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Esports World Cup 2025: Schweigen für Gold

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Das Preisgeld beim Esports World Cup 2025 liegt jenseits von 70 Mio. Dollar (Abbildung: EWCF)
Das Preisgeld beim Esports World Cup 2025 liegt jenseits von 70 Mio. Dollar (Abbildung: EWCF)

Der Esports World Cup 2025 ist in vollem Gange – im Gegensatz zur Debatte um die Rolle von Gastgeber Saudi-Arabien. Alles gesagt – oder alles verdrängt?

„Alles rund um den Esports World Cup kotzt mich so unsagbar an. Vor allem die kognitive Dissonanz der ganzen Szene. Einerseits die Audience, die einfach nur konsumieren will, aber andererseits auch die Institutionen – gerade hier in DE. Alle lassen sich engagieren oder aufkaufen.“

Dass sich ein relevanter Gaming-/E-Sport-Creator so klar und deutlich zu einem laufenden Wettbewerb äußert, ist selten. Umso bemerkenswerter ist das X-Posting, das Maximilian Knabe alias HandOfBlood in dieser Woche geteilt hat.

Knabe erreicht auf Twitch und YouTube ein Millionenpublikum, er ist Unternehmer, Testimonial und eine wesentliche Komponente des E-Sport-Joint-Ventures Eintracht Spandau. Dessen Geschäftsführer Christian Baltes hatte schon vor einem Jahr mit Blick auf Saudi-Arabien klargestellt, man wolle „keinen Beitrag für Sportwashing leisten“.

An dieser klaren Haltung hat sich offenbar nichts geändert – während weite Teile der Branche „vor den Saudis einknicken“ und dies in LinkedIn-Postings „auch noch als etwas Gutes verkaufen“. Knabe: „Es ist so traurig“.

Tatsächlich ist die Kritik rund um den Esports World Cup messbar leiser geworden – und teils kaum noch messbar. Seit knapp zwei Wochen findet die ‚E-Sport-WM‘ in der saudischen Hauptstadt Riad statt – das Finale steigt parallel zur Gamescom am 24. August.

Derweil rund um den zentralen Boulevard ein Event- und Popkultur-Feuerwerk der Superlative gezündet wird, registriert Amnesty International eine immer weiter steigende Zahl von Hinrichtungen im Land: 2024 waren es demzufolge 345. Im laufenden Jahr steht der Zähler schon bei 180, davon allein 46 im Juni.

Die einen kämpfen in klimatisierten Hallen um den „life-changing prize pool“ von 70 Mio. $ – die anderen um ihr Leben.

Esports World Cup: Die PR-Strategie von Saudi-Arabien geht auf

Das laute Schweigen der Industrie rund um die Menschenrechtssituation hat mit der geschickten Lobby-Arbeit von Ausrichter und Gastgeber Saudi-Arabien zu tun – und mit Geld. Denn das Königreich nimmt viele Milliarden Dollar in die Hand, um sich zum Games- und E-Sport-Mekka zu entwickeln – auch mit Blick auf den Ganzjahres-Tourismus und  gigantische Infrastruktur-Projekte wie Qiddiya und Neom.

Die Taktik, immer mehr ‚Stakeholder‘ eng einzubinden, geht offenkundig auf:

  • Nahezu alle Erstliga-Spielehersteller schicken ihre Top-Marken als eigenständige Disziplin beim Esports World Cup ins Rennen – Electronic Arts (Apex Legends, EA Sports FC) ebenso wie Ubisoft (Rainbow Six Siege), Riot (Valorant, League of Legends), Capcom (Street Fighter), Valve (Counter-Strike, Dota 2), Activision (Call of Duty), Blizzard (Overwatch, StarCraft) und viele weitere. An mehreren dieser Publisher ist der Staatsfonds substanziell beteiligt.
  • Mit Team Liquid, Fnatic, Virtus.Pro, Cloud9, FaZe, T1 und Vitality sind die führenden kommerziellen E-Sport-Organisationen am Start. 200 Clubs und 2.000 Spieler, darunter viele Superstars, sind nach Riad gereist und werden bestens umsorgt – es soll an nichts mangeln. Sie alle locken Trophäen, Titel, Medaillen – und natürlich das erneut aufgestockte Rekord-Preisgeld von 70 Mio. $.
  • Via ‚Club Partner Program‘ werden E-Sports-Teams motiviert, ihre Fans via Social Media entlang sechsstelliger Summen für den Esports World Cup 2025 zu ‚aktivieren‘. Mit MOUZ (Hamburg) und G2 Esports (Berlin) haben auch zwei deutsche Teams unterschrieben.
  • Unter den Sponsoren und Kooperationspartnern finden sich der saudische Erdöl-Förderer Aramco, Sony, Amazon (produziert einen Image-Film für Prime Video), Honor, Lenovo, Pepsi, Mastercard und Hilton. Mit großen TV-Sendern, Online-Portalen und Streaming-Anbietern gibt es Abkommen.
  • Zur Abschluss-Konferenz The New Global Sport im Four Season in Riad reisen Top-Manager von SEGA, Sony, Modern Times Group und Bandai Namco.

Esports World Cup: Team Liquid ringt um Worte

Als eines von ganz wenigen Profi-E-Sport-Teams hat sich das niederländische Team Liquid zum wiederholten Mal zu einer vergleichsweise differenzierten Positionierung durchgerungen. Darin räumt das Management ganz offen ein, dass das Unternehmen darauf angewiesen ist, auf den größten E-Sport-Bühnen der Welt anzutreten.

Gleichzeitig drängt das Team auf die Freilassung weiterer politischer Gefangener, mehr Tempo bei Reformen und die Rücknahme von Reisebeschränkungen. Die Team-Liquid-Spieler würden ihre ‚Pride‘-Trikots auch während des Esports World Cup tragen – flankiert von einer Spende von 50.000 $ an eine LGBTQ+-Organisation.

Die Stellungnahme zeigt das Dilemma, in dem sich viele Teams wiederfinden: Schließlich erwarten sowohl Fans als auch Sponsoren Sichtbarkeit und sportliche Erfolge – was dazu führt, dass ‚Core Values‘ und wirtschaftliche Interessen zwangsläufig kollidieren.

Und zum vollständigen Bild gehört: Ohne die Schecks aus Saudi-Arabien wäre der kommerzielle E-Sport auf internationaler Ebene kaum überlebensfähig, mindestens aber in schwerer See. Beispiel: Allein für das Geschäftsjahr 2019 – also noch ohne Pandemie-Effekte – wies der weltmarktführende Kölner E-Sport-Veranstalter ESL Gaming einen Fehlbetrag von 46 Mio. € aus. Anfang 2022 wurde das Unternehmen für rund eine Milliarde Dollar von der saudischen Savvy Gaming Group übernommen, die das Unternehmen im Anschluss mit der britischen Faceit-Gruppe fusionierte – und damit die Grundlagen für den Esports World Cup schuf.

Ab nächster Woche organisiert ESL Faceit außerdem das Counter-Strike-Turnier IEM Cologne 2025 in der Kölner Lanxess Arena. Qiddiya City vor den Toren Riads zählt zu den Sponsoren – im vergangenen Jahr warb Saudi-Arabien auf einem der größten Gamescom-Stände für den Gaming-Freizeitpark.

Die kognitive Dissonanz, die YouTuber HandOfBlood diagnostiziert, hat der E-Sport natürlich nicht exklusiv, wie die Fußball-WMs in Russland (208), Katar (2022) und Saudi-Arabien (2034) belegen. Der Golfstaat ist ab 2027 außerdem Dauer-Gastgeber der Olympic Esports Games. Das Bundesinnenministerium unterstützt die Teilnahme eines ‚Team Deutschland‘.


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