Nicht weniger als ein Phänomen: Der Landwirtschafts-Simulator 2017 belegt vordere Plätze bei Amazon, Steam & Co. Wie ist der anhaltende Erfolg der Serie zu erklären?
[no_toc]Der Landwirtschafts-Simulator („Farming-Simulator“) gehört auch in dieser Saison zu den meistgekauften Computerspielen. Wie selbstverständlich kabbelt sich die Simulation seit der Veröffentlichung am 25. Oktober um die vorderen Chart-Plätze mit Blockbustern wie Battlefield 1 oder FIFA 17. Der Vorgänger – der Landwirtschafts-Simulator 2015 – galt im vergangenen Jahr als meistverkauftes PC-Spiel aus dem deutschsprachigen Raum.
Bemerkenswerterweise verkauft sich der Landwirtschafts-Simulator 2017 nicht nur auf den Desktop-Systemen – also PC und Mac – hervorragend. Auch die Konsolen-Versionen für PlayStation 4 und Xbox One finden sich in den Bestseller-Listen. Seit 2012 gibt es den Landwirtschafts-Simulator auch in einer Fassung für Smartphones und Tablets.
Entwickelt wird der Landwirtschafts-Simulator 2017 – wie schon seine Vorgänger – in der Schweiz, genauer: in Schlieren, einem Vorort von Zürich. Die Büros von Giants Software sind jedoch nicht in einer einsamen Berghütte untergebracht, sondern in einem unscheinbaren Gewerbegebiet, umgeben von McDonalds-Filialen, Fitness-Studios und Bowling-Center. Für den Vertrieb ist der Mönchengladbacher Publisher Astragon zuständig.
Landwirtschafts-Simulator 2017: Das Geheimnis des Erfolges
Inhaltlich und technisch hat das Spiel gegenüber der ersten Version von 2008 natürlich einen sichtbaren Sprung gemacht, doch das Spielprinzip ist gleich geblieben. Als Landwirt bewirtschaftet man einen Bauernhof, pflanzt Getreide, Sojabohnen und Kartoffeln, düngt, fährt die Ernte ein und kauft sich von den Einnahmen immer größere Traktoren und baut den Hof aus. Die enge Zusammenarbeit mit führenden Landmaschinen-Herstellern bürgt für Realitätsnähe.
Dass in diesem Jahr erstmals auch Kühe, Hühner, Schweine gezüchtet und geschlachtet werden können, hat flächendeckend großen Anklang gefunden – mit Ausnahme der Tierschützer von PETA, die in einem offenen Brief forderten, man möge den Schlachtvorgang doch bitte in (abschreckend) realistischer Weise darstellen.
Von derlei Zwischenrufen lassen sich Entwickler und Fans nicht aus der Ruhe bringen, im Gegenteil. Der Landwirtschafts-Simulator 2017 ist das Entschleunigungs- und Wellness-Programm unter den Computerspielen – es gibt wenige beschaulichere Feierabend-Aktivitäten, als mit dem Mähdrescher gemächlich seine Bahnen zu ziehen, ohne wie bei Rollenspielen fürchten zu müssen, dass finstere Räuberbanden aus dem Unterholz springen.
Zur Popularität trägt die aktive Modding-Community bei, die vom Schlepper bis zur Biogasanlage zusätzliche Fahrzeuge, Gebäude, Karten und andere Erweiterungen baut und zum Download bereitstellt.
Cattle and Crops: Konkurrenz aus Bremen
Mehrere Millionen verkaufter Exemplare haben natürlich Nachahmer auf den Plan gerufen, die das Original kopieren, vom Spielprinzip bis zum täuschend ähnlichen Packungsdesign – freilich ohne an die Fabelverkaufszahlen des Originals heranzukommen.
