Start Wirtschaft Wie Deutschlands Spielehersteller die Chancen von Stadia einschätzen (Update)

Wie Deutschlands Spielehersteller die Chancen von Stadia einschätzen (Update)

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Google kooperiert für Stadia mit nahezu allen relevanten Games-Technologie-Unternehmen (Szene aus der Google-Keynote vom 19.3.)
Google kooperiert für Stadia mit nahezu allen relevanten Games-Technologie-Unternehmen (Szene aus der Google-Keynote vom 19.3.)

Google prescht beim Thema Games-Streaming vor: Stadia geht noch 2019 an den Start. Wie reagieren Deutschlands Spiele-Entwickler?

Zumindest für ausgewählte deutsche Games-Unternehmen kam die Ankündigung der Google-Streaming-Plattform Stadia nicht überraschend. Denn schon im Vorfeld hatte es vertrauliche Gespräche sowie ausführliche Briefings für langjährige Google-Partner gegeben. Die vielbeachtete Keynote zum Auftakt der Game Developers Conference (GDC) in San Francisco war so gesehen in erster Linie eine PR-Maßnahme in Richtung Endverbraucher, während die Insider schon im Bilde waren.

Vieles ist noch offen: Wie sieht das Geschäftsmodell aus? Was kostet der Spaß? Wie gut funktioniert die Technologie in der Praxis? Und sind Deutschlands Netze in der Lage, auch Multiplayer-Action-Spiele mit hunderten Teilnehmern verzögerungsfrei abzuwickeln, wenn alle Spieldaten auf den Google-Servern lagern?

GamesWirtschaft hat bei Gründern und Managern deutscher Spiele-Entwickler nachgefragt, wie sie die grundsätzlichen Chancen von Stadia einschätzen – und zwar aus Entwickler- und Kunden-Sicht.

Das sind die bislang vorliegenden Experten-Statements (weitere folgen): 

  • Klaus Schmitt, Gründer und CEO von Upjers („Wurzelimperium“)
  • Jens Begemann, Gründer und CEO von Wooga („June’s Journey“) in Berlin
  • Henning Schmid, Head of Publishing bei Yager („The Cycle“) in Berlin
  • Hendrik Klindworth, Gründer und CEO von InnoGames („Forge of Empires“)
  • Yves Guillemot, Ubisoft-Gründer und Geschäftsführer von Ubisoft und Ubisoft Blue Byte
  • Todd English, CEO des Karlsruher Mobilegames-Publishers FlareGames („Nonstop Knight“)
  • Jennifer Pankratz, Spiele-Designerin bei Piranha Byte („ELEX“)
  • Daniel Stammler, Gründer und CEO des Berliner Mobilegames-Studios Kolibri Games („Idle Miner Tycoon“)
  • Avni Yerli, Gründer und CEO von Crytek („Hunt: Showdown“, CryEngine) in Frankfurt
  • Jan Theysen, Gründer und CEO des Bremer Studios King Art Games („Iron Harvest“, „The Book of Unwritten Tales“)
  • Eva-Maria Büttner, Business Development Manager bei Travian Games in München
  • Tom Burck, Vice President Customers & HR / Executive Board Gameforge Group in Karlsruhe
  • Marc Wardenga, Head of Games der EuroVideo Medien GmbH („Ostwind 2“) in München
  • Florian Emmerich, PR Manager Global bei THQ Nordic („Darksiders 3“, „Desperados 3“)
  • Martin Rabl, Marketing und PR Manager bei GIANT Software („Landwirtschafts-Simulator“)
  • Zoran Roso, bekleidete Führungspositionen u. a. bei Take-Two Interactive, Activision Blizzard und Sony Interactive

Dieser Beitrag wird laufend aktualisiert.


Jennifer Pankratz, Piranha Bytes
Jennifer Pankratz, Piranha Bytes

Jennifer Pankratz, Piranha Bytes:
Die Idee liegt auf der Hand. Es war sicher nur eine Frage der Zeit, bis ein großes Unternehmen auf die Idee kommt eine derartige Streaming-Plattform anzubieten. Allerdings gibt es noch einige Hürden, die zu nehmen sind.

Der Breitbandausbau in Deutschland spielt dabei eine große Rolle und ohne zu wissen, wie das Business-Modell aussieht, kann man aktuell noch keine sichere Prognose geben. Es bleibt also spannend.


Klaus Schmitt, CEO von Upjers
Klaus Schmitt, CEO von Upjers

Klaus Schmitt, Upjers:
Für uns hört sich die Idee ziemlich gut an, obwohl sie nicht wirklich neu ist. Als Entwickler bieten sich hier gute Möglichkeiten, weitere Nutzer anzusprechen.

