Start Meinung Squidgamescom (Fröhlich am Freitag)

Squidgamescom (Fröhlich am Freitag)

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Netflix hat offiziell zur Gamescom 2025 zugesagt - das konkrete Programm ist noch geheim (Szene aus Squid Game 3 / Abbildung: Netflix)
Netflix hat offiziell zur Gamescom 2025 zugesagt - das konkrete Programm ist noch geheim (Szene aus Squid Game 3 / Abbildung: Netflix)

Durch Streaming-Dienste wie Netflix verändert sich der ‚Vibe‘ der Gamescom. An den namensgebenden Games wird es auch 2025 nicht mangeln.

Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

noch während der laufenden Pandemie haben die Gamescom-Veranstalter nicht wenig Geld in die Hand genommen, um die Marke neu ‚aufzuladen‘, wie das im Werber-Deutsch so schön heißt. Das Ergebnis wurde vor ziemlich exakt drei Jahren präsentiert (Details / Kolumne).

Es war die erste Gamescom nach bitteren Lockdown-Jahren. Zwei abgesagte Vor-Ort-Messen plus kurzfristig zusammengeflickte Digital-Ausgaben hatten zuvor kratertiefe Löcher in die Bilanzen von Messebauern, Koelnmesse und Verband gerissen. Den Zimmer-Tarifen nach zu urteilen, ist mindestens die Hotellerie im Großraum Köln weiterhin wild entschlossen, Entgangenes nachzuholen.

Die Gamescom tritt nun in edlem Schwarz auf – als amtliche Schriftart wurde ‚Avant Garde Gothic‘ gewählt, aus Gründen. Die Spielemesse sollte sich damit „von der Verniedlichung vergangener Tage emanzipieren“. Schließlich war und ist die Gamescom „das Coachella der Gamer“, die „Art Basel des Fandoms“, das „Epizentrum einer neuen Popkultur“.

Man möchte hinzufügen: das ‚Tomorrowland der KI‘.

Das Happening sollte zur „Marketingplattform für Mainstream-Marken“ werden, wie es das Fachblatt Horizont diagnostizierte – sprich: anschlussfähiger werden für werbetreibende Industrien.

Hat das geklappt? Ja und nein. Große Brands pflegen eine On-Off-Beziehung mit Köln – mal sind sie dabei. Mal nicht. Rotes Licht. Grünes Licht. BMW, McDonald’s, Porsche, Ford, Red Bull, Aldi, Ferrero, die Liste ist endlos.

Aktuell ist vielfach wieder eine „kreative Pause“ angesagt. Man kann sich des Eindrucks kaum erwehren, dass die Marketers nicht so recht wissen, was sie mit den vielen Leuten anfangen sollen, die da am Stand vorbeistromern. Wem entlang des Brainstormings nichts Zielführendes einfällt, muss zur Not weiterhin Roblox-Filialen und Fortnite-Inseln eröffnen.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Seit dem „Premium“-Relaunch ist das pure, nerdige Gaming an Controller, Maus, Tastatur und Smartphone nur noch einer von ganz vielen Satelliten, die den Planeten Gamescom umkreisen. Drum herum: Tabletop, Fantasy & Sci-Fi, Superhelden, Cosplay, Manga und Anime, K-Pop (!), Kawaii (!!), E-Sport und Streaming.

Aussteller-Struktur, Teilnahmebedingungen und Hallenpläne dokumentieren diese Entwicklung: Seit 2024 gibt es eine dedizierte Cards & Board Area, gleich nebenan lockt die Künstler-Meile (‚Artist Area‘). Neuerdings sind Streaming-Plattformen wie Paramount, Disney+ und Netflix (wieder) am Start, Cosplayer und Creator sowieso.

Kurzum: Die Gamescom hat sich spätestens seit 2022 zur Squidgamescom entwickelt. Alles, was auch nur ganz mild nach Popkultur duftet, soll seinen Platz finden. Das ist kein Zufall, sondern Vorsatz.

Wer sich in diesem Umfeld offenkundig nicht (mehr) sieht, ist Sony PlayStationausgerechnet. Der letzte Sony-Aufschlag in Köln datiert aus dem Jahre 2019 – damals auf 3.000 Quadratmetern, mit First- und Third-Party-Titeln, großer Showbühne, Kojima-Audienz, analogem Tischkicker und allem Pipapo.

Es spricht viel dafür, dass das Engagement im Folgejahr fortgesetzt worden wäre – das Timing mit Blick auf den PlayStation 5-Launch im November 2020 hätte besser nicht sein können. Dann kam die Pandemie dazwischen – hätte, hätte, Lieferkette. Und Sony Interactive spart sich seitdem die Gamescom. Weder God of War noch Horizon noch Spider-Man noch Astro Bot und noch nicht mal das 30-Jahre-PlayStation-Jubiläum 2024 waren Anlass genug für ein Comeback.

Wenn der Mitbewerb eine halbe Halle bucht, kann eine Weltmarke wie Sony nun mal nicht mit einem Tapeziertisch anrücken. Wollte man zumindest den 3.000-Quadratmeter-Stand des Jahres 2019 wiederholen, läge allein der Listenpreis für die Kaltmiete bei einer halben Mio zuzüglich Mehrwertsteuer. Inklusive Standbau, Logistik, Personal, Marketing und Nebengeräuschen reden wir von einem deutlich siebenstelligen Invest.

Natürlich würde es keinen Armen treffen: Sonys Games-Unit hat zuletzt über 30 Milliarden Dollar eingespielt. Im laufenden Geschäftsjahr erwartet alleine die deutsche Niederlassung einen Umsatz von mehr als 900 Mio. €. Das muss das Boot abkönnen, sollte man meinen.

Konkrete Gründe wird man nicht erfahren – never complain, never explain. Nur Bedürftigkeit ist nach Lage der Dinge auszuschließen.

Ich finde: Mit Blick auf immer höhere Tarife für Konsolen, Zubehör, Spiele und Online-Dienste könnte man schon etwas mehr Schön-dass-es-euch-gibt-Fan-Service an den Tag legen. Sooo viele Gelegenheiten bieten sich unterjährig ja nicht, bei denen Marke und Community physisch aufeinandertreffen. Nintendo und Microsoft sind an dieser Stelle ungleich geselliger.

Selbst einen konkreten „Anlass“ in Form einer spielbaren Blockbuster-Neuheit wie Ghost of Yotei (kommt am 2. Oktober) bräuchte es nicht. Zum Champions League-Finale in München hat Langzeit-Sponsor Sony letztens einen wirklich spek-ta-ku-lä-ren, voll funktionsfähigen, extrem liebevoll gestalteten, 10 Meter langen PlayStation-5-Flipper im Olympiapark aufgestellt (wie schon ein Jahr zuvor in London). Das würde als Attraktion in Halle 7 schon vollends genügen.

An spielbarem Stoff (auch und gerade für die PS5) wird es in Köln dennoch nicht mangeln, das ist mal sicher. Und trotzdem wabert auch heuer wieder die kaum mehr erträgliche Mär vom Niedergang der Gamescom durch die Foren.

Das ist – objektiv – Quatsch: Mit Microsoft Xbox, Nintendo, Roblox, EA, Bethesda, Take-Two, Konami, Capcom, Blizzard, Bandai Namco, THQ Nordic, HoYoVerse, Ubisoft, Krafton und SEGA sind die marktführenden Akteure nahezu vollzählig am Start. Natürlich nicht vollzählig (hallo Sony), aber eben nahezu. Von den mittelgroßen Publishern und vielen hundert Indie-Studios gar nicht zu reden.

Die Gamescom ist weiterhin eine Gamescom. Und inzwischen halt auch eine Squidgamescom.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


Alle Informationen rund um die Gamescom 2025 – Aussteller, Spiele, Tickets, Events, Hallenplan und mehr – finden Sie bei GamesWirtschaft.

3 Kommentare

  1. Gamescom wird gut, keine Frage, freue mich auch schon drauf. Nur sie hat sich halt verändert, kann man mögen, muss man nicht.
    Was bleibt ist der direkte Kontakt zum Kunden, also auch Gamern. Das natürlich nur, wenn man das auch will und eines sollte allen klar sein, bei allem Marketing-Sprech, wenn Sony nicht auf der gamescom ist, dann sind ihnen die gamer völlig egal.

    • Was für ein Quatsch. Deswegen sind Ihnen die Gamer nicht egal. Sie haben nur gerade einen andere Zugang zum Markt gewählt. Sony möchte halt selber aktiv sein und Events organisieren. Muss man ja nicht gut finden, kann man aber akzeptieren.

      • Das ist auch völlig fein, da einen anderen Ansatz zu suchen. Viele große Marken gehen ihre eigenen Wege und sind nicht auf klassischen Fach- und Verbrauchermessen präsent.

        Im Unterschied etwa zu Apple usw. gibt es bei Sony nicht sehr viele Orte und Gelegenheiten, wo die Marke physisch auf ihre Kunden trifft – wo also abseits der digitalen Kanäle eine Art Interaktion stattfindet. Womöglich braucht es die auch gar nicht (mehr), aber interessant ist ja schon, dass die direkten Mitbewerber und auch die Games-Hersteller sich pro Gamescom entscheiden. Und zwar ergänzend zu Showcases, Trailer-Reveals usw.

        Petra
        GamesWirtschaft

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