelnMesse nimmt Besorgnis der Kunden „sehr ernst“

Auf Anfrage von GamesWirtschaft erklärt die Koelnmesse, dass sie „die Besorgnis ihrer Gäste, Aussteller wie auch Besucher sehr ernst“ nimmt. Die Koelnmesse stehe in „stetigem, engen Kontakt“ mit den zuständigen Sicherheitsbehörden in Deutschland. Aus Köln heißt es dazu: „Bereits in den vergangenen Jahren haben wir vor und während der gamescom eng mit den Sicherheitsbehörden zusammengearbeitet und die Maßnahmen gemeinsam abgestimmt. Aufgrund der internationalen und nationalen Sicherheitslage sind wir bereits frühzeitig mit den Sicherheitsbehörden in den Dialog getreten und haben das Sicherheitskonzept der Veranstaltungen auf dem Messegelände und damit auch der Gamescom besprochen und abgestimmt. Aufgrund der tragischen Vorfälle in den letzten Tagen werden wir uns erneut mit den beteiligten Behörden verständigen und das aktuelle Sicherheitskonzept anpassen.“

Konkreter geht die Messegesellschaft nicht ins Detail: „Um die Arbeit der Sicherheitsbehörden nicht zu beeinträchtigen, bitten wir um Verständnis, dass wir zur konkreten Maßnahmen, die auf der Gamescom 2016 durchgeführt werden, keine Aussagen machen können.“

Nach GamesWirtschaft-Informationen wird es aber neben den turnusmäßigen Abstimmungsrunden auch noch gesonderte Beratungen in puncto Sicherheit geben.

Update vom 2. August 2016: Die Beratungen der KoelnMesse mit den zuständigen Sicherheitsbehörden hat zu einer Verschärfung von Kontrollen und mehreren Auflagen geführt – eine Zusammenfassung finden Sie in diesem Beitrag.

Ordnungsamt Köln: Kein erhöhtes Risiko für die Gamescom

Jugendschutz auf der Gamescom: Farbige Bändchen geben auch in diesem Jahr Auskunft über das Alter eines Besuchers (Foto: KoelnMesse)
Jugendschutz auf der Gamescom: Farbige Bändchen geben auch in diesem Jahr Auskunft über das Alter eines Besuchers (Foto: KoelnMesse)

Vergleichsweise entspannt sieht man der Gamescom beim Ordnungsamt Köln entgegen – O-Ton: „Über die Hohe Straße (eine der meistfrequentierten Einkaufsstraßen Deutschlands, Anm. d. Red.) laufen jeden Tag mehr Leute als über die Gamescom.“ Überhaupt widme man der Gamescom die gleiche Aufmerksamkeit wie allen anderen Kölner Messen, Festen und Veranstaltungen auch, ein erhöhtes Risiko wurde hier zumindest bis vergangene Woche nicht unterstellt. Zumal im Unterschied zu Silvester oder Karneval die Menschen am hellichten Tag kommen und das Gelände auch am hellichten Tag wieder verlassen.

Im Fokus des Ordnungsamts stünden andere Aufgaben, etwa die Einhaltung des Jugendschutzes, die bei der Gamescom durch umbaute Messestände für 16er- und 18er-Titel sowie die bewährten farbigen Armbänder gewährleistet wird.

Gamescom 2016: Et hätt noch immer jot jejange

Dass es keine 100%ige Sicherheit geben kann, gehört zum Standardrepertoire jedes Politikers. Der Besuch der Gamescom galt in den Vorjahren als sicher – spätestens seit der Entschärfung von neuralgischen Punkten zur Messe 2014. Abgesehen von kleineren Taschendiebstählen gab es keine größeren Vorkommnisse.

Im Jahr 2016 rückt nun die Sorge um Leib und Leben in den Vordergrund. Dass zur Gamescom signifikant weniger Besucher reisen als in den Vorjahren, ist im Gegensatz zu anderen Veranstaltungen wie etwa der Düsseldorfer Rheinkirmes eher nicht zu erwarten – dort sorgt der Anblick von patroullierenden Polizisten mit Maschinenpistolen und Schusswesten zwar einerseits für eine gefühlte Sicherheit, andererseits geht damit auch die Unbeschwertheit einer solchen Veranstaltung verloren. Die Folge: 500.000 weniger Besucher.

Ein berühmtes Zitat aus dem PC-Spieleklassiker Wing Commander 4: The Price of Freedom bringt das Dilemma auf den Punkt: „Der Preis der Freiheit ist ewige Wachsamkeit“. Dieses Motto gilt mehr denn je auch für die Gamescom 2016 – und jeden einzelnen Besucher.

Der Gamescom Sicherheits-Report 2016 von GamesWirtschaft wird in den Wochen vor der Gamescom und während der eigentlichen Veranstaltungen laufend um neue Erkenntnisse erweitert und aktualisiert.

1 Kommentar

Kommentarfunktion ist geschlossen.