Für die  Kunden sehen wir den Vorteil, dass damit eine Alternative zu den geschlossenen Systemen der verschiedenen Konsolen-Hersteller entsteht.


Jens Begemann, CEO von Wooga
Jens Begemann, CEO von Wooga

Jens Begemann, Wooga:
Stadia als Konzept finde ich sehr überzeugend. Aber klar gibt es auch neben den nicht angekündigten Preismodellen und der Verfügbarkeit noch Fragezeichen.

Als entscheidende Faktoren für den Erfolg sehe ich Latenz und Geschwindigkeit. Und da muss Google erst mal liefern. Aber wer weiß – vielleicht bringt 5G hier von der Branche bis jetzt kaum wahrgenommene Möglichkeiten.

Spannend ist natürlich, dass ich als Spieler auf Stadia sofort loslegen kann, ohne Installation. Und gerade den Multiplayer-Bereich kann Stadia revolutionieren – wenn dann in hoher Geschwindigkeit eine beliebige Menge an Menschen in High Fidelity zusammen spielen kann. Aus Entwicklersicht finde ich es verfrüht, eine Einschätzung abzugeben, dafür gibt es noch zu viele offene Punkte.


Henning Schmid, Head of Publishing bei Yager
Henning Schmid, Head of Publishing bei Yager

Henning Schmid, Yager:
Aus Kunden-Sicht: Hardwareunabhängiges Spielen neuester Titel in bester Auflösung, neue Interaktionsmöglichkeiten mit Influencern, keine Download/Patch-Marathons mehr, kein Cheating oder Hacking (eSport!).

Gespannt darf man sein, ob wirklich alle Spielegenres damit darstellbar sind. Zwar wurde ein latenzsensitives Spiel mit „Doom Ethernal“ vorgestellt, doch muss man hier auf etwas Spielbares warten, vor allem im „Internet-Entwicklungsland“ Deutschland. Auf jeden Fall ist das Konsumentenversprechen der Ankündigung großartig.

Einziger Wermutstropfen: Als reiner PC Spieler sehe ich nicht, dass die Modding-Spiele davon profitieren werden. Die ModdingSzene/UCG wird von Googles Ansatz nicht angesprochen und ich kenne und spiele sehr viele Games, die auf diese Modding-Szene aufbauen.


Hendrik Klindworth, CEO von InnoGames
Hendrik Klindworth, CEO von InnoGames

Hendrik Klindsworth, InnoGames:
Google wird mit Stadia vor allem eine Alternative zu den etablierten Konsolen bieten. Insofern sehen wir großes Potential, nicht zuletzt durch die angekündigte Verzahnung mit  Youtube.

Der Katalog der verfügbaren Spiele und deren Latenz, das Preismodell und die Entwicklung des Wettbewerbs sind aus unserer Sicht kritische Faktoren für den Erfolg der Plattform. Hier sind wir auf weitere Entwicklungen gespannt. Gemeinsam mit mobil verfügbaren Titeln wird Stadia den Trend weg von der Konsole aber sicher weiter stärken.


Yves Guillemot, CEO von Ubisoft

Yves Guillemot, Ubisoft / Ubisoft Blue Byte:
Die technischen Möglichkeiten und die Zugänglichkeit des Streamings eröffnen Milliarden von Möglichkeiten, um künftig Videospiele zu spielen.

Wir sind stolz auf die Partnerschaft mit Google und bauen darauf, was wir mit „Assassin’s Creed Odyssey“ im Rahmen von Project Stream gelernt haben. Das ist erst der Anfang – wir freuen uns auf die enge Zusammenarbeit mit Google mit Blick auf Stadia.


Todd English, CEO von FlareGames
Todd English, CEO von FlareGames

Todd English, FlareGames:
Wir sind große Fans von Google – und konnten aus erster Hand sehen, wie sie mit der Einführung und der andauernden Evolution von Google Play die Spieleindustrie verändert haben.

Es gibt viele Firmen wie uns, die etablierte Beziehungen mit Google pflegen und lange mit den Google-Plattformen gearbeitet haben – das ist die Basis, auf der Stadia errichtet werden kann.

Das ist eine starke Ansage von Google, das Rad der Zeit dreht sich damit noch ein Stück weiter weg vom traditionellen Modell mit Spielen in Packungen für stationäre Konsolen – und die Spieler gehen den Weg mit zunehmender Begeisterung mit.


Daniel Stammler, Gründer und CEO von Kolibri Games
Daniel Stammler, Gründer und CEO von Kolibri Games

Daniel Stammler, Kolibri Games:
Aus Kundensicht finde ich es begrüßenswert, dass es in Sachen Streaming vorangeht und dass sich ein großer Player des Themas annimmt.

