Die ‚finale‘ Version des Industrie Gigant 4 erzürnt die Kundschaft – auch mit Blick auf siebenstellige Fördermittel ergeben sich Fragen, denen sich Publisher Toplitz stellt.
Die Überschrift mutet noch vielversprechend an: „1.0 Launch – danke, Community!“ heißt es auf der Steam-Seite des Industrie Gigant 4.0. Doch schon wenige Zeilen weiter folgt die Ernüchterung: „Mit Erreichen dieses Meilensteins müssen wir euch aber auch mitteilen, dass es in absehbarer Zukunft keine weiteren größeren Updates oder neuen Funktionen geben wird.“
Schwerwiegende Probleme würden im Einzelfall behoben (wie zuletzt geschehen am 5. November), ansonsten ist die Entwicklung abgeschlossen – eine Entscheidung, die dem Vernehmen nach „nicht leicht gefallen“ sei.

Bei den Fans, die sich eine Fortsetzung des überaus populären Ur-Industrie-Giganten der Anfang-2000er erhofft und immerhin 24,99 € für die Early-Access-Version des Aufbau-Strategiespiels ausgegeben haben, sorgt die Botschaft seit Mitte Oktober für mittelschweres Entsetzen.
Denn die Liste der Baustellen ist weiterhin endlos – fehlende oder nur teils integrierte Features, unausgereifte Steuerung, Performance-Probleme und Bugs. Was besonders ins Gewicht fällt, weil es sich um ein ausgesprochen komplexes Spiel handelt, bei dem es um den filigranen Aufbau funktionierender Produktions- und Lieferketten geht.
Hinzu kommt: Im Projekt stecken weit über eine Million an staatlichen Fördergeldern. Der Freistaat Bayern hat bereits den Prototyp mit 100.000 € bezuschusst – für die Umsetzung erhielt die Don vs Dodo GmbH mit Sitz in Garching bei München zusätzliche 200.000 €.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat zudem ab November 2022 einen weiteren Scheck über 917.765 € ausgestellt. Eine Rückzahlung dieser Subventionen ist grundsätzlich nicht vorgesehen – sofern die Termine eingehalten werden, die Mittelverwendung plausibel erscheint und das Spiel in einem lauffähigen Zustand veröffentlicht wird.
Industrie Gigant 4: „Durchaus unterhaltsames Spielerlebnis“
Klar ist: Das Spiel befindet sich in keinem guten Zustand. Die Kunden lassen demzufolge kein gutes Haar an Produkt und Vorgehensweise – der Steam-Wertungsschnitt fällt „sehr negativ“ aus.
GamesWirtschaft hat den zuständigen Publisher – die Münchener Toplitz Productions GmbH (Medieval Dynasty, Serum, Anstoss) – um eine Stellungnahme gebeten. Die Antworten kommen von Head of Marketing & PR Tamara Berger.
GamesWirtschaft: Warum genau habt ihr euch dafür entschieden, den Industrie Gigant 4 technisch und inhaltlich nicht mehr weiterzuentwickeln und im aktuellen Zustand zu belassen?
Berger: Der Industriegigant 4 ist mit Version 1.0 als technisch stabile und voll spielbare Vollversion erschienen. Unser Ziel war es, die Serie spielmechanisch und visuell weiterzuentwickeln und nicht nur zu kopieren.
Leider müssen wir feststellen, dass das Spiel – insbesondere in Hinblick auf das Gameplay – nicht in dem Maß den Erwartungen vieler Spielerinnen und Spieler entspricht, wie wir es uns erhofft hatten. Der angestrebte Mix aus neuen Elementen und klassischen Mechaniken hat sich für Teile der Community als weniger stimmig erwiesen, als wir erwartet haben.
Das Spieldesign nachträglich in eine andere Richtung zu führen oder größere Erweiterungen einzubauen hätte jedoch erhebliche Zusatzinvestitionen erfordert, die angesichts der Verkaufszahlen und der allgemeinen Marktentwicklung wirtschaftlich einfach nicht mehr vertretbar waren.

