Start Meinung Fröhlich am Freitag 3/2020: Die Vermessung der Spiele-Welt

Fröhlich am Freitag 3/2020: Die Vermessung der Spiele-Welt

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Die Realität in vielen deutschen Elektronikmärkten: Das Games-Angebot schnurrt zusehends zusammen.
Die Realität in vielen deutschen Elektronikmärkten: Das Games-Angebot schnurrt zusehends zusammen.

Nintendo ist der große Gewinner der amtlichen Spiele-Verkaufszahlen-Rangliste 2019 in Deutschland. Aber stimmt das wirklich?

Verehrte GamesWirtschaft-Leser,

„FIFA 20, Call of Duty: Modern Warfare und Mario Kart 8 Deluxe waren die erfolgreichsten Games 2019“

So lautet die Überschrift jener Pressemitteilung, die in dieser Woche vom Branchenverband verschickt wurde – basierend auf Erhebungen von Marktforscher GfK Entertainment.

Im Kleingedruckten ist zu erfahren, dass bei der Zählung nur jene Spiele berücksichtigt wurden, die via Datenträger über den Ladentisch gingen. Was wiederum erklärt, warum Nintendo elf von 20 Plätzen belegt – Switch-Spiele werden nun mal überwiegend in Modul-Form verabreicht.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Ähnlich wie im Fußball gilt natürlich auch hier: Die Tabelle lügt nicht. Doch die Aussagekraft solcher Ranglisten tendiert zunehmend gegen Null. Warum? Weil sie ungefähr nichts darüber aussagen, was wirklich im Land gespielt wird.

  • Nicht inklusive sind zum Beispiel sämtliche Digitalverkäufe – via PlayStation Store, Microsoft Store, Steam, uPlay, Battle.Net, Rockstar Games Launcher, EA Access und so weiter. Ubisofts „Anno 1800“ und das von Koch Media vertriebene „Metro Exodus“ sorgten im Frühjahr 2019 für Umsatz- und Serien-Rekorde im Epic Games Store – all diese Werte fließen erst gar nicht in die GfK-Rechnung ein.
  • Wer einen Flatrate-Streaming- und Download-Dienst wie Xbox Game Pass nutzt, fällt ebenfalls durchs Raster.
  • Zwangsläufig unberücksichtigt sind auch die gigantischen Umsätze und Nutzerzahlen von Free2Play-Games auf PC und Konsole – „League of Legends“, „Fortnite“, „Counter-Strike“ und so weiter, von Mobile-Games ganz zu schweigen.

Verkaufszahlen von Videospielen, Filmen und Musik auf Datenträgern sind somit wie TV-Einschaltquoten: nett, aber unvollständig und unscharf – weil Sky, Netflix, iTunes, Amazon Prime, Spotify und öffentlich-rechtliche Mediatheken ausgeblendet werden.

Dadurch entsteht ein schiefes Bild, welche Genres und Formate beim Publikum tatsächlich gefragt und somit ‚erfolgreich‘ sind.

Zusammen mit den Ingame-Käufen sind Online- und Abo-Dienste wie Xbox Live Gold der Wachstumstreiber der deutschen Spiele-Branche (Stand: 21. Mai 2019)
Zusammen mit den Ingame-Käufen sind Online- und Abo-Dienste wie Xbox Live Gold der Wachstumstreiber der deutschen Spiele-Branche (Stand: 21. Mai 2019)

Um die Diskrepanz zwischen Messwerten und Realität zu erkennen, muss man nur mal die Games-Abteilung eines beliebigen Elektronik-Vollsortimenters aufsuchen: Wer längere Zeit nicht dort war, wird möglicherweise seinen Augen nicht trauen – weil die einst stockwerk-übergreifenden Regal-Reihen nur noch ein Schatten ihrer selbst sind.

Ob „FIFA 20“ vor diesem Hintergrund das ‚erfolgreichste Game 2019‘ in Deutschland war? Hinter diese These muss man zumindest ein Fragezeichen setzen.

Zu beneiden ist die GfK jedenfalls nicht: Die Vermessung der Spiele-Welt ist irrsinnig kompliziert und kleinteilig geworden. Umso wichtiger wird es aber sein, Methoden zu finden, um den Markt möglichst vollständig und akkurat abzubilden – und nicht nur ein immer kleiner werdendes Teil-Segment.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


Alle Kolumnen und Gastbeiträge finden Sie in der Rubrik „Meinung“.