Aus Entwicklersicht vermag ich das noch nicht zu bewerten – da kommt es sehr darauf an, wie man Spiele auf Stadia bekommt und wie das Business-Modell am Ende aussieht.


Marc Wardenga, Head of Games bei EuroVideo Medien
Marc Wardenga, Head of Games bei EuroVideo Medien

Marc Wardenga, EuroVideo Games:
Stadia ist ein weiterer wichtiger Schritt nach vorne im Games-Business. Das Thema Streaming wird die Businessmodelle nochmals neu definieren. Voraussetzung ist allerdings ein flächendeckende schnelle Internetverbindung. Frühere Versuche sind immer wieder an langer Latenz gescheitert.

Neben Google arbeiten auch andere wie Microsoft, NVIDIA oder Valve an der Technik. Für Kunden ist es dann zukünftig sehr einfach ohne starke Hardware die neuesten Games zu spielen und das ohne komplizierte Installation (einfach mit einem Klick). Stadia ist das Netflix für Games – und erst der Anfang!


Avni Yerli, Gründer und CEO von Crytek
Avni Yerli, Gründer und CEO von Crytek

Avni Yerli, Crytek:
Google hat das notwendige Know-How, die passende Infrastruktur und das nötige Durchhaltevermögen.

Wenn noch ein attraktives Business Modell und der passende Content – neben dem, der schon angekündigt wurde – dazu kommt, sehen wir durchaus gute Chancen, Streaming den noch nötigen Schritt weiter nach vorne zu bringen und final zu etablieren.


Tom Burck, Vice President Customers & HR bei Gameforge
Tom Burck, Vice President Customers & HR bei Gameforge

Tom Burck, Gameforge:
Aus Kundensicht: Immer, wenn ein starker ambitionierter Player sich engagiert, ist das erstmal gut für den Markt, da geht was voran.

Aus Entwicklersicht ist es noch zu früh, um das seriös zu bewerten, da müsste ich erstmal mehr wissen.

Aber wenn es jemand hinbekommt, dann sicher Google.


Eva-Maria Büttner, Business-Development Manager bei Travian Games
Eva-Maria Büttner, Business-Development Manager bei Travian Games

Eva-Maria Büttner, Travian Games:
Stadia ist ja keine neue Erfindung in dem Sinne, vielmehr eine Ausarbeitung und Weiterentwicklung ähnlicher Cloud Gaming-Konzepte, welche bereits von Nvidia oder Sony vorgestellt wurden. Neu ist die Vernetzung mit YouTube und Crowd Play. Mit diesen Funktionen werden Spielehersteller und auch Fans noch enger mit Letsplayern vernetzt sein. Dies bringt ein unheimliches Marketing-Potenzial mit sich.

Die Tatsache, das Google sein eigenes Server-Netzwerk nutzt, verspricht eine niedrigere Latenz, womit sich auch im Multiplayer-Bereich neue technische Möglichkeiten ergeben. Der User wird dem Spiel näher gebracht, kann auf jedem Endgerät spielen und Verzögerungen während des Streamens sollen der Vergangenheit angehören. Auch die Assistenten-Funktion mit welcher Spieler nach Hilfe Fragen können, sobald sie im Spiel nicht mehr weiterkommen, spricht für eine kundenorientierte Ausrichtung des Streaming-Dienstes der Zukunft.

Für beide Parteien scheint Stadia eine Win-Win-Situation zu sein, wären da nicht die unzähligen Konsolenhersteller und -liebhaber. Die Chancen werden mit Bekanntgabe der Preispolitik besser einzuschätzen sein.


Martin Rabl, PR und Marketing Manager bei GIANTS Software
Martin Rabl, PR und Marketing Manager bei GIANTS Software

Martin Rabl, Giants Software:
Wir sehen da durchaus gute Chancen, wenn es richtig funktioniert und auch der eigentliche Einstieg ins Ganze recht einfach geht. Also keine komplizierte Kontenverwaltung usw. Denn als gute Zielgruppe sehen wir hier vor allem Leute, die sich nicht mit tausend Details befassen oder eben auch Hardware-Konfigurationen vergleichen wollen.

Man hört auch immer wieder Leute sagen, dass sie mittlerweile gut mit einem Tablet statt einem Rechner leben könnten, wenn da nicht die Sache mit den Videospielen wäre. Wenn der jetzige Rechner älter wird, überlegen sie es sich jetzt vielleicht noch mehr, ob es sich lohnt, eine Gaming-Maschine zuzulegen oder etwas Kleineres und dafür dann mit Stadia spielen.

