Start Events Womenize-Macherin Egger: “Wollen Mut machen, Dinge neu zu denken.“

Womenize-Macherin Egger: “Wollen Mut machen, Dinge neu zu denken.“

0
Madeleine Egger ist Head ofo Womenize bei der Berliner Agentur Booster Space
Madeleine Egger ist Head ofo Womenize bei der Berliner Agentur Booster Space

Am Vormittag startet in Berlin die Jubiläums-Ausgabe von Womenize – was Ausrichterin Madeleine Egger für heute und die kommenden Jahre plant.

Die Berliner Fachkonferenz Womenize (Eigenschreibweise: Womenize!) feiert Jubiläum: Seit zehn Jahren sorgt das Format nicht nur für regen Austausch innerhalb der Industrie, sondern befördert auch die Sichtbarkeit von Frauen und weiterer Gruppen, deren Herausforderungen (und Chancen) vielfach nicht oder zumindest nicht hinreichend wahrgenommen werden.

Madeleine Egger ist bei der Agentur Booster Space als Head of Womenize für das Event verantwortlich. Im GamesWirtschaft-Interview wirft Egger einen Blick auf die Lage der Branche – und erklärt, wie sich die Konferenz in den kommenden Jahren weiterentwickeln soll.

Womenize-Macherin Egger: Politischer Gegenwind spiegelt sich in der Branche wider

GamesWirtschaft: Gratulation zum 10jährigen. Wie hat sich mit Blick auf die Lage von Frauen in der Branche aus deiner Sicht zum Positiven verändert – wo gibt es Stillstand oder sogar gegenläufige Tendenzen?

Madeleine Egger: Erstmal vielen herzlichen Dank für die Glückwünsche. In den letzten zehn Jahren hat sich definitiv Einiges zum Positiven verändert. Sichtbarkeit und Repräsentation von Frauen und anderen unterrepräsentierten Personenin der Gamesbranche haben zugenommen. Sei es in Führungspositionen, in der Spieleentwicklung selbst oder auch in der öffentlichen Wahrnehmung. Viele Unternehmen haben erkannt, dass Diversität ein echter Mehrwert ist und setzen sich aktiv für inklusive Arbeitsumfelder ein.

Auch Netzwerke, Mentoring-Programme und Initiativen wie Womenize tragen dazu bei, dass Frauen in der Games-Branche besser vernetzt, gestärkt und sichtbar gemacht werden. Das gab es vor zehn Jahren noch nicht in dem Maß.

Gleichzeitig sehe ich aber auch, wo wir noch nicht weit genug sind oder sogar Rückschritte erleben. Gerade, wenn gesellschaftlich oder politisch Gegenwind zu spüren ist, spiegelt sich das auch in der Branche wider. Themen wie Gleichberechtigung oder Inklusion werden dann manchmal als ‚Nebensache‘ behandelt oder müssen sich erneut rechtfertigen. Auch in Online-Räumen und auf Social Media erleben viele Frauen, vor allem marginalisierte Stimmen, immer noch massiven Gegenwind.

Stillstand sehe ich auch bei strukturellen Fragen: Es reicht nicht, einzelne Personen sichtbar zu machen. Wir brauchen nachhaltige Veränderungen in den Systemen selbst, zum Beispiel durch faire Bezahlung, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder sichere und respektvolle Arbeitsumfelder.

Es bleibt also nach wie vor viel zu tun, aber der Weg, den wir gemeinsam gehen, macht Hoffnung.

„Themen wie Gleichstellung, Queer Rights oder Antidiskriminierung müssen sich wieder rechtfertigen,“

Lassen sich Unterschiede mit Blick auf die Relevanz der Womenize-Themen zwischen deutschen und internationalen Unternehmen festmachen?

Ja, es lassen sich definitiv Unterschiede feststellen, doch die aktuelle globale Entwicklung zeigt uns auch, wie fragil Gleichstellung wirklich ist.

Lange Zeit wirkten internationale Unternehmen, vor allem solche mit US-amerikanischer oder skandinavischer Prägung, oft als Vorreiter in Bezug auf DE&I (Diversity, Equity & Inclusion, Anm. d. Red.). Dort waren viele Themenm, für die Womenize steht, schon stärker in der Unternehmenskultur verankert: Mentoring für FLINTA* (Frauen, Lesben, Interpersonen, nicht-binäre Personen, Transpersonen und Agenderpersonen, Anm. d. Red.), inklusive Führung, klare Quotenregelungen, Safe Spaces.

Doch wir sehen aktuell weltweit einen Rechtsruck, der tiefgreifende Auswirkungen hat.

In den USA werden DEI-Programme zunehmend zurückgefahren oder politisch unter Druck gesetzt. Und dieser Rückzug aus Gleichstellungsarbeit ist nicht auf die USA beschränkt. Auch in Europa, inklusive Deutschland, erleben wir einen gesellschaftlichen Tonwechsel. Themen wie Gleichstellung, Queer Rights oder Antidiskriminierung müssen sich wieder rechtfertigen, werden als ‚ideologisch‘ betitelt oder bewusst kleingeredet.