Ernstzunehmende Konkurrenz könnte indes aus Bremen drohen. Das Team von Masterbrain Bytes hat erst Anfang November eine erfolgreiche Kickstarter-Kampagne für Cattle and Crops abgeschlossen. Die realistische Simulation des Untergrunds und des Wetters soll einen Schwerpunkt bilden. Geplanter Release: November 2017.
Mindestens bis zu diesem Termin bleibt jedoch der Landwirtschafts-Simulator 2017 das Maß der Dinge. GamesWirtschaft hat bei Giants Software nachgefragt, wer den Landwirtschafts-Simulator 2017 kauft und spielt. Marketing & PR-Manager Martin Rabl beantwortet unter anderem die Frage, ob es den typischen Landwirtschafts-Simulator-Kunden gibt.
GIANTS Software: „Mindestens jeder zehnte Spieler ist Landwirt“
GamesWirtschaft: Gibt es Erhebungen oder Erfahrungswerte, wie hoch der Anteil „echter“ Landwirte und Menschen aus der Agrarwirtschaft unter den Landwirtschafts-Simulator-Käufern ist?
Rabl: Wir haben keine absoluten Zahlen, die wir nennen können. Aber man kann schon sagen, dass der Anteil von Landwirten in unserer Käuferschaft durchaus bemerkbar ist.
Die Frage ist natürlich, wen man da alles dazuzählt. Viele haben zum Beispiel auch einen anderen Job, sind aber auf einem Bauernhof aufgewachsen. Einer früheren Erhebung nach kommen Landwirte bei uns auf einen Anteil von 10 bis 15 Prozent.
Nimmt man noch Leute mit dazu, die damit aufgewachsen sind oder indirekt mit dem Thema zu tun haben, dann bewegen wir uns in die Richtung von 15 bis 20 Prozent. Aber eine konkrete Zahl haben wir nicht.
Sind eure Kunden eher in der Provinz, also in ländlichen Regionen, zu Hause oder wird bevorzugt in der Stadt dem Landleben gefrönt?
Unserer Erfahrung nach macht das keinen großen Unterschied. Die großen Städte sind zum Beispiel auch bei unseren Facebook-Fans stark vertreten – was aber natürlich einfach an der schieren Einwohnerzahl liegt.
Aber es ist nicht so, dass Leute, die in der Stadt leben, mit dem Landwirtschafts-Simulator nichts anfangen können. Die angesprochene Untersuchung kam auch zu dem Ergebnis, dass unsere Spieler sich sehr für die Natur interessieren und auch sehr gerne Outdoor-Aktivitäten unternehmen. Wer in der Stadt lebt, sehnt sich möglicherweise nach der Ruhe auf dem Land und genießt dann auch die Landschaften im Spiel.
Wer auf dem Land lebt, ist umgekehrt auch nicht immer automatisch an Landwirtschaft interessiert. Was wir aber immer wieder hören: dass Menschen die Traktoren im Spiel wiedererkennen. Eben weil sie auf dem Land aufgewachsen sind oder dort leben.
Wer auf dem Land lebt, hat sicherlich eine größere Affinität zum Spiel.
Martin Rabl: „Viele unserer Kunden suchen die Entspannung“
Dass eine Simulation auch für PlayStation 4 und Xbox One erscheint, ist nach wie vor die Ausnahme. Wie unterscheidet sich die Zielgruppe von der klassischen PC-Käuferschaft?
Abgesehen von der überrepräsentierten Gruppe der Landwirte spielen unser Spiel auch viele Casual Gamer und Jüngere, aber auch Spieler gehobenen Alters. Wir haben auch unsere Hardcore-Spieler, die Hunderte von Stunden spielen.
Doch der große Unterschied zu vielen anderen Spielen besteht wohl darin, dass diese nicht den Wettstreit mit anderen Spielern suchen, sondern entweder solo, aber auch oft auf Multiplayer-Servern mit bis zu 15 Freunden alle möglichen Facetten des Landwirtschaft-Simulators durchspielen wollen.
