Start Wirtschaft 10 Jahre Maschinen-Mensch: „Als würde man auf einer Achterbahn sitzen“

10 Jahre Maschinen-Mensch: „Als würde man auf einer Achterbahn sitzen“

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Riad Djemili und Johannes Kristmann feiern mit ihrem Team das 10jährige Betriebsjubiläum ( Foto: MaschinenMensch UG / Illustration: Garen Ewing)
Riad Djemili und Johannes Kristmann feiern mit ihrem Team das 10jährige Betriebsjubiläum ( Foto: MaschinenMensch UG / Illustration: Garen Ewing)

Seit über einem Jahrzehnt baut Maschinen-Mensch erfolgreiche Indie-Games – mit Mother Machine wagt sich das Studio auf neues Terrain.

Über viele Jahre haben sie gemeinsam beim Berliner Studio Yager Development als Senior Game Designer und Senior Programmer an Action-Spielen wie Spec Ops: The Line gearbeitet – ehe Johannes Kristmann und Riad Djemili anno 2014 die Maschinen-Mensch UG in Berlin gegründet haben.

Erstes Projekt: das hochgelobte Strategiespiel Curious Expedition, das sich über alle Plattformen mehr als eine halbe Million Mal verkauft hat. 2021 folgte Teil 2. Beiden Titeln gingen gründliche Early-Access-Phasen voraus.

Die Grundlage für den Erfolg legte regelmäßig auch die Unterstützung von Bund und Land. Für das neueste Projekt mit dem Arbeitstitel Curious Caves stellt das Wirtschaftsministerium knapp 1 Mio. € bereit – weitere 155.000 € kamen vom Medienboard Berlin-Brandenburg. Inzwischen hat dieses Spiel einen finalen Namen: Im Koop-Action-Plattformer Mother Machine lotsen bis zu vier Spieler die Gremlin-artigen Figuren durch Höhlensysteme – auf Steam lässt sich bereits eine Demo herunterladen.

10 Jahre Maschinen-Mensch: „Als würde man auf einer Achterbahn sitzen“

Maschinen-Mensch ist Teil des Entwickler-Kollektivs ‚Saftladen‘ – eine Konstellation, die es bundesweit nicht so oft gibt. Im Ost-Berliner Stadtteil Lichtenberg teilen sich mehrere renommierte Indie-Studios gemeinsame Büroräume, darunter Studio Fizbin (Minute of Islands), Megagon Industries (Lonely Mountains: Snow Riders), BTF (Constance), Paintbucket Games (The Darkest Files) und eben Maschinen-Mensch.

Im GamesWirtschaft-Interview blickt Co-Gründer Johannes Kristmann auf Erfolge und Herausforderungen seines Spiele-Studios.

GamesWirtschaft: Zunächst: Nachträglich Gratulation zum Jubiläum! Wann hattet ihr entlang dieser zehn Jahre erstmals das Gefühl, dass es ‚läuft‘? Dass ihr euch also auf Dauer etablieren könnt? Und was hat euch zwischendurch zweifeln lassen?

Kristmann: Puh, da sind so viele Momente in dieser Zeitspanne. Als kleines Studio fühlt es sich oft an, als würde man auf einer Achterbahn sitzen. Es gibt Tage, an denen es nicht besser laufen könnte, mit dem Himmel zum Greifen nah, und dann Momente, an denen man gefühlt mit Karacho nach unten saust. Ein wichtiger positiver Meilenstein war sicherlich unsere Auszeichnung zum besten Indie-Game 2015 (Deutscher Entwicklerpreis, Anm. d. Red.).

Zweifeln hat mich ehrlich gesagt lange Zeit nichts, bis wir dann 2022 – nach Curious Expedition 2 – versucht haben eine Finanzierung für unser neues Spiel, Mother Machine, zu sichern. Es war sehr herausfordernd, trotz unseres erfolgreichen Track-Records, einen zuverlässigen Partner zu finden.

Szene aus Mother Machine (Abbildung: Maschinen-Mensch UG)
Szene aus Mother Machine (Abbildung: Maschinen-Mensch UG)

Seit den Anfängen ist Maschinen-Mensch auf mehr als 20 Beschäftigte angewachsen und zählt damit schon zu den mittelständischen Indies im Land. Inwieweit hat sich durch die gestiegene Verantwortung die Firmenkultur verändert – und damit auch der Druck auf euch als Gründer?