Aus Entwicklersicht ist es natürlich auch reizvoll, damit neue Leute erreichen zu können. Wegen der niedrigen Hardware-Anforderungen. Sofern (großes ‚Sofern‘!) dementsprechend schnelles Internet vorhanden ist, auch wegen der Einbindung in YouTube oder auch anderen Webseiten.

Ich könnte mir auch vorstellen, dass es ein paar Dinge leichter macht, was das Optimieren des Spiels angeht. Klar, kann man die individuellen, normalen, PC-Systeme nicht vernachlässigen, aber so gesehen sollten die Spieler bei Stadia doch alle die gleichen Komponenten haben. Läuft es – abgesehen vom Internet – bei einem gut, sollte es auch beim anderen gut laufen.


Florian Emmerich, PR-Manager bei THQ Nordic
Florian Emmerich, PR-Manager bei THQ Nordic

Florian Emmerich, THQ Nordic:
Stadia klingt nach einer großartigen Idee – und wenn eine Firma mit den Möglichkeiten von Google derart Ernst macht, stehen die Chancen gut, dass es sich zu einer etablierten Art zu Spielen entwickelt.

Für den Entwickler ist es immer gut, noch mehr Leute erreichen zu können und Content unabhängig vom Endgerät der Nutzer anbieten zu können.

Umgekehrt ist es für den Nutzer auch spannend, wenn er ohne neue beziehungsweise größere Hardware-Investitionen jedes Game spielen kann.


Jan Theysen, Gründer und CEO von King Art Games
Jan Theysen, Gründer und CEO von King Art Games

Jan Theysen, King Art Games:
Ich denke, dass ähnliche Konzepte irgendwann der Standard sein werden. Aber ich bezweifle, dass dieses „irgendwann“ schon gekommen ist.

Das Problem dabei ist die schnelle und unterbrechungsfreie Übermittlung der sehr großen Datenmengen, die für 4k/60FPS Gaming nötig ist. Nur ein Bruchteil der potenziellen User wird über eine entsprechende Internetanbindung verfügen. Wer will, kann ja mal ein zufälliges YouTube-Video auf 4k stellen und in der Timeline herum klicken. Google Glasfaser und Rechenzentren hin oder her, das Video wird nicht latenzfrei abgespielt werden weil eben doch (anders als suggeriert), das normale, langsame und unzuverlässige Internet zumindest auf den letzten Metern eine Rolle spielt.

Ich gehe nicht davon aus, dass der Service heute für die breite Masse an Spielern ein ähnlich gutes Erlebnis bieten kann wie Konsolen oder PCs. Interessant könnte es für eine relativ überschaubare Gruppe von Spielern sein, die eine super Internetanbindung und gleichzeitig keine moderne Gaming-Hardware haben. In den nächsten Jahren wird sich die Situation verbessern, aber ich sehe nicht, dass sich die Situation in Deutschland in den nächsten 5 oder 10 Jahren so radikal ändert, dass es ein System für Jedermann wird.

Aus Entwicklersicht: Hängt stark vom Businessmodell ab und dazu habe ich noch nichts gehört.


Zoran Roso, Games-Marketing-Experte
Zoran Roso, Games-Marketing-Experte

Zoran Roso, Games-Marketing-Experte:
Für Stadia sehe ich grundsätzlich sehr guten Chancen, insbesondere mit dem anstehenden 5G-Ausbau. Für Entwickler & Publisher lässt sich so sehr gut das Thema Multi-Plattforming in den Griff bekommen, ohne die starke Fragmentierung verschiedener Plattformen beachten zu müssen, weder in Sachen Performance noch Hardware- und Treiberkompatibilität.

Darüber hinaus fällt natürlich auch der Druck, der ansonsten mit Generationswechseln bei Konsolen einher geht, weg. Hier wird einfach die Server-Hardware unsichtbar im Hintergrund getauscht und die Spiele können sofort von der zusätzlichen Power oder von neuen Features profitieren. Zudem fällt das leidige Problem unterschiedlicher Versionen bei Spielern aus, da alle immer automatisch up-to-date sind.

Aus Kundensicht wird die User-Experience noch ubiquitärer und gleichzeitig reibungsloser. Keine umständlichen Updates, Patches und Inkompatibilitäten mehr. Einfach auf Start klicken und es geht los. Eigentlich wird hier wieder das ursprüngliche Konsolenversprechen von „Anschalten und loslegen“ endlich wieder eingelöst. Nur ohne Internet wird es problematisch – aber hier sollte hoffentlich bald 5G Abhilfe schaffen, sowohl beim Thema Bandbreite wie auch Latenz.

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