Viele unserer Kunden suchen die Entspannung und sind von den detaillierten Umsetzung und Prozessen der Landwirtschaft fasziniert. Als familienfreundliches Spiel setzen es auch viele Eltern ein, um zusammen mit ihren Kindern ein Videospiel zu spielen und ihnen dabei – je nach Alter – auch noch gleich etwas über die Welt beizubringen.
Jüngere Spieler, Familien und Landwirte stellen eine große Gruppe, aber alles in allem ist unsere Zielgruppe sehr breit aufgestellt. Im Wesentlichen handelt es sich um Leute, die nach Entspannung suchen – oder eben speziell nach einem Spiel über die Landwirtschaft.
„Beim Farm Day darf das Entwickler-Team selbst mit Traktoren herumfahren.“
Von TV-Krankenhaus-Serien und Krimis weiß man, dass echte Mediziner und Polizisten beratend zur Seite stehen. Wer sorgt beim Landwirtschafts-Simulator dafür, dass es authentisch zugeht bei Maschinen, Saatgut & Co.?
Ein großer Teil unseres Teams hat tatsächlich Erfahrung in der Landwirtschaft gesammelt. Diese Kollegen kennen sich also gut mit den Maschinen und Prozessen aus. Natürlich gibt es aber auch gerade bei Neuentwicklungen immer was zu entdecken – und da kommen unsere guten Beziehungen zu den Herstellern ins Spiel.
Sie unterstützen uns auch dabei, beispielsweise mit CAD-Daten, damit die Maschinen originalgetreu aussehen und sich „wie in echt“ bewegen. Damit auch unsere Teammitglieder, die nicht aus der Landwirtschaft kommen, mal Hand an die Maschinen legen können, veranstalten wir den sogenannten „Farm Day“, bei dem das ganze Büro einen Ausflug macht. Dort darf dann jeder mal selbst mit Traktoren und Co. herumfahren.
Warum verzichtet der Landwirtschafts-Simulator auf eine Art „Storymodus“ oder Karriere, wie sie beispielsweise zuletzt bei FIFA 17 eingeführt wurde?
Der Landwirtschaft-Simulator an sich ist als Endlosspiel konzipiert und gibt dem Spieler maximale Freiheit darüber, wie er seine Karriere gestalten möchte. Ein Storymodus ist sicher auch etwas, was in unseren Köpfen immer wieder mal herumschwirrt, aber wir sind ein kleines Team und müssen uns entscheiden, wofür die Zeit verwendet wird. Viele Wünsche aus der Community betreffen eher die Tiefe des Gameplays: mehr Freiheiten, mehr Optionen.
Obendrein muss man bedenken, dass ein Storymodus andere Kenntnisse erfordert als der Rest des Spiels. Bei FIFA 17 waren ja auch die Rollenspiel-Experten von BioWare beteiligt.
Man kann also nicht einfach sagen: Heute machen wir mal einen Storymodus. Das weckt dann ja auch Erwartungen – und der Modus selbst sowie das eigentliche Spiel dürfen dann nicht auf der Strecke bleiben. Das muss jetzt nicht bedeuten, dass wir nie einen Storymodus haben werden, aber es gibt auch noch so viele andere Ideen für das eigentliche Spiel, die wir noch umsetzen wollen.
Wie kommen die Original-Hersteller ins Spiel? „Kaufen“ sich die Traktoren-Produzenten beim Landwirtschafts-Simulator ein – oder seid ihr umgekehrt froh, auf Original-Geräte zurückgreifen zu können?
In der Regel sind das beiderseitige Partnerschaften, von denen ja jeder etwas hat. Natürlich ist es für uns auch eine Menge Arbeit, all die Maschinen ins Spiel einzubauen, aber die Hersteller helfen uns mit Materialien und Informationen und viele finden es toll, dass ihre Maschinen im Spiel zu sehen sind.
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