Was sagt ihr zum vielfach geäußerten Vorwurf, dass sich die aktuelle Fassung weiterhin im Beta-Stadium befindet?
Nach dem Early-Access-Start gab es eine Roadmap mit geplanten Erweiterungen, die den damaligen Entwicklungsstand widerspiegelte. Ein Großteil wurde umgesetzt, einige Punkte konnten aus wirtschaftlichen und technischen Gründen nicht mehr realisiert werden.
Wir verstehen, dass dadurch Erwartungen entstanden sind, die nicht vollständig erfüllt werden konnten. Der IG 4.0 ist dennoch ein eigenständiges, voll funktionsfähiges Produkt, das, wie auch mehrere Rezensionen bestätigen, durchaus ein unterhaltsames Spielerlebnis ermöglicht.
Toplitz Productions: „Haben am Ende einen massiven Verlust getragen“
Die Reaktionen der Kunden fallen außergewöhnlich negativ und enttäuscht aus. Wie blickt ihr als Publisher auf die Gemengelage – auch im Kontext dessen, dass das Projekt von Bund und Ländern mit einem deutlich siebenstelligen Budget bezuschusst wurde?
Wir nehmen jede Reaktion ernst, gerade, weil Industrie Gigant eine traditionsreiche Marke ist, die vielen Spielern am Herzen liegt. Wir wollten dieser Serie mit dem IG 4.0 frische Impulse geben und gleichzeitig neue Zielgruppen ansprechen.
Wir haben uns bewusst dafür entschieden, diesen Titel mit einem kleinen, jungen Team aus Deutschland zu entwickeln und dem Studio die Möglichkeit zu geben, gemeinsam mit unserer Vision zu wachsen. Zusätzlich haben wir erfahrene Entwickler hinzugezogen, die vorher an ähnlichen Titeln wie zum Beispiel der Transport Fever Serie gearbeitet haben.
Die öffentliche Förderung diente der Unterstützung des Entwicklungsstandorts Deutschland und nicht der Vollfinanzierung des Spiels. Im Gegenteil: Als Publisher haben wir selbst einen siebenstelligen Betrag investiert und am Ende einen massiven Verlust getragen. Die Entscheidung, das Projekt abzuschließen, war somit kein ökonomischer Vorteil, sondern schlicht Ausdruck unternehmerischer Verantwortung.
Wir respektieren die Leidenschaft und Kritik der Community und nehmen sie als Ansporn, künftige Titel noch spielernäher zu gestalten.
Wie würdet ihr das aktuelle Verhältnis zum Entwickler-Studio beschreiben? Wird die Zusammenarbeit mit Don vs Dodo fortgesetzt – und wenn ja, in welcher Form?
Nach der Fertigstellung der Version 1.0 wurde das Projekt planmäßig beendet. Aktuell sind keine weiteren gemeinsamen Projekte vorgesehen.
Wir bedanken uns ausdrücklich beim gesamten Team für die Zusammenarbeit. Das Projekt war eine gemeinsame kreative Reise, bei der beide Seiten Erfahrungen gesammelt und Risiken getragen haben.
Viele Erkenntnisse aus dieser Zusammenarbeit fließen in unsere kommenden Produktionen ein – mit dem Ziel, zukünftige Projekte noch gezielter an die Erwartungen der Spieler anzupassen. (pf)











Jetzt kann man sich natürlich auch die Frage stellen, warum man ein solches Projekt überhaupt im Early Access released, wenn Kurskorrekturen nicht vorgesehen sind?
Genau dafür ist dieses Release Modell eigentlich gedacht: Community zentrierte Entwicklung.
Und wenn dann relativ schnell klar wird, dass der aktuelle Kurs so überhaupt keinen Anklang findet, wird dieser eben nach erhaltenem Feedback geändert, statt Millionen an Steuergeldern mit Ansage an die Wand zu fahren…
Mit den Entwicklern hab ich hinsichtlich dessen am wenigsten Mitleid. Wer mit einem gesicherten Budget, eine recht stabilen IP und den Vorteilen die ein Early Access Release (bezüglich Erwartungshaltung) dennoch nichts nennenswertes zu Stande bringt, der ist leider selbst schuld.
Leid tuts mir da um die unzähligen anderen Startups, die das Geld stattdessen eher hätten gebrauchen können.
Der einzige Silberfaden an dem ganzen ist, dass es nicht eine weitere Million war, die sich Ubisoft erschlichen hat…
Ein Spiel in so einem Zustand versauern zu lassen müsste zu mindestens einer Teil Rückzahlung der Subventionen führen!
Die spannende Frage ist, wie ein neues Team ohne Track-Record Fördergelder in solcher Höhe erhalten konnte. Hier scheinen sämtliche Anforderungen umgangen oder ignoriert worden zu sein. Eine krasse Verschwendung von Steuergeldern und leider kein Einzelfall bei der Games-Förderung.
Weil Erfahrung in der Förderung kein Kriterium ist. Wäre auch irgendwie dämlich, nur Leute zu fördern, die bereits gezeigt haben, dass sie es auch ohne können?
Die Fördersumme wird beantragt und basiert auf den Einschätzung der Firma, also wie viel Kosten sie veranschlagen. Da sind vor allem die Teamgröße und Entwicklungszeit entscheidend. Und es gibt viele Anforderungen, der ganze Prozess ist einigermaßen komplex. Wobei hier natürlich die Frage ist, ob diesen Teil nicht Toplitz gemacht hat oder zumindest maßgeblich.