Wenn wir uns aktuelle Zahlen zu Femiziden oder sexualisierter Gewalt ansehen, wird klar: Wir sind weit entfernt von echter Sicherheit und Gleichberechtigung.

Es reicht nicht, die Sichtbarkeit von FLINTA* in Führungspositionen zu feiern, wenn gleichzeitig strukturelle und kulturelle Gewalt gegen Frauen und marginalisierte Gruppen zunimmt oder verharmlost wird.

Gerade deshalb sind Womenize-Themen heute relevanter denn je.

Wir brauchen Räume, die empowern, vernetzen und politische Verantwortung mittragen. Nicht nur in Deutschland, sondern international. Der Kampf um Gleichstellung ist kein Selbstläufer, er muss immer wieder aktiv geführt werden.

Egger: „Geben Themen einen Raum, die auf anderen Bühnen oft fehlen“

Das Programm zur diesjährigen Womenize legt nahe, dass euch die Themen offenbar nicht ausgehen. An welcher Stelle gibt es derzeit den größten Handlungs- und Redebedarf?

Die Themen gehen uns definitiv nicht aus, eher im Gegenteil.

In der diesjährigen Programmplanung mussten wir früh priorisieren, weil der inhaltliche Bedarf so groß war. Viele Themen, die uns wichtig sind, konnten wir gar nicht mehr berücksichtigen, was auch zeigt: Die Games-Branche hat noch längst nicht ausgelernt, wenn es um Diversität, Inklusion und faire Arbeitsbedingungen geht.

Was uns dabei besonders wichtig ist: Wir geben auch den Themen Raum, die auf anderen Bühnen oft fehlen und schaffen einen geschützten Rahmen für ehrliche Gespräche.

Womenize will nicht nur Sichtbarkeit schaffen, sondern auch Diskussionen anstoßen und Strukturen hinterfragen. Dafür braucht es Veranstaltungen, die bewusst auch schwierige Themen zulassen.

Aktuell sehe ich den größten Handlungsbedarf an zwei Stellen:

  • Zum einen spüren wir, wie sehr wirtschaftlicher Druck die Branche belastet. Die vielen Entlassungen und Unsicherheiten führen dazu, dass vor allem junge Menschen den Einstieg in die Branche infrage stellen. Nicht etwa aus Desinteresse, sondern aus Sorge um Stabilität.
  • Zum anderen fehlen marginalisierten Gruppen nach wie vor sichere Räume. Es braucht nicht nur Repräsentation, sondern echte Teilhabe – und die entsteht nur, wenn wir auch strukturelle Veränderungen mitdenken. Als Branche kann man gesellschaftliche Strukturen vielleicht nicht vollständig verändern, aber man kann Verantwortung übernehmen, bestehende Ungleichheiten sichtbar machen, Räume für ehrliche Auseinandersetzung schaffen und so einen Beitrag zu mehr Gerechtigkeit und Inklusion leisten.

Womenize will hier weiterhin Impulse geben, Brücken bauen und zeigen: Veränderung ist möglich, wenn wir bereit sind, genau hinzuschauen.

Womenize-Macherin Egger: “Unser Ziel: dass es Womenize! eines Tages nicht mehr braucht.“

Wie lauten die Vorsätze für die kommenden zehn Jahre? Wo wollt ihr perspektivisch mit der Womenize! hin – konzeptionell, inhaltlich, räumlich?

Auch wenn es paradox klingt: Unser langfristiges Ziel war und ist, dass es Womenize! eines Tages nicht mehr braucht.

Dass Sichtbarkeit, Gleichberechtigung und strukturelle Fairness so selbstverständlich geworden sind, dass Veranstaltungen wie unsere nicht mehr nötig sind. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg und genau deshalb machen wir weiter.

Für die kommenden Jahre haben wir uns vorgenommen, Womenize räumlich und inhaltlich weiterzuentwickeln.

Bereits vor der Pandemie waren wir nicht nur in Berlin, sondern auch in Köln präsent. Diesen Faden möchten wir wieder aufnehmen. Perspektivisch wollen wir Womenize in weiteren Regionen Deutschlands verankern, um den Austausch dezentraler zu gestalten, neue Perspektiven einzubeziehen und regionalen Besonderheiten Raum zu geben. Erste Gespräche führen wir aktuell bereits mit Vertretern und Vertreterinnen aus Köln und Bayern.

Inhaltlich bleibt unser Anspruch, Themen und vor allem Menschen auf die Bühne zu bringen, die auf anderen Veranstaltungen bislang wenig oder gar nicht sichtbar sind.

Wir wollen Diskussionen ermöglichen, die sonst nicht geführt werden, blinde Flecken benennen und Mut machen, Dinge neu zu denken.

Und wer weiß, vielleicht schafft sich Womenize eines Tages tatsächlich selbst ab. Und ich hoffe sehr, dass ich diesen Moment noch erleben darf.


Immer freitags, immer kostenlos: Jetzt GamesWirtschaft-Newsletter abonnieren!
GamesWirtschaft auf Social Media: LinkedInFacebookX ● ThreadsBluesky