Wir hatten schon immer die Idee, uns mit dem Wachstum der Firma Zeit zu lassen. Gesund und kontrolliert zu wachsen, gab uns die Möglichkeit, unser Team so zu gestalten, wie wir es für richtig halten. Das beinhaltet viele verschiedene Diversitäts-Faktoren, die über die reine fachliche Kompetenz hinausgehen.

Als wir Curious Expedition 2 mit einem Ca.-10-Personen-Team abgeschlossen haben, war uns klar, dass wir in erster Linie eine Lösung für die Bereiche Spieleproduktion und Firmenleitung  finden mussten. Beides gleichermaßen zu leisten schien unmöglich. Es war jedoch nicht einfach, die CEO Ebene extern zu besetzen.

Nach reiflicher Überlegung teilten wir die Verantwortungsbereiche: Riad konzentriert sich auf die Geschäftsführung, während ich mich auf die Produktion fokussiere. Diese Aufgabenteilung hat uns sehr geholfen, allen Bereichen gerecht zu werden und mit dem gestiegenen Druck umzugehen.

Maschinen-Mensch ist quasi eine Blaupause, wie stabile Studios entlang von Landes- und Bundes-Fördermitteln überhaupt erst entstehen und gedeihen können. Was würdet ihr euch von der Politik mit Blick auf die Standort- und Rahmenbedingungen wünschen?

Die Unterstützung des Medienboard Berlin-Brandenburg und der Bundesförderung war für uns eine riesige Hilfe. Damit die Branche weiter wachsen kann, wäre es wichtig, die Bundesförderung langfristig und verlässlich aufzustellen. Das ständige Start-und-Stopp sorgt für große Unsicherheit und erschwert Gespräche mit Investitionspartnern.

Ohne Förderung ist es nahezu unmöglich, mit internationalen Produktionsbedingungen mitzuhalten. Die resultierenden Finanzierungslücken sind ein häufiger Grund für das Scheitern mühsam aufgebauter Firmen. Eine nachhaltige Lösung könnte wohl ein zusätzliches Steuersparmodell sein, das langfristige Planung ermöglicht.

Euer aktuelles Projekt Mother Machine ist für 2025 geplant – eurem ’signature move‘ mit Blick auf prozedurale Level bleibt ihr treu, doch bei Spielmechanik und Stilistik bewegt ihr euch auf neues Terrain. Was macht euch zuversichtlich, dass ihr an Curious Expedition 1 und 2 anknüpfen könnt? Und welchen Weg wollt ihr diesmal hinsichtlich Vermarktung und Vertrieb einschlagen?

Mother Machine ist eine konsequente Weiterführung unserer Arbeit mit prozeduralen Systemen. Wie schon bei Curious Expedition geht die Prozeduralität weit über ein bisschen zufällige Abwechslung hinaus.

Mother Machine ist, genau wie Curious Expedition, eine Art Anekdoten-Generator. Beim Spielen entstehen durch die vielen kleinen Entscheidungen Kettenreaktionen, die absolut einzigartige, sehr persönliche Momente erzeugen. Im Gegensatz zu Curious Expedition drückt sich dies allerdings nicht durch geschriebene Story-Fragmente aus, sondern wirkt direkt im Gameplay durch physikalische Momente: Objekte rollen durch die Spielwelt und erzeugen einen Dominoeffekt, Gegner fallen unerwartet in einen Säuresee oder die Spielfigur findet ein unterhaltsames Ende durch eine vorhergehende Fehlentscheidung.

All dies wird natürlich noch dadurch verstärkt, dass diese  Kettenreaktionen nicht nur von einer Person, sondern von bis zu vier Spielenden und ihren Entscheidungen ausgelöst werden.

Der drastische Wechsel von Genre und Look ist natürlich ein gewisses Risiko für uns, birgt aber auch die große Chance, neue Zielgruppen zu erreichen. Außerdem sind wir als Studio bestrebt, uns neuen kreativen Herausforderungen zu stellen und unsere Expertise im Bereich Procedural Generation auf neue Spielprinzipien zu applizieren.

Es ist aufgrund der aktuellen Marktlage nicht einfach, traditionelle Publisher zu überzeugen, in ein innovatives Projekt wie Mother Machine zu investieren. Wir haben uns andererseits aber auch für das Self-Publishing entschieden, um volle Kontrolle über das Projekt zu haben. Dies ist kein neuer Ansatz für uns, da wir bereits bei Curious Expedition 1 diesen Weg gegangen sind.

Natürlich war damals unser Team viel kleiner, aber wir sind zuversichtlich, dass wir diesen Weg erneut erfolgreich gehen können.


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