Start Meinung Wenig Neues im Osten (Fröhlich am Freitag)

Wenig Neues im Osten (Fröhlich am Freitag)

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Bis 2008 das Hochamt der deutschen Spiele-Industrie: die Games Convention in Leipzig (Foto: GamesWirtschaft)
Bis 2008 das Hochamt der deutschen Spiele-Industrie: die Games Convention in Leipzig (Foto: GamesWirtschaft)

Die deutsche Games-Industrie findet fast vollständig in den alten Bundesländern statt: Warum tut sich der Osten so schwer?


In eigener Sache:
GamesWirtschaft legt eine Auszeit ein – die Kolumnen fallen daher in den kommenden Wochen etwas kompakter (aber genauso fröhlich) aus.


Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

es hat nicht viel gefehlt – und der Taxifahrer wäre geplatzt. Vor Stolz. Denn zumindest für eine Woche im August 2008 galt „sein“ Leipzig als der Nabel der Spiele-Welt: Mehr als 200.000 überwiegend „junge Leude“ lockte die Games Convention nach Sachsen.

Die Branche war weitgehend vollzählig angetreten. In den Bars und Restaurants rund um das muckelige Barfußgäßchen wurden die Deals fürs Weihnachtsgeschäft eingetütet: Chefeinkäufer, Marketing-Entscheider und Vertriebler saßen dichtgedrängt bis spät in die Nacht bei Pils und Weißwein.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Die deutsche Videospiele-Lobby hat ihre Leitmesse ab 2009 nach Köln verlegt und auf eigenen Deckel zur Gamescom weiterentwickelt – was bis heute für schlecht verheilte Traumata in und um Leipzig sorgt. Gelände und Infrastruktur seien an Grenzen gestoßen, hieß es. Die Leipziger Messe klammerte sich zwar einigermaßen verzweifelt an die Marke Games Convention, aber so ganz ohne Aussteller sind Hallen eben auch nur Hüllen.

Die Domstadt ist seitdem zwar eine stets bemühte Gastgeberin – aber so richtig ‚stolz‘ ist man eher auf Fastelovend und die Höhner. Die Gamescom ist vor allem ein Biz. Was einem zuvorderst die Hotellerie spüren lässt. Und natürlich die Taxifahrer, die ungefragt schlechte Laune abladen, weil die digitalaffine Gamescom-Klientel lieber ubert. Google Maps schlägt Ortskundeprüfung.

Mehr als 15 Jahre ist es jetzt her, dass „der Osten“ eine bis zuletzt prosperierende Messe und damit viel Scheinwerferlicht verloren hat. Weitere Events sollten folgen: Aus der MAG Erfurt wurde die Polaris Convention in Hamburg, die DreamHack Leipzig lebt in der DreamHack Hannover weiter. Erfurt organisiert stattdessen die MAG-C – in Leipzig plant man für die zweite Ausgabe der Caggtus im Frühjahr 2024.

Gerade wenn man im Westen der Republik sozialisiert wurde, fehlt ehrlicherweise etwas das Auge für Lage und Belange der Branche in MeckPomm, Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Der Blick geht eher nach Frankfurt/Main als nach Frankfurt/Oder. Was auch dem Umstand geschuldet ist, dass die Eigen-PR von Branchen-Hotspots wie Berlin, Hamburg, Bayern oder NRW schlichtweg lauter ausfällt. Viel lauter.

Hinzu kommt: Die 100 größten deutschen Games-Unternehmen haben ihren Sitz im Westen. Die Fernbus-Simulator-Macher bei TML in Erfurt oder der Studio-Dino Magnussoft („Ihr Zuhause für Gelegenheitsspiele“) mit Sitz in Kesselsdorf bei Dresden zählen bereits zu den ‚Großen‘.

Der Osten des Landes ist vielmehr geprägt von UGs und GbRs. Also Indie-Studios, Hochschulausgründungen und Soloselbständige, die oft erst dann mediale Aufmerksamkeit erhalten, sobald sich zarte Erfolge einstellen, etwa bei Bippinbits (Dome Keeper) oder Fusionplay (Across the Valley). Oder wenn umgekehrt – wie im Falle von Ghostwale Games in Potsdam – ein Finanzierungs-Schott nach dem anderen überspült wird.

Die Unwucht lässt sich auch 1:1 in den Förder-Datenbanken von Bund und Ländern ablesen, wo nur selten – und wenn: überschaubare – Zuschüsse für Projekte nach Magdeburg oder Halle gehen. Von 26 Games, die das Medienboard Berlin-Brandenburg im laufenden Jahr mit über 3 Mio. € bezuschusst, entfallen 23 auf die Hauptstadt.

Dieses Ost-West-Gefälle wird sich so schnell auch nicht abflachen lassen. Und nur mit gezielter Standortförderung und massiven Subventionen – Stichwort Intel (Magdeburg), Tesla (Brandenburg) oder TSMC (Dresden). Ohne diese Lenkungswirkung werden sich Games-Gründer und -Investoren weiterhin per Autopilot für Berlin, München oder Frankfurt (das in Hessen) entscheiden.

Immerhin: Es tut sich was. Nicht in der Breite, aber punktuell. So will der Freistaat Sachsen – wo im Herbst kommenden Jahres gewählt wird – aktiv für die Branche der Region werben. Deshalb denkt das Wirtschaftsministerium erstmals über einen Gemeinschaftsstand nach. Auf der Gamescom 2024. In